Das Image von Journalisten in der Öffentlichkeit rangiert regelmäßig bei Umfragen dieser Art auf den untersten Plätzen, irgendwo zwischen Makler und Autoverkäufer. Trotzdem kommt ein Journalist wie Tom Schimmeck nun daher und behauptet frech: „Wir werden gebraucht.“ Sein neues Buch zeigt auf, warum.
Seit geraumer Zeit sind Entwicklungen im Gang, die Anlass zur Besorgnis geben müssen – zumindest für unverdrossene Idealisten wie Schimmeck, die freie und unabhängige Medien als unabdingbare Voraussetzung ansehen für Transparenz, für sachliche Kontroversen, für die freie Meinungsbildung des Bürgers als mündiges Mitglied einer demokratischen Öffentlichkeit:
Der Konzentrationsprozess bei den Eigentumsverhältnissen großer Medienkonzerne; die Einflussnahme von politischen Parteien und Lobbyisten auf redaktionelle Inhalte; die Bewertung - man könnte auch sagen Entwertung - journalistischer Arbeit ausschließlich unter ökonomischen Gesichtspunkten mit der Folge, dass zeitaufwändige Hintergrundrecherche, fundierte Argumentation, erst recht kritische Reflexion unter den Tisch fallen.
Hinzu kommt eine oftmals eindimensionale Berichterstattung bei politischen Kontroversen (die Schimmeck am Beispiel der Medienkampagne gegen Kurt Beck und Andrea Ypsilanti darstellt), aber auch bei scheinbar nüchternen Sachthemen, besonders greifbar am Beispiel des Wirtschaftsressorts, das für Schimmeck „zur marktfundamentalistischen Sekte“ verkommen ist.
Schließlich sei noch ein einkommensschichtspezifischer blinder Fleck genannt, vor allem in Bezug auf Themen wie soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit. Ursache davon ist der Umstand, dass der journalistische Nachwuchs sich zunehmend aus der saturierten Mittelschicht heraus rekrutiert, mit dem Ergebnis, dass diejenigen, die Macht ausüben, und diejenigen, die ihnen dabei auf die Finger schauen sollen, aus demselben Stall kommen. Zwischen karrierebewussten Journalisten und geltungssüchtigen Politikern etabliert sich damit eine gegenseitige Abhängigkeit, die den Medien kaum eine Chance lässt, wieder zur einstigen „vierten Gewalt“ zu werden.
Diese Entwicklungen – von denen bereits jede einzelne im Kern demokratiefeindlich zu nennen wäre – werden in dem Buch von Tom Schimmeck eindringlich beleuchtet.
Seine Beispiele aus dem Journalistenalltag, wie etwa ein Besuch bei der Bundespressekonferenz oder die Interviews mit einem US-Lobbyisten und der Chefin einer Casting-Agentur sind authentisch und treffend, seine Sprache ist lebendig und hebt sich wohltuend ab von Veröffentlichungen, die per copy & paste wirr zusammengestückelt werden.
Tom Schimmeck teilt allerdings das Schicksal aller Autoren, die in bester aufklärerischer Absicht versuchen, gegen die „Vernebelung der Köpfe“ anzuschreiben: Denn gelesen werden ihre Bücher in erster Linie doch wohl von den noch weitgehend Unvernebelten, die ihre eigenen Vermutungen nur noch einmal aus berufenem Munde bestätigt wissen wollen.
Dennoch: Allein die Tatsache, dass solche Bücher überhaupt gelesen werden, macht deutlich, dass es in unserer schönen bunten Medienwelt einen großen Bedarf an Aufklärung und Orientierung gibt. Und wer sonst als die Journalisten selber, als diejenigen, die die Mechanismen der „Meinungsmache“ nur zu gut kennen, könnte sie uns geben?
Es ist wohl wahr: Journalisten wie Tom Schimmeck werden dringend gebraucht.
Über den Autor: Tom Schimmeck arbeitet als freier Autor für die Süddeutsche Zeitung, die Zeit, den Deutschlandfunk, den NDR und viele andere Medien. Er war Mitbegründer der taz und Redakteur und Reporter bei Tempo, Spiegel, profil und Woche. 2007 erhielt er den Otto-Brenner-Preis, 2008 den Ernst-Schneider-Preis und 2009 den Deutschen Sozialpreis. Er lebt im Wendland.
Tom Schimmeck: „Am besten nichts Neues – Medien, Macht und Meinungsmache“, Westend Verlag 2010, ISBN-10: 3938060506; ISBN-13: 978-3938060506