Thema: tschernobyl

Ausstellung: Die Straße der Enthusiasten

Von Aufstieg und Fall der Stadt Pripjat handelt der dritte Teil des Projekts „Tschernobyl25 – Expeditionen“. „Die Straße der Enthusiasten“ zeigt sozialistischen Fortschrittsglauben und dessen Atomisierung.

Mit „Die Straße der Enthusiasten“, dem dritten und letzten Teil des Projekts „Tschernobyl25 – expeditionen“, präsentiert der Westwendische Kunstverein im Gartower Zehntspeicher eine Ausstellung des Morat-Instituts, Freiburg, in deren Mittelpunkt die Fortschrittsgläubigkeit der ehemaligen Sowjetunion steht.

Erst im Jahr 1970 wurde für die im Atomkraftwerk Tschernobyl Beschäftigten die Stadt Pripjat gebaut – eine hochmoderne, junge, sowjetische Modell-Stadt mit 48 000 Einwohnern, viereinhalb Kilometer vom AKW entfernt. Bereits im Mai 1986 mußten sämtliche Bewohner der Stadt evakuiert werden, weil der GAU in Tschernobyl sie verstrahlt hatte – die Geschichte der Stadt war bereits nach 16 Jahren beendet. 25 Jahre danach steht Pripjat weiterhin leer – eine monströse Installation.

Den Titel lieh sich die Wanderausstellung von einer wichtigen Verkehrsader am südlichen Stadtrand von Pripjat, der „Straße der Enthusiasten“. Die Stadtgründer zogen von der glorreichen Breschnew-ära, in der die UdSSR zur zweiten Weltmacht aufstieg, ganz selbstverständlich eine Traditionslinie. Die Begeisterung für die Atomkraft war die Fortsetzung des Enthusiasmus’ der ersten sowjetischen Industrialisierung, gespeist aus der fast religiösen Fortschrittsgläubigkeit, die die schon die ära des Stalinismus’ charakterisierte. Lenin 1920: „Kommunismus ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung.“

„Die Straße der Enthusiasten“ beschreibt in drei Themenblöcken die Geschichte vom Aufstieg und Fall der Stadt Pripjat.

1. Block: Zwei Fotografen erkunden auf ganz unterschiedliche Weise die menschenleere Stadt Pripjat und die verlassenen Dörfer der Zone. Der ältere (Robert Polidori) konstatiert Zerstörung und Verfall, streng, dokumentarisch. Für den Jüngeren (Andrij Krementschouk) ist Tschernobyl eine vollendete Tatsache, er schaut sich um und sucht die Begegnung mit Menschen. Zwischen den beiden Fotoserien erschließt sich eine dritte Sichtweise, ausgedrückt in Versen der ukrainischen Dichterin Lina Kostenko – zwei Quatrains (eine besondere, vierzeilige Gedichtform) aus ihrer Sammlung „Kurz wie die Diagnose“. Im Gegensatz zu den zugereisten Fotografen weiß sie genau, was sie in der Zone verloren hat.

2. Block: In träumerischen Plakaten vom schönen, neuen Atomzeitalter, dokumentarischem Filmmaterial aus den 70er und 80er Jahren oder Panorama-Fotos aus der Aufbauzeit dokumentiert sich die „herzzerreißend optimistische Ahnungslosigkeit“ der Erbauer dieser Modellstadt – die Stadt Pripjat vor dem Fall. Eine geradezu fromme Fortschrittsgläubigkeit – das Sowjetland der unbegrenzten Möglichkeiten.

Der 3. Block zeigt Stücke aus der international anerkannten Triennale für ökologische Plakate und Grafik in Charkiw (Ukraine). Oleg Veklenko, Professor für Grafikdesign an der Staatlichen Akademie für Design und Kunst Charkiw (Ukraine), wurde 1986 mehrere Monate nach Tschernobyl eingezogen und hat dort fotografiert und gezeichnet. Fünf Jahre später rief er die Internationale Triennale für ökologisches Plakat und Grafik „4ter Block“ ins Leben, eine künstlerisch wie gesellschaftlich bedeutende Initiative.

„Die Straße der Enthusiasten“ wird am 23. Juli um 18.00 Uhr im Zehntspeicher Quarnstedt (Gartow) eröffnet. Zur Eröffnung sprechen der Kurator der Ausstellung, Walter Mossmann aus Freiburg sowie Rebecca Harms, die maßgeblich an der Entwicklung des „Tschernobyl 25 – expeditionen“-Projektes beteiligt war.

Die Ausstellung endet am Sonnabend, dem 3. September. Auf der Finissage wird noch einmal der Film "Chernobyl 4ever" in Anwesenheit des belgischen Regisseurs Alain de Halleux gezeigt. Die öffnungszeiten: Freitag 16 bis 19 Uhr, Sonnabend und Sonntag 14 bis 18 Uhr.




2011-07-21 ; von ZERO (autor),

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