Thema: afrika

Anna in Afrika

Nun ist es also soweit, ich bin seit einem Monat hier in der Fremde. Im Nachhinein ist dieser Monat recht schnell vergangen, aber die einzelnen Tage vergehen immer noch sehr langsam. Gestern und heute hatten wir wieder einmal Vorbereitungstreffen, diesmal für unser Workcamp nächste Woche. Seit gestern sind wir noch ein Europäer mehr: Ricardo aus Italien wird drei Monate hier bleiben. Heute denke ich den ganzen Tag nur an meine kleine Marie, die Geburtstag hat. Ich bin auch sehr traurig, dass ich nicht da sein kann, Süße.

Mit meiner Gastfamilie ist das so eine Sache:
Einerseits gibt es immer Momente in denen ich das Gefühl habe, dass die Kommunikation gut funktioniert, andererseits merke ich, dass ich mich häufig zurückziehe, wenn ich mich nicht so gut fühle und lieber etwas mit den anderen Deutschen unternehme… Ich kann noch nicht einschätzen, ob das meiner Integration förderlich oder hinderlich ist. Momentan ist es aber auch noch so, dass ich viele Verhaltensweisen, vor allem meines Gastvaters sehr schwer zu akzeptieren finde.
Ich merke mal wieder, das ich einfach nicht auf autoritäre Personen stehe! Außerdem habe ich oft das Gefühl, dass er ganz andere Ansichten vertritt, als er vorgibt, zu vertreten. Zum Beispiel redet er davon wie glücklich es ihn macht, Kinder zu haben und scheucht im nächsten Moment seine Kinder rum, ihm etwas zu bringen. Oder aber er redet von Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, die er für unheimlich wichtig hält - praktiziert aber bezüglich seiner eigenen Frau eine ganz andere Politik. Schwierig irgendwie.
Mit meiner Gastmutter ist das Problem, dass sie sehr schlecht Französisch spricht, aber wenn mein Gastvater nicht da ist, spricht sie viel Ewe und lacht und scherzt mit den Kindern.
Vorgestern habe ich den Cousin der einen Tochter kennen gelernt und mit ihm ein bisschen über die Familie gesprochen und er hat mir erzählt, dass mein Gastvater für seine Art, mit den Kindern und Frauen umzugehen auch innerhalb der Familie kritisiert wird. Naja, immerhin bin ich nicht die Einzige, die Probleme mit seiner Art hat.
Zum Thema Polygamie hat mir der Cousin gesagt, dass mein Gastvater auch nicht findet, dass Polygamie gut ist, sie aber trotzdem praktiziert, jedoch nie mit mir darüber reden wird. Das sei wie mit einem Dieb, der wüsste, dass stehlen nicht richtig ist, es aber trotzdem tut. Nun ja, Ansichtssache, würde ich sagen.. (Anmerkung: in einem früheren Bericht hatte Anna davon erzählt, dass ihr Gastvater mit drei Frauen verheiratet ist, von denen er auch mehrere Kinder hat)

So schwanke ich also im Moment immer zwischen Anpassen wollen und Anders bleiben wollen, guter und schlechter Laune. Ich hoffe nur, das ist auch wirklich Kulturschock-bedingt und geht somit bald wieder vorbei ;)

Morgen koche ich mit Lisa mal bei mir zu Hause, wir wollen Nudeln und Ratatouille machen und ich bin sehr gespannt wie das ankommt … Auf bald, nächste Woche gibt es vermutlich erst Samstag oder in der Woche darauf Nachricht, weil wir ja in ein Dorf ziehen für das Workcamp. Wenn es Nachrichten gibt, dann aber auch mit Berichten über meine Arbeit in der Schule für geistigbehinderte Kinder…

Ausgehen und andere Soaps

23. September 2008

Der Freitagabend war einfach cool, wir haben getanzt und Cola getrunken (Ja, ich trinke immer nur Cola, weil das Bier hier nicht schmeckt!) und ich habe mich einfach gut gefuehlt. Allerdings geht auch das Weggehen nicht ohne mindestesn ein bis zwei mal seine Nummer nicht an jemanden geben zu wollen und dieses Erklären zu muessen. Der junge Mann, der es offenbar auf mich abgesehen hatte, gestand aber, nach dem ich nach Hause gegangen war, Anna-Lena, einer anderen Freiwilligen seine Liebe. Angeblich hatte er nur versucht mir näher zu kommen, weil sein bester Freund auch auf Anna-Lena steht und dieser Freund Vorrang hat….! Da sieht man mal, wo es hinführt, wenn das Staatsfernsehen lateinamerikanische Soaps als Hauptprogramm hat…

Ich bin im Moment ganz gerne mal alleine, neige dann aber auch zum Grübeln. Ich weiss heute mal wieder nicht, wie ich mich fühle, alles scheint mir so fremd und ein Jahr irrsinnig lang. Ausserdem finde ich meine Gastfamilie zwar sehr bemüht und höflich, aber irgendwie nicht herzlich. Entgegen meiner Erwartungen komme ich damit recht gut klar, nur komme ich nicht damit klar, dass zu jedem Anlass die Floskeln "du courage" und "ca va aller" gesagt wird und zwar wenn man Hunger hat, wenn man Bauchweh hat oder wenn man einfach nur joggen gehen will. Die Togoer sagen zwar, damit wolle man Anteil nehmen und Mitleid symbolisieren, aber ich finde es trotzdem anstrengend.
Ich kann noch nicht richtig einschätzen, ob mit diesen Worthülsen, die die Togoer sowieso lieben, wirklich Mitleid ausdruecken wollen oder ob es eben nur eine Höflichkeit ist und eigentlich Desintresse ausdrueckt… Ihr seht, zu Tode betrübt und himmelhochjauchzend, das liegt gerade sehr nah beieinander..
Allerdings wechselt das auch täglich und manchmal sogar stündlich, also sind meine Blogeinträge immer nur eine Momentaufnahme und sollten niemanden bedrücken.
Im Moment denke ich oft an zu Hause und daran, was da gerade alles passiert. Trotzdem, heute bin ich schon vier Wochen hier und ehrlich gesagt ein bisschen stolz, weil das schon länger ist, als ich je vorher von Deutschland und zu Hause weg gewesen bin.

Afrika ist eben doch ein bisschen anders...

19. September 2008

Am Mittwoch wurde in den Nachrichten verkündet, dass die Schule (auf Grund einer Ueberschwemmung im Norden des Landes) nicht nächsten Montag sondern erst am 6. Oktober beginnt. Das bedeutet also für uns weitere zwei Wochen nichts tun. Wir alle sind im Moment ein bisschen genervt darüber, aber vermutlich werden wir einfach eine Art Workcamp machen zum Thema “Sensibilisierung der Bevölkerung zum Thema Aids”. Mir ist es gerade fast egal, was wir machen, Hauptsache ich bekomme eine Aufgabe.
Ausserdem habe ich gestern vergeblich versucht, ein Fahrrad zu kaufen und hatte meinen ersten echten “genervt-sei-Tag”, weil ich zwei Stunden lang über den Markt gelaufen bin und die Händler immer “super Fahrräder” zu verkaufen hatten, was im Klartext bedeutete, dass die Bremsen, wenn denn überhaupt vorhanden, nicht funktionierten, die Gangschaltung vermutlich kaputt war und die Lichter höchstens vorne ODER hintern funktionierten. Auch Achilles, einer unserer Verantwortlichen bei ASTOVOT, der mir helfen wollte, einen guten Preis zu bekommen, war ziemlich genervt und wir haben die ganze Aktion auf morgen verschoben, weil heute noch einmal neue Fahhraeder aus Lomé kommen sollen.
Zum Trost habe ich mir dann zwei Stücke Stoff gekauft, die sehr schön sind, meine Gastfamilie aber für zu teuer hielt (ich habe umgerechnet 3 Euro dafür bezahlt und jedes der Stücke reicht für eine Hose…). Ich habe gemerkt, dass ich vielleicht einfach mit ihnen nicht über Preise reden sollte, denn hier geht es eigentlich ständig um Geld, was nicht nur meine ” Begleitung” angeht. Auch der Vater spricht täglich darüber, wieviel das kostet oder wie arm er ist oder wie arm insgesamt die Menschen im Süden sind, weil der Präsident aus dem Norden stammt ( unabhängige Beobachter behaupten das Gegenteil, dass nämlich die Menschen im Süden reicher und auch besser gebildet sind. Was Sinn macht, da der Norden Steppe und Wüste ist und der Süden tropisch). Vielleicht ist es aber auch normal, dass Geld eine große Rolle spielt, wenn doch insgesamt das Geld knapp ist.
Heute Abend gehe ich mit meiner Gastschwester in eine Bar, wo aber diesmal nicht ich bezahlen werde, da wir eingeladen worden sind. In Togo ist es nämlich so: Wenn man jemanden fragt, ob er mitkommen möchte in eine Bar, dann bedeutet das auch, dass man für diesen Jemand die Getränke bezahlt. Das hat allerdings zur Folge, dass man immer nur mit kleinen Gruppen weggeht, weil es sonst ja zu teuer wird.
Einmal war ich schon in einer Bar, allerdings mit der ganzen Gruppe der Deutschen und unseren Verantwortlichen von ASTOVOT, was zur Folge hatte, dass ich von der Bar selber nicht viel mitbekommen habe, weil wir uns ein bisschen isoliert haben..




2008-10-10 ; von Anna Schwarz (autor),

afrika  

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