Nach beinahe 40 Jahren Auseinandersetzung um den Endlagerstandort Gorleben startete die BI am Samstag mit einer Tagung die "Fehleranalyse in Gorleben".
Während der Tagung ließen sich die TeilnehmerInnen von verschiedenen FachrefentInnen über die Geschichte des "Endlagerstandorts Gorleben" informieren. Die Podiumsdiskussion am Nachmittag sollte Aufklärung bringen, was von der Endlagerkommission zu erwarten ist und vor allem, wie es nach der Entscheidung der Kommission weitergeht.
Auf dem Podium saßen neben dem Niedersächsischen Umweltminister Stefan Wenzel drei weitere Mitglieder der Kommission: Hiltrud Lotze (SPD; stellvertretendes Mitglied der Kommission), Hubertus Zdebel (LINKE) und Eckhard Pols (CDU).
Drei Stunden lang versuchte BI-Vorsitzender Martin Donat, Genaueres darüber zu erfahren, ob eine und wenn ja, welche Tendenz in der Arbeit der Kommission zu erkennen ist. Immerhin will die Kommission Ende Februar einen Zwischenbericht veröffentlichen.
Doch insgesamt machte die Diskussion hauptsächlich eines deutlich: Viele wesentliche Fragen sind in der Kommission immer noch strittig. Ob es um die Art die Einlagerung geht (Tiefenlagerung, Rückholbarkeit, Lagerung in Bohrlöchern ...), ob es um die Art der Beteiligung geht oder so kleine, aber existenziell wichtige Punkte wie die Maximaltemperatur des eingelagerten Atommülls - von keinem der PodiumsteilnehmerInnen war zu hören, dass es auch nur zu einem dieser Punkte eine klare Einigung gibt.
Statt dessen schwankte die Diskussion zwischen Optimismus und tiefgreifender Skepsis. Umweltminister Stefan Wenzel ist immer noch optimistisch, dass die Kommissionsarbeit zu einem guten Ende kommt. "Für mich ist nur vorstellbar, dass man einen klaren Schnitt macht und Gorleben hinter sich lässt," so Wenzel. Sollte die Kommission zu einem anderen Beschluss kommen, dann wäre die Chance, einen gesellschaftlichen Großkonflikt zu befrieden, vertan.
Kommissionsmitglied Hubertus Zdebel (LINKE) erwartet von der Endlagerkommission nichts. Für ihn ist es immer noch ein Desaster, dass Gorleben im Suchprozess geblieben ist. Auf der Podiumsdiskussion erinnerte er mehrfach daran, dass die LINKE das Standortauswahlgesetz nicht nur wegen der einseitigen Besetzung der Kommission abgelehnt habe.
Hiltrud Lotze (SPD) zeigte sich überzeugt, dass "wir einen großen Fortschritt erreicht haben". Für sie kommt Gorleben aus mehreren Gründen nicht in Frage - unter anderem die nicht vorhandene geologische Eignung und massive Fehler im Beteiligungsverfahren. Womit sie ganz auf der Linie von Wenzel liegt. "Ich bin aber überzeugt, dass in der Kommission jetzt verabredet wurde, dass es transparente und umfangreiche Beteiligungsformate geben wird," so Lotze. "Das ist ein einmaliger Prozess, der gute Chancen hat, aber wir sind noch lange nicht am Ziel. Die entscheidenden Wochen liegen noch vor uns."
Auch Eckhard Pols (CDU) ist der Ansicht, dass die Kommission "sehr gut und strukturiert" arbeiten würde. "Die Teilnehmer haben den klaren Willen, zu einem Ergebnis zu kommen," so Pols - wenn auch die Vorstellungen über die Art dieses Ergebnisses im Saal durchaus konträr zu denen des CDU-Abgeordneten lagen.
Wohin mit dem Abfall aus 1800 Castorbehältern?
Die Frage der Zwischenlager ist zwar aktuell kein Thema der Kommission, aber für Umweltminister Wenzel ein drängendes Problem. "Die Frage der Zwischenlager wird demnächst eine eminente Bedeutung bekommen," so der Umweltminister. "Wenn im Jahre 2022 die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet sein werden fällt Atommüll an, der rund 1800 Castorbehälter füllen wird." Angesichts der Tatsache, dass die Genehmigung für die Zwischenlager im Jahre 2040 ausläuft, müsse man sich jetzt schon mit der Zwischenlagerung dieser Mengen beschäftigen - denn nicht nur Wenzel geht davon aus, dass bis dahin kein Endlager gefunden sein wird.
Anmerkung: nach letzten Einschätzungen - durchaus auch der Gesellschaft für Nuklearservice (GNS), die das Zwischenlager in Gorleben betreibt - dass in ein Endlager allerfrühestens in 50 Jahren eingelagert werden kann. So mancher Fachmann geht inzwischen sogar von 100 - 150 Jahren aus.
"Wir sind noch lange nicht am Ende"
Einig waren sich alle Podiumsteilnehmer, dass die Arbeit der Kommission jetzt in eine entscheidende Phase eintritt. Aber es gibt immer noch große Diskrepanzen. So sind weder "glasklare" Kriterien, wie sie nicht nur Hiltrud Lotze einfordert, noch eine Einigung über die Einlagerungsform sichtbar.
Einerseits beklagten die Podiumsteilnehmer mehrheitlich, dass für die Klärung der vielen, vielen diffizilen Fragen viel zu wenig Zeit bleibe. Andererseits wurde die Befürchtung geäußert, dass eine Verlängerung der Endlagerkommission nur dazu führen werde, dass das Generationen übergreifende Thema "Atommüll-Endlagerung" zum Wahlkampfthema im Vorlauf zur nächsten Bundestagswahl 2017 wird.
Auch die Tatsache, dass die Energieversorger zwar in der Kommission sitzen, auf einer anderen Ebene aber rund 40 Klagen eingereicht haben, stimmt viele skeptisch. Unter anderem halten die EVUS auch das Standortauswahlgesetz für verfassungswidrig. Das nährt nicht nur bei einigen Kommissionsmitgliedern Befürchtungen, dass letztendlich nicht die Endlagerkommission sondern die Finanzkommission über das weitere Vorgehen in Sachen Endlagerung entscheiden wird. Die meisten der Podiumsteilnehmer hegen außerdem massive Zweifel, dass die 38 Milliarden Rückstellungsmittel für den Rückbau der AKWs ausreichen werden.
Und nicht zuletzt fehlt nicht nur Umweltminister Stefan Wenzel eine umfassende wissenschaftliche Grundlagenforschung, die auch bisher nicht ausgewertete umfangreiche Daten aus der ehemaligen DDR berücksichtigt. Doch auch dies ist in der Kommission ein vehement umstrittenes Thema.
So war des Resümee der Veranstaltung die Feststellung, dass es noch unendlich viele offene Fragen gibt, zu denen es wenige Monate vor dem Ende der Kommissionsarbeit keine Antworten gibt.
Doch egal, was bei der Kommissionsarbeit herauskommt, die BI als Veranstalter der Tagung ist sich in einem Punkt sicher: "Ohne den jahrzehntelangen Widerstand und die Sachkompetenz auf unserer Seite wäre das Endlager in Gorleben längst in Betrieb gegangen. Wir lassen uns nicht entmutigen, wir schaffen das!" rief Wolfgang Ehmke den Podiumsteilnehmer am Ende eines langen Diskussionstages zu.
Foto / Angelika Blank: Auch während des Tages kamen die TeilnehmerInnen zu dem Schluss, dass es wenige Monate vor dem Ende der Endlagerkommission unendlich viele offene Fragen gibt, die bisher nicht beantwortet wurden.