20.Oktober 2008:
Die letzte Woche war zumindest bis Mittwoch ein voller Erfolg. Ich habe mich sehr wohl gefühlt und dachte, ich habe mich endlich ein bisschen eingelebt. Tja, Mittwoch Nachmittag fehlten dann auf einmal 2000 CFA in meinem Portemonnaie, was ungefähr 3,50 Euro entspricht, für Togo aber eine Menge Geld ist. Da das Geld zu Hause verschwunden war, konnte ich sicher sein, dass es jemand aus meiner Gastfamilie genommen hat … Ich war ziemlich sauer und konnte mich gerade noch zusammenreißen, nicht sofort eine riesige Szene zu starten.
Nachdem dann noch einmal 5000 CFA fehlten, redete ich dann mit den ASTOVOT-Leuten. Zum Glück waren auch dort alle der Meinung, dass das gar nicht geht und fragten mich, was ich jetzt als Lösung vorschlüge. Ich wollte eigentlich keinen Tag länger in der Familie bleiben, ließ mich dann aber darauf ein, dass erst mal ein Gespräch mit meinem Gastvater geführt würde, um die Situation zu klären. Nach dem Gespräch berief mein Gastvater die Familienkonferenz ein und redete sehr eindringlich mit seinen Kindern. Im Ergebnis entschuldigten sich drei meiner Gastgeschwister bei mir, beteuerten aber, es nicht gewesen zu sein und mein Gastvater versprach mir, dass so etwas nie wieder vorkommt, falls aber doch, würde er alle seine Kinder rausschmeißen… Aus Fehlern lernt man und jetzt schließe ich immer ab.
Meine Arbeit macht mir sehr viel Spaß, die meisten Kinder sind super toll, allerdings beginne ich eine absolute Aversion gegen einen Jungen zu entwickeln. Es ist verdammt schwer, jemanden zu mögen, der konsequent den Unterricht boykottiert, die anderen Kinder triezt und schlägt und auch zu den Lehrern unfreundlich ist. Außerdem war mir nicht klar, wie langsam einige Kinder voran kommen. Nach dem Unterricht werden immer noch dreißig Minuten Lernspiele gemacht und eines der Mädchen macht seit eineinhalb Wochen immer dasselbe Puzzle mit acht Teilen und hat noch immer nicht das Prinzip dahinter gecheckt. Ein anderer Junge soll schon genauso lange ein Dreieck in ein Dreieck legen, ein Quadrat in ein Quadrat und einen Kreis in einen Kreis, also ein Spiel für Kinder im Alter von eineinhalb: Auch ihm gelingt es nicht seine Aufgaben zu meistern. Laura und ich haben die Theorie, dass hier in Togo nur die Kinder in die Behindertenschule gehen, die ganz doll und offensichtlich behindert sind - die anderen arbeiten wahrscheinlich auf dem Feld, statt zur Schule zu gehen.
Das ist ein bisschen frustrierend, aber so ist es nun mal und ich bin noch nicht in der Position, ein Urteil zu fällen, ob es nur an der Behinderung der Kinder liegt oder ob vielleicht auch die pädagogischen Mittel schuld an dem Nicht-Fortschritt sind.
Heiratsanträge ohne Ende - stärkereiches Essen und Geldsorgen
Am Wochenende war ich, mal wieder, in unserer Yovo-Stammkneipe und habe getanzt, aber diesmal gingen mir die Togolesen ein bisschen auf den Keks. Man kann hier einfach niemanden kennen lernen, ohne dass er einen heiraten möchte oder zumindest mit nach Hause genommen werden will. Mädels lernt man eh nicht kenne, weil die nur weg gehen, wenn sie einen Freund haben, mit dem sie dann den ganzen Abend verbringen…So gehen wir also weiter fleißig mit den togolesischen Volontären von ASTOVOT weg, die wollen uns nicht heiraten.
Was das Essen angeht bin ich gerade in einem Tief, ich träume nachts von dem Essen zu Hause. Es ist ja nicht so, dass hier nichts schmeckt, aber es gibt einfach sehr wenig Auswahl und noch weniger Gemüse und Fleisch: sprich, KOHLENHYDRATE in Massen. Gegen das togolesische Weißbrot ist das französische Baguette echtes Vollkornbrot! Da ist einfach nichts mehr drin außer Stärke. Ich schätze, es wird mal wieder Zeit in ein europäisches Restaurant zu gehen, um meinen Hunger zu stillen… :)
Das Wetter hier ist im Moment sehr komisch. Die Sonne knallt immer noch und auch der Regen wird nicht weniger, allerdings beginnen die Nächte ein bisschen kühler zu werden und meine Gastfamilie ist komplett verschnupft. Ich allerdings habe mir jetzt eine Decke gekauft und friere kein bisschen.
Als ich Samstag stolz vom Markt wiederkam mit meinen neu erstandenen Socken und der Decke saß mein ältester Gastbruder bedröppelt auf der Treppe und erzählte mir, dass sein Vater ihm nur 20 000 CFA gegeben hat, er aber 26 000 CFA braucht um das Studium für das nächste Jahr zu bezahlen.. Es fehlen ihm also umgerechnet 10 Euro. Allerdings war ich aufgrund des Geldmopsens nicht in der Laune, ihm das Geld einfach zu geben. Ich frage mich allerdings schon manchmal, wieso die Prioritäten hier so anders sind als bei uns. Da kauft der Vater sich einen neuen Lattenrost für sein Bett, obwohl er eh schon den besten im Haus hat, aber er hat nicht genug Geld, um seinem Sohn das Studium zu zahlen... Mein Gastbruder ist jetzt trotzdem nach Lomé zum Studium gefahren und offenbar hat er das restliche Geld noch irgendwo aufgetrieben.
Letzte Woche habe ich hier mal wieder sehr große Greifvögel gesehen und konnte endlich herausfinden, welche es sind: Geier und Sperber, wobei Sperber hier so groß sind wie Adler… Sehr beeindruckend!
Mein nächstes größeres Projekt ist jetzt einen Ewe-Kurs zu machen, damit ich meine Kiddis in der Schule auch verstehen kann. Die sprechen ja, wenn überhaupt, nur gebrochen Französisch und so ist es echt schwer mit ihnen zu kommunizieren ...
Beziehungsprobleme hier und da ...
Mit einigen der Kiddis geht es voran: Mein kleiner Aggro-Downie Nazif hat sich tatsächlich mal von mir in den Arm nehmen lassen und in guten Momenten legt er sogar so etwas wie ein Sozialverhalten an den Tag und bringt den anderen Kindern einen Stuhl oder tröstet sie sogar, wenn sie weinen. Dafür hat mein Liebling Edem jetzt Nazifs schlechte Gewohnheiten angenommen, grunzt wie ein Schweinchen und tritt nach dem einzigen Madchen in der Klasse… Na super!
In meiner Familie lief alles recht gut und Donnerstag wagte ich es dann auch, meinen Gastvater zu fragen ob Sven, ein anderer deutscher Freiwilliger, von Samstag auf Sonntag bei mir übernachten dürfte. Entgegen meiner Erwartung sagte mein Gastvater sofort ja… Ich hatte zumindest damit gerechnet, dass ich ihn überzeugen müsste, weil hier Jungs und Mädchen grundsätzlich auseinander gehalten werden und auch Beziehungen erst nach dem Studium erlaubt sind.
Ich war superbeschwingt, weil ich so überrascht war von seiner Liberalität. Am nächsten Tag war ich gerade auf dem Weg zu unserer Schneiderin, wo ich zwei super schöne Hosen, ein Kleid und ein Hemd abholen wollte, als ich eine SMS von unserem Projektkoordinator bekam, dass ich dringend ins Büro kommen müsse. Also Mototaxi angehalten und los, allerdings war ich schon ein bisschen genervt, weil die SMS nämlich so lautete: „ Je veux que tu vien au siège, tout suit.“ Sehr freundlich, oder? Aber so ist die Art unseres Koordinators, er redet mit allen so.
Im Büro traf ich dann nicht nur den Koordinator sondern auch meinen Tutor und es folgte eine Standpauke über die Wichtigkeit der Akzeptanz einer fremden Kultur. Auf gut Deutsch: mein Gastvater hätte ihm Bescheid gesagt, dass irgendjemand bei mir übernachten wolle und dass er, mein Gastvater, es sich noch mal überlegt hätte und dass das nicht ginge, weil er nicht wisse, was wir dann machen und weil seine Kinder ja auch keine Freunde haben dürften ...
Da war es dann mit meiner guten Laune vorbei. Ich regte mich tierisch darüber auf, dass diese Sache über ASTOVOT lief und mein Gastvater nicht mit mir selber darüber gesprochen hatte.
Fortsetzung folgt ...