Konsterniert verließ BI-Vorstandsmitglied Gerhard Harder am Wochenende vorzeitig die Fachtagung des Bundesumweltministeriums, auf der über Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle diskutiert wurde. An einer "völlig unverbindlichen" Debatte über Sicherheitskriterien will sich die BI nicht beteiligen, so die Reaktion der Bürgerinitiative auf den Verlauf der Tagung.
Die BI forderte, dass in einer Präambel die Voraussetzungen für ein Endlagersuchverfahren verankert werden: "Voraussetzung ist ein offenes, transparentes Suchverfahren. Das impliziert nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik einen Standortvergleich". Ohne eine solche Prämisse mache die Beteiligung am Diskurs aus Sicht der Bürgerinitiative keinen Sinn, doch genau mit diesem Ansinnen blitzten die Atomkraftgegner ab. Moniert wurde außerdem, dass das BMU erst zu Beginn der Tagung eine überarbeitete Fassung der Sicherheitskriterien vorlegte, die die Tagungsteilnehmer - da unvorbereitet - im Schnelldurchgang zur Kenntnis nehmen mussten.
Zum Hintergrund: Im Herbst letzten Jahres hatten über 400 Fachleute, Politiker, Verbandsvertreter über geologische, planerische, politische und ethische Aspekte der Atommüllendlagerung debattiert. In einem kleineren Kreis wurde die Debatte nun fortgesetzt. Auf rund 50 Teilnehmer wurde der Expertenkreis eingeschmolzen, doch aus dem Wendland reist eine starke Fraktion an, Vertreter der Deutschen Gesellschaft zu Bau und Betrieb von Endlagern (DBE), Kommunalpolitiker und Atomkraftgegner stellten ein Drittel der Diskutanten. "Bei jeder Formulierung wird von allen Seiten der Salzstock Gorleben als Endlagerstandort mit gedacht", kommentiert die Umweltinitiative.
Immer noch sieht der Entwurf für die Sicherheitskriterien einen Verzicht auf eine doppelte geologische Barriere mit der Einführung des "einschlusswirksamen Gebirgsbereichs" als einziger Barriere vor, die den Einschluss des hochradioaktiven Mülls über eine Million Jahre gewährleisten solle. "Dies ist angesichts der aktuellen Debatte um Laugenzuflüsse in der Asse II und Gorleben ein Vabanquespiel", kritisiert die BI. Es gäbe auch keinen nachvollziehbaren Plan, wie ein solches Lager gegen künftige menschliche Ein- und Zugriffe wirksam geschützt werden kann bzw. wie über diesen atemberaubenden Zeitraum kommunizierbar ist, dass radioaktiver Müll an jenem Ort versenkt wurde. In dem Entwurf wird ein Risiko von 10 (hoch) -3 (Austreten von Radionukliden aus dem Einschlusswirksamen Gebirgsbereich) für den Menschen akzeptiert.
Der Pressesprecher des Bundesumweltministeriums (BMU), Michael Schroeren, kann die Kritik der Bürgerinitiative nur teilweise nachvollziehen: "Die derzeitige Bundesregierung wird einem ergebnisoffenes Suchverfahren derzeit nicht zustimmen. Da kommen wir in dieser Legislaturperiode nicht mehr weiter. Deswegen versuchen wir zunächst, eine Einigung über die Sicherheitskriterien herzustellen." Für das BMU ist der jetzt vorgelegte Entwurf noch längst nicht verabschiedet. "Da wird es noch einige Änderungen geben", so Schroeren.
Doch genau das bezweifeln alle Endlagerkritischen Teilnehmer der Tagung. Nicht nur, dass auch sie die Ablehnung einer vergleichenden Standortsuche massiv kritisieren, auch der Verlauf des Verfahrens zur Festlegung von Sicherheitskriterien stösst auf Kritik. Angesichts des engen Zeitplans - eine Veröffentlichung der Sicherheitskriterien soll bereits für Mai geplant sein - scheint nach ihrer Ansicht ein verantwortungsvolles, sorgfältiges Entwickeln von effektiven Sicherheitskriterien kaum noch möglich. Und: "Die Akzeptanz von jedem 1000. Anwohner in einer Generation, der durch das Austreten von radioaktiven Stoffen geschädigt würde, ist für uns völlig indiskutabel", so Asta von Oppen, Mitglied der "Gartower Runde", einem Zusammenschluss von Endlager-kritischen Anwohnern rund um Gorleben. Ausserdem fordern die Endlager-kritischen TeilnehmerInnen in einer sogenannten "Protokollnotiz", dass Grundlage für die Anwendung der Sicherheitsanforderungen zwingend ein vorhergehendes qualifiziertes, vergleichendes und transparentes Auswahlverfahren sein muss. Neben BUND und Greenpeace unterzeichneten auch einige lokale Kommunalpolitiker von Linken und Grünen sowie andere Bürgergruppen die Stellnungnahme.
Bis auf die Bürgerinitiative Umweltschutz hat allerdings bis jetzt noch keine der Umweltgruppen ihren Auszug aus dem Verfahren angekündigt. "In diesem Verfahren soll Gorleben als Endlager-Standort festgezurrt werden", so BI-Sprecher Wolfgang Ehmke, "da können wir nicht mitmachen. Wir glauben nicht mehr daran, dass man durch die Teilnahme an diesem Prozess etwas bewirken kann."
Foto: Trash People des Künstlers HA Schult in Gedelitz/Timo Vogt
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