Thema: afrika

Anna in Afrika V

Anfang November


Schon wieder zwei Wochen vorbei und es ist 'ne Menge passiert. Die Beerdigung, auf die ich mit meinen Gasteltern gehen wollte, fand erst dieses Wochenende statt und ich bin immer noch völlig beeindruckt davon. Eine Beerdigung dauert hier in Togo immer mindestens zwei Tage, meistens Freitag und Samstag und optional auch noch Sonntag. Ich fuhr am Freitagabend in das Dorf, in dem die Beerdigung stattfinden sollte und war schon da vollkommen beeindruckt wie viele Menschen dort waren. Die Trauergesellschaft verteilte sich auf drei verschiedene Höfe und Häuser und insgesamt waren wohl 150 bis 200 Menschen da.

Bis um neun Uhr abends passierte dann erstmal herzlich wenig, außer dass alle Leute geschäftig rumwuselten. Dann gab es Abendessen und als ich mich gerade hingesetzt hatte um zu essen, begannen alle Leute schlagartig zu weinen. Im ersten Moment habe ich mich fürchterlich erschreckt und war vollkommen überfordert mit der Situation. Dann wurde mir aber klar, dass die Leiche nach Hause gebracht worden war, wo sie gewaschen und angekleidet werden sollte. Danach konnte Jeder der wollte noch einmal die Leiche anschauen.

Während der Waschung und der Vorbereitung wurde eine Messe gelesen und vor der Tür des Raumes, wo die Leiche aufgebahrt wurde, klagten und weinten gleichzeitig mindestens 50 Leute. Weinen bedeutet hier nicht, dass man leise vor sich hin schluchzt, sondern, dass man laut schreit, klagt und im wahrsten Sinne des Wortes heult. Auffällig war außerdem, dass es nicht etwa die engsten Familienmitglieder des Toten waren, die so laut klagten sondern Frauen, die für mich keine erkennbare engere Verbindung mit dem Toten hatten. Ein paar Mal ist mir an diesem Abend durch den Kopf gegangen, dass vielleicht eine Beerdigung die Gelegenheit für die Frauen hier ist, ihren Frust und ihre angestauten Emotionen heraus zu lassen, denn eigentlich ist es in Togo vollkommen unüblich als Frau seine Gefühle zu zeigen es sei denn man ist sauer, weil ein Verkäufer einen betrügen will. Aber zum Beispiel Wut über den Ehemann oder Trauer oder auch nur schlechte Laune werden für gewöhnlich nicht gezeigt.

Um so beeindruckender war es dann aber für mich, dass das Klagen die ganze Nacht hindurch weiter ging. Nach dem Gottesdienst begannen dann einige Frauen zu tanzen und zu singen und alle Trauergäste tranken den hier vollkommen obligatorischen „Togo Gin“. Um Mitternacht war dann der Tote so präpariert, dass man in das Zimmer gehen durfte, um sich zu verabschieden. Anfang gruselte ich mich ein bisschen davor, auch in den Raum zu gehen, aber dann überwog doch meine Neugier. Ein bisschen unheimlich fand ich es dann aber doch, weil der Mann ja schon zwei Wochen tot war und trotzdem so aussah, als würde er nur schlafen. Eigentlich macht man bei einer Beerdigung die Nacht vor dem Begräbnis durch, aber ich konnte mich irgendwann einfach nicht mehr auf den Beinen halten und legte mich für einige Stunden hin. Am nächsten Morgen ging es erst gegen halb zehn weiter, bis dahin waren alle damit beschäftigt zu duschen und zu frühstücken. Dann wurde der Sarg abgeholt und in eine Art Kirche gebracht, die aus einem Dach aus Palmenblättern und Plastikstühlen bestand. Dort wurde dann noch einmal ein Gottesdienst gehalten und Blasmusik gespielt.

Danach wurde der Sarg wieder ins Auto geladen und zum Friedhof gefahren. Die ganze Trauergemeinschaft lief hinterher und die Blaskapelle spielte wieder. Auf dem ganzen Weg zum Friedhof wurde wieder geklagt und geweint und am Friedhof versuchten die Brüder des Toten die Sargträger davon abzuhalten, den Sarg ins Grab zu lassen, was zur Folge hatte, dass die Männer mit dem Sarg ins Schwanken gerieten und alle Leute die um sie herum liefen, umschmissen. GROSSE PANIK! Da hatte ich richtig Angst. Glücklicherweise hatten sich aber einige Frauen, darunter auch meine Gastmutter, meiner angenommen und eine dieser Frauen rettete mich dann auch und nahm mich einfach bei der Hand.

Da brachen dann aber bei mir auch die Tränen aus, weil die Stimmung einfach so emotionsgeladen war und ich auch echt vollkommen geflashed war von der ganzen Feier. Nach dem Begräbnis begann dann der „lustige“ Teil der Veranstaltung, in Togo ist es nämlich üblich, nach dem Begräbnis zu tanzen und zu singen, um dem Toten eine gute Reise in den Himmel zu wünschen. So wurde also getrommelt und getanzt und noch einmal gemeinsam gegessen und Gin getrunken, aber ich war so erschöpft und erledigt, dass ich nicht mehr richtig mitmachen konnte. Also suchte ich mir gegen drei Uhr nachmittags ein Taxi nach Hause.

Taxi fahren ist hier übrigens auch ein Erlebnis der ganz eigenen Art. Auf dem Hinweg saß ich mit acht Erwachsenen und einem Baby in einem Opel Kadett, auf dem Rückweg war es noch ein Baby mehr. Außerdem saß auf der Hinfahrt ein Polizist neben mir auf dem Vordersitz, der seine Maschinenpistole in unseren Fußraum gelegt hatte, was ich auch ein super Gefühl fand…

Naja, irgendwie schockt mich all das nicht mehr wirklich und auch die Verkehrssicherheit wird immer relativer, denn wenn man mit neun Menschen in einem Auto sitzt, ist ja klar, dass man sich nicht anschnallen kann, ganz davon abgesehen, dass die Autos hier gar keine Anschnallgurte haben. Außerdem muss ich immer wieder an Sophies Auto denken, dessen Tacho nicht ging, das ist in Togo serienmäßig! Auch das neu gekaufte Motorrad meiner Mitvolontäre Verena und Theresa hat keinen funktionierenden Tacho.

Am Donnerstag vor der Beerdigung war Kpalimés Jugend in hellem Aufruhr, weil "Blumentopf" ein vom Goetheinstitut organisiertes Konzert gaben. Klar, dass alle Volontäre da hinwollten. Ich fand es auch ziemlich cool, vor allem, weil wir uns hinterher noch kurz mit den Leuten vom Goetheinstitut und den Rappern unterhalten konnten. Allerdings war nur einer der Hip Hopper von Blumentopf, den anderen kannte ich nicht. Trotzdem war es ein ziemlich cooler Abend, auch wenn das ganze ziemlich unwirklich war.. Deutscher Hip Hop in Togo!

In meiner Gastfamilie geht alles den alltäglichen Gang, wobei meine Gastmutter nach dem Wochenende nicht mit nach Hause gekommen ist und als ich die Kinder gefragt habe, wann sie wiederkommen würde konnten sie mir keine Antwort geben. Mein Gastvater hat mir jetzt erzählt, dass sie in ihr Heimatdorf gefahren ist, weil dort die Reisernte ansteht und sie helfen muss und sie in vier bis acht Wochen wieder kommt…

Also in Sachen Familienkommunikation besteht hier echt Nachholbedarf! Bis meine Gastmutter wieder da ist wohnt ein 15 jähriges Mädchen bei uns und macht den Haushalt, wobei ich mich frage, warum sie nicht in der Schule ist. Eigentlich finde ich es auch ziemlich verwerflich, dass mein Gastvater so ein Mädchen aussucht, um den Haushalt zu machen, auf der anderen Seite würde sie ja auch nicht in die Schule gehen, wenn sie nicht hier arbeiten würde, weil ihre Eltern vermutlich nicht genug Geld haben um das Schulgeld zu bezahlen.. Trotzdem, irgendwie ein komisches Gefühl.

Am Freitagabend ist, leider muss man sagen, mal wieder, ein Überfall auf zwei Freiwillige einer anderen Organisation passiert. In den letzten zwei Monaten gab es drei Überfälle auf Gruppen von Freiwilligen, die ich, zumindest zum Teil, auch kenne. Die vorherigen Überfälle waren immer mit dem Abgeben der Tasche oder des Portemonnais erledigt, diesmal wurde aber eine der beiden Mädchen mit einer Machete verletzt…. Von ASTOVOT ist noch überhaupt niemand überfallen worden, aber die beiden Mädchen arbeiten mit mir bei Envol und auch wenn allen klar ist, dass man nachts wirklich vorsichtig sein muss und sich am besten immer von einem Togolesen nach Hause bringen lässt – ein bisschen schockierend finde ich diese Geschichte trotzdem.

Diese Woche habe ich bis auf Donnerstag und Freitag frei. Die Lehrer von Envol sind alle in Lomé und so sind die Klassen geschlossen und nur im Garten muss gearbeitet werden. Da wir ja mehrere Volontäre sind, teilen wir uns die Arbeit und so habe ich jetzt fast die ganze Woche frei. Nächstes Wochenende wollen wir mit einigen Togolesen in ein kleines Dorf hier in den Bergen an der Grenze zu Ghana fahren und in einem der Wasserfälle schwimmen gehen, ein bisschen Volleyball spielen und einfach ein schönes Wochenende verbringen. Da freu ich mich schon sehr drauf.

Inzwischen geht die Zeit sehr, sehr schnell vorbei und ich kann gar nicht richtig glauben, dass ich bald schon drei Monate hier bin. Gerade bin ich aber auch vollkommen mit mir und meinem Leben im Reinen und freu mich hier zu sein und soviele neue, beeindruckende Erfahrungen zu machen. Außerdem bin ich kein bisschen neidisch auf den Winter in Deutschland, denn hier beginnt jetzt die Trockenzeit, es hat schon über eine Woche nicht mehr geregnet, und die Hitze beginnt erst. ;)

 

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2008-12-12 ; von Anna Schwarz (autor),

afrika  

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