Thema: atompolitik

Wir können uns Atomkraft nicht leisten (2)

Die Mär vom Forschungsloch

Wenn Atomkraftfreunde mit ihren Argumenten am Ende sind, dann beschwören sie den drohenden Verlust der Spitzenreiterrolle in der Forschung. Angeblich sei Deutschland weltweit das einzige Land, welches aus der Atomkraft aussteigen wolle. Man könne es sich nicht leisten, aus der Forschung an einer Hochtechnologie auszusteigen.

Fakt ist: Lediglich für die großen Industrienationen Frankreich, USA, Japan und Deutschland spielt die Nutzung der Atomkraft für die Stromproduktion überhaupt eine nennenswerte Rolle. Allein in diesen vier Ländern wird zwei Drittel der weltweit hergestellten Atomenergie produziert und genutzt. In den USA fand der AKW-Ausbau-Boom schon Mitte der 70er Jahre sein Ende. Zu hoch wurden die Aufbau-, zu unberechenbar die Folgekosten.

Was die meisten Länder auf der Welt interessiert, sind intelligente dezentrale Lösungen für die Energieversorgung, zugeschnitten auf die lokale Situation, risikofrei, kostengünstig herzustellen und möglichst aus erneuerbaren Energien. Nicht umsonst sind die verschiedenen Technologien zur Erzeugung von Energien aus erneuerbaren Quellen deutscher Exportschlager. Das wäre allerdings fahrlässig, diese Forschungs-Spitzenreiter-Position aufzugeben. Nach den CDU/CSU-Konzepten von 2002 würde aber genau dieser Fall eintreten, wenn die Förderung von Erneuerbaren Energien eingestellt würde. Im neuesten Bundesvorstands-Beschluss der CDU ist der Ausbau Erneuerbarer Energien zwar wieder aufgenommen worden. Ob dies allerdings wahrer Einsicht oder eher populistischem Wahlkampf-Kalkül zu verdanken ist, bleibt noch abzuwarten.

Die Risiken

„Angesichts der Risiken, die schon heute bestehen und angesichts völlig ungeklärter Entsorgungsfragen muss Atomkraft als Beitrag zum Klimaschutz daher ausscheiden.“ so der Schlußsatz der schon oben erwähnten EWO-Studie. Eigentlich reicht dieser eine Satz vollständig aus um jegliche weitere Diskussion um den Ausbau der Atomkraft zu beenden.

Doch bitte, auch hierzu gibt es Studien. Insbesondere die „Restrisikostudie“ der europäischen Grünen, vorgestellt im Mai 2007, listet in beeindruckender Weise die verschiedenen größeren und kleineren Störfälle der letzten Jahre auf.

Schon 1979 läutete der schwere Kernschmelzunfall in Three Miles Island (USA) in den USA die Abkehr von der Atomkraft ein. Dann 1986 Tschernobyl, dann 2006 Forsmark, 2008 Krsko ... usw. usw. In den letzten Jahren hat allein der französische Atomkraftwerksbetreiber EDF jährlich zwischen 600 und 800 „signifikante Zwischenfälle“ (Tendenz steigend) an die Atomaufsichtsbehörde gemeldet . Insgesamt verzeichnete die Aufsichtsbehörde zwischen 1986 und 2006 rund 10 000 Meldungen von Störfällen – die meisten glücklicherweise nicht in der Gefahrenklasse von Tschernobyl oder Three Miles Island. Doch die Grünen-Studie fragt sich, ob das schierem Glück oder einer besseren Sicherheitslage zu verdanken ist.

Letzteres wohl weniger. Während der zweijährlichen Generalversammlung desWeltvereinigung der Atomkraftwerksbetreiber (World Association of Nuclear Operators,WANO) warnte der Vorsitzende Hajimu Maeda vor schleichender Lethargie, die mit demMotivationsverlust beginnt, voneinander zu lernen...Vermessenheit... [und] Nachlässigkeit im Kultivieren einer Sicherheitskultur auf Grund von starkem Druck, die Kosten zu reduzieren,als Folge der Deregulierung des Strommarktes“. Diese Probleme, wenn sie ignoriert werden,„sind wie eine schreckliche Krankheit, die innerhalb der Organisation wurzelt“, und können,wenn sie nicht entdeckt werden, zu einem „bedeutenden Unfall“ führen, der „die ganzeOrganisation zerstört“. (aus: Restrisikostudie der EFA/2007)

Der Preis

Naiv, wer glaubt, dass die Industrie die Einsparungen aus einer Verlängerung der Laufzeiten 1 : 1 an die Verbraucher weiter geben würde. Den Strompreis bestimmen nicht die Produktionskosten, sondern der Marktwert. Und dieser wird über die Strombörsen bestimmt. In Frankreich, wo rund 80 % des Stroms aus Kernenergie gewonnen werden, ist der Strompreis an der Börse nahezu identisch mit dem Preis an der deutschen Strombörse.

Nachfrage und Angebot bestimmen den Preis. Warum sollte irgendein Energieversorger freiwillig zu günstigeren Konditionen verkaufen, wenn er an der Börse einen höheren Preis erzielen kann? Dafür sind sich die vier Großkonzerne viel zu spinnefeind, um hier zu Kooperationen zu kommen.

Ebenso illusionistisch sind Forderungen nach einem Sozialtarif. Hatte man nicht eben erst begeistert bejubelt, dass der Strommarkt endlich freigegeben wird? Und nun gleich wieder staatliche Regulierungen?

Wobei man allerdings läuten hört, dass die Energieversorger an einem faulen Kompromiss arbeiten, der ungefähr so geht: gibt du mir längere Laufzeiten für meine uralten, längst abgeschriebenen Atomkraftwerke frei, dann können wir auch über Preisbindungen reden.

Wollen wir wirklich unsere Sicherheit für ein paar Cent weniger im Monat an Stromkosten verkaufen? Man denke nur an Brunsbüttel, Krümmel, Krsko .....

Die Endlager

Und nicht zuletzt die alles entscheidende, immer noch völlig ungeklärte Frage: wohin mit dem Atommüll? Bis heute gibt es nirgendwo auf der Welt ein funktionierendes Endlager für hochradioaktiven Atommüll - ja nicht einmal auf der ganzen Welt gültige und verbindliche Sicherheitskriterien. Und selbst wenn Gorleben als (deutsches) Endlager zugelassen und ausgebaut würde, so würde es für die Mengen an Atommüll, die anfallen, wenn der oben beschriebene Ausbau tatsächlich stattfinden würde, bei weitem nicht ausreichen.

So lange es keine ausreichenden sicheren Endlagerkapazitäten für hochradioaktiven Müll auf der Welt gibt, darf kein neues Atomkraftwerk ans Netz gehen. Und die alten müssen so bald wie möglich abgeschaltet werden. So schlicht, so eindeutig.

Was bleibt?

An allererster Stelle gilt es, zunächst einmal hierzulande damit anzufangen, den Energieverbrauch drastisch zu senken: Glühbirnenverbote, die Forcierung einer Fahrzeugproduktion, die auf Energiesparen und den Einsatz alternativer Treibstoffe ausgerichtet ist, wäre da schon einmal ein Anfang. Als nächstes wäre dafür zu sorgen, dass international Bedingungen geschaffen werden, dass Haushaltsgeräte bzw. Unterhaltungselektronik nicht zwangsläufig mit Stand by laufen müssen usw. usw. usw.

Zusammen mit Konzepten für einen intelligenten Energiemix aus Wasserkraft, anderen erneuerbaren Energien und umweltschonender Kohle-Gas-Nutzung würde das in der Summe wesentlich mehr Effekt haben - auf die Preise, auf das Klima und auf die Sicherheit  - als der Ausbau der Atomkraft.

 

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Foto(Archiv): Zwischenlager Gorleben - Timo Vogt/randbild.de




2008-07-16 ; von angelika blank (autor),

atompolitik   klimaschutz   atomenergie  

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