Zum dritten Mal trafen sich Landwirte und an Agrarpolitik Interessierte am Dienstag in Lüchow. Als Gastredner erläuterte Prof. Dr. Folkhart Isermeyer, Präsident des Thünen-Instituts für Forschung in der Landwirtschaft, vor rund 200 Interessierten, seine Kritik an der geplanten EU-Agrarreform.
Seit 1991 ist der Agrarökonom Prof. Dr. Isermeyer Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und seit 2003 Vorsitzender des Beirats. Erst kürzlich hatten er und seine Kollegen vom Thünen-Institut bei einer öffentlichen Anhörung des Agrar- und Ernährungsausschusses des Bundestages ihre Kritik an der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU ausführlich dargestellt. (siehe hier! )
Auch in Lüchow hatte Prof. Isermeyer den anwesenden Landwirten nicht nur Angenehmes mitzuteilen. "Mit dem bisherigen Gießkannenprinzip der europäischen Agrarförderung kann es nicht mehr weitergehen," so Isermeyer in seiner Rede. "Die bisherige Politik wird nur in geringem Maße zur Lösung der Probleme in der Landwirtschaft bzw. in den ländlichen Räumen beitragen können."
Die derzeit heiß diskutierte EU-Agrarreform setzt lt. Prof. Isermeyer nicht die richtigen Instrumente ein, um z.B. mehr Klimaschutz oder ökologisches Arbeiten in der Landwirtschaft zu erreichen. Vielmehr stelle sie den Versuch dar, das überholte Instrument der Direktzahlungen neu zu legitimieren.
An die Kernproblematiken der hohen Kosten für Umweltfolgen durch Landwirtschaft, oft nicht artgerechter Tierhaltung oder mangelnder Kommunikation mit der Gesellschaft gehe die Agrarreform nicht heran.
Die Kernpunkte der Agrarreform
Doch welches sind die Hauptinstrumente, mit denen die EU nach bisher bekannt gewordener Planung Landwirtschaft ökologischer und gerechter machen möchte?
Hier stichwortartig die bisherigen Bestandteile der Reform, die ab 2014 gelten soll:
- Landwirte sollen 3-Frucht-Folge auf mindestens 70 % der bewirtschafteten Flächen einhalten
- 7 % der Flächen sollen ökologisch bewirtschaftet werden
- Verbot des Grünlandumbruchs
- Deckelung der Flächenprämie auf 300 000 Euro (Lohnkosten können allerdings von der Bezugseinnahme abgezogen werden)
- Auch in der Diskussion: finanzielle Förderung nur für aktive Voll-Landwirte
Ob die bis Dienstag diskutierten Maßnahmen allerdings tatsächlich so umgesetzt werden - daran hegt Prof. Isermeyer deutliche Zweifel. Nach seiner Einschätzung werde die EU zunächst den Gesamt-Haushalt verabschieden, bevor sie Details für die Ausstattung des Agrarbereichs festlege. "Das kann durchaus bis Mitte 2013 dauern, bevor die Kommission daran geht, die Einzelheiten für die Gemeinsame Agrarpolitik zu benennen", befürchtet Isermeyer. Damit bliebe bis zum Beginn der neuen Förderperiode im Jahre 2014 nur noch extrem wenig Zeit, um eine ausgewogene und vernünftige Agrarpolitik zu entwickeln. "Insgesamt fehlt eine Strategie für die Agrarstruktur" so Isermeyer. "Ich fürchte, dass angesichts der unterschiedlichen Interessen der Mitgliedsländer und der enormen Zeitknappheit am Ende lediglich eine bürokratische Mogelpackung übrig bleibt."
Wie recht Isermeyer haben könnte, zeigt ein Blick in die Tagesberichterstattung: nicht nur die taz sieht in ihrer Dienstags-Ausgabe die Agrar-Öko-Wende in Gefahr. "Das Papier des Belgiers überlässt es den Mitgliedsstaaten, die Zahlungen an Großbetriebe zu begrenzen und den Bauern schärfere Umweltauflagen als gesetzlich vorgesehen zu machen. In Deutschland zum Beispiel bliebe dann wohl alles beim Alte," so die taz.
Und top agrar berichtet in ihrer Onlineausgabe am 19.11., dass Ratspräsident van Rompuy die Agrarzahlungen noch stärker kürzen will als bisher angenommen. EU-Agrarkommissar Dr. Dacian Cioloş äußerte sich lt. topagrar kritisch zu dem Vorschlag und gab sich über die Kürzungspläne „ernsthaft besorgt“. "Gerade jene Landwirte, die ohnehin die geringste Unterstützung erhielten, würden am schwersten getroffen, twitterte der Kommissar. Das Papier laufe den Anstrengungen, die GAP (Gemeinsame Agrarpolitik) fairer, grüner und effizienter zu machen, zuwider und werfe den Agrarhaushalt 30 Jahre zurück."
Werden die Ziele der Reform erreicht?
Was die Ausgestaltung von Forderungen wie "Greening" angehe, so sei die Kommission bisher recht "unscharf" geblieben, so Isermeyer. Zum Beispiel sei unklar, was unter Ökologisierung wirklich zu verstehen sei. "Außerdem bleibt es fraglich, welchen ökologischen Wert es haben soll, wenn kleine bis Kleinstflächen ökologisch bewirtschaftet werden. Wenn dies jedem einzelnen Landwirt überlassen bleibt, so dürften die Effekte wohl eher suboptimal bleiben."
Auch für den Klimaschutz sieht Isermeyer wenig Effektives in der Agrarreform. "Wollten wir die Landwirte ernsthaft in ein Klimaschutz-Regime einbinden, so müssten wir massiv an den Stickstoff-Ausstoß ran, Moorflächen müssten wieder vernässt, die Bioenergie-Förderung gestoppt werden und die Verbraucher müssten den Konsum von Käse, Milch und Rindfleisch reduzieren."
Zum Schutz der Artenvielfalt könnte das "Greening" allerdings beitragen, ist Isermeyer überzeugt, denn "die Landwirtschaft ist ein Hauptverursacher des Rückgangs der Arten".
Insgesamt plädieren Isermeyer und seine Kollegen vom Thünen-Institut dafür, langfristig auf "mit der Gießkanne" verteilte Direktzahlungen an Landwirte zu verzichten und dafür über die sogenannte 2. Säule zielgerichtete Förderprogramme zur Entwicklung/Förderung von bestimmten Themen, landwirtschaftlichen Betrieben aber auch von benachteiligten Regionen zur Verfügung zu stellen, um zukunftsorientierte Entwicklung zu befördern.
Foto / Angelika Blank / : Prof. Dr. Folkhart Isermeyer ging auf dem Bauerntag in Lüchow mit der geplanten EU-Agrarreform hart ins Gericht - allerdings nicht unbedingt zur Freude der anwesenden Landwirte.