Anlässlich der Preisverleihung „Bioenergiedorf 2010“ besuchte die neue Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen am Montag das Wendland. Angesichts dieses erfreulichen Ereignisses beschränkte sich die Ministerin in ihrer Grußrede darauf, ihre Position zur Nutzung von Bioenergie vorzustellen.
Acht Dörfer aus Lüchow-Dannenberg und dem Landkreis Lüneburg hatten sich an dem Wettbewerb zur von Findung von drei Modelldörfern in der „Bioenergie-Region Wendland-Elbetal“ beteiligt. Teilnehmen konnten Ortschaften aus den Samtgemeinden Elbtalaue, Gartow, Lüchow (Wendland), Dahlenburg, Ostheide und Scharnebeck sowie aus Amt Neuhaus und Stadt Bleckede.
Besonders überzeugt hatte die Jury das Konzept der Gemeinde Thomasburg, welche eine regionale Energiestrategie entwickeln möchte, die viele der im Gemeindebereich zur Verfügung stehenden Energieressourcen nutzen, aber auch die Energieeffizienz verbessern soll.
Bioenergiedorf Thomasburg
Das Dorf Thomasburg ist Teil der Samtgemeinde Ostheide im Landkreis Lüneburg und besteht aus zwei voneinander abgegrenzten Ortsteilen, dem Altdorf und der Siedlung. Das unter Ensembleschutz stehende Altdorf mit ca. 50 Haushalten und insgesamt 176 Einwohnern liegt östlich der Kreisstraße 14, direkt am Fluss Neetze. Zentrum des Ortes ist die Backsteinkirche mit dem alten Schulgebäude auf dem ehemaligen Burgberg, der von malerischen Bauernhöfen und der Wassermühle eingerahmt wird.
Das Motto des Thomasburger Wettbewerbsbeitrages ist „Selbst ein Weg von tausend Meilen beginnt mit einem Schritt."
Folgende Schritte sind in Thomasburg im einzelnen geplant:
- Abwärmenutzung der bestehenden Biogasanlage
- Erhalt und Wiederbelebung der Wassermühle
Mit der Förderung aus dem Wettbewerbsgewinn sollen u.a. folgende Maßnahmen sowie eine Machbarkeitsstudie „Abwärmenutzung Biogasanlage Thomasburg“ unterstützt werden:
- Bürgerinformation über Teilnahme am Wettbewerb
- Erweiterung und Aufbereitung vorhandener Informationen: Energieverbrauch und Energieerzeugung, Vorstellung auf „Dorf und Kulturtagen“
- Informationstafel Zufahrt Biogasanlage Thomasburg
- Infoveranstaltung Errichtung Photovoltaikanlagen
- Verhandlungen um den Erwerb der Wassermühle
Bioenergiedörfer Volkfien, Breese in der Marsch und Gümse
Aber auch die Bürger-Genossenschaft zur dezentralen Energieversorgung in Volkfien sowie das geplante Nahwärmenetz zwischen den Dörfern Breese in der Marsch und Gümse überzeugte die Jury.
Die Ortschaft Volkfien umfasst 22 Wohngebäude und hat derzeit 71 Einwohner. Hier soll Öffentlichkeitsarbeit umgesetzt werden, u.a. mit dem Bioenergiedorf-Verein, den Bewohnern, dem Gemeinderat, Anlagenbetreibern und dem FFW Volkfien.
An die Ortseigene Biogasanlage ist bereits ein Nahwärmenetz angeschlossen, das stolze 21 Gebäude umfasst. Kältespitzen werden durch privat vorhandene Holzheizungen abgedeckt.
Mittelfristig sind in Volkfien angedacht:
- Verwendung von Strom aus Biogasanlagen direkt im Dorf, Leerrohre wurden bei Montage für Wärmenetz verlegt
Mit den Fördergeldern sollen unterstützt werden:
- eine Kurzstudie PV-“Genossenschaft“ und Gas-BHKW sowie ein Car Pool,
- Infotafeln, Flyer, Handzettel, Veranstaltungen, Zeitungsartikel, Dorfführungen; der Aufbau der Internetseite www.volkfien.de
- Außerdem ist die Breitband-Internet-Versorgung für alle Bewohner und ein Internet-Info-Terminal geplant.
Breese in der Marsch plant einen großen Ausbau des Fernwärmenetzes, an welchem inzwischen bereits 35 Wohnungen, 1 Gaststätte, 1 Kindergarten und 1 Sportlerheim und in 2010 weitere 28 Wohnhäuser angeschlossen sind. Zur Abdeckung von Spitzenlasten sowie auch zur Notfallsicherung ist eine zweite Hackschnitzelheizung geplant. Der Gesamt-Anschlussgrad an Fernwärme soll über 60 % betragen. Zur weiterhin guten Einbindung der Einwohner und der breiten Öffentlichkeit sind folgende Maßnahmen geplant: einen Tag der offenen Tür, Führungen nach Bedarf, Vorträge auf Fachveranstaltungen. Mit der Förderung werden unter Anderem die Planungen für die Veranstaltungen unterstützt.
Jedem der drei Modelldörfer winkt nun eine Förderung von jeweils 6.000 Euro für weitere Planungsschritte und Öffentlichkeitsarbeit. Gleichzeitig können die Sieger-Gemeinden auf zusätzliche Unterstützung durch das Projektbüro der Bioenergieregion zurückgreifen – ganz abgesehen von der Präsentation als Modelldorf der Region.
Grotelüschen: Positionen zur Bioenergie
Ihren ersten Auftritt in der „Bioenergieregion“ nutzte die neue Landwirtschaftsministerin dazu, ihre Positionen zur Bioenergie vorzustellen. Doch zunächst gratulierte sie dem Wendland: „die „Bioenergie-Region Wendland-Elbtal“ hat nicht nur ein wichtiger Meilenstein sondern auch ein Höhepunkt in dieser konsequenten Entwicklung Ihrer Region erreicht," erklärte die Ministerin unter Beifall der Anwesenden.
"Neben den Netzwerkstrukturen, welche die Grundlage für eine solche Entwicklung bilden, sind vor allem die Menschen und Unternehmen, die Investitionsentscheidungen treffen und dann auch realisieren, entscheidend. Und an entscheidungsfreudigen Menschen mangelt es in dieser Region ganz offensichtlich nicht! „
Auch das Ziel der Landesregierung sei es, die regionale Wertschöpfung durch Bioenergie zu erhöhen und Arbeitsplätze zu schaffen, so die Ministerin weiter.
Und weiteres Lob gab es aus ministeriellem Munde: Bei den Scheitholz-Feuerungsanlagen liegt das Wendland mit einem Zuwachs von fast 3000 Anlagen seit 2002 - bezogen auf die Einwohnerzahl - auf einem Spitzenplatz im Land. In keiner Region Niedersachsens würden mehr Pelletöfen aufgestellt als hier im Wendland.
Und: Mit einem an die landwirtschaftlichen Strukturen angepassten Ausbau von Biogas gehört das Wendland zu den führenden Regionen Niedersachsens.
„Dass wir zum Schutz unseres Klimas, zur Gestaltung einer nachhaltigen Energieversorgung und zur Schonung endlicher Ressourcen handeln müssen ist für mich eine dringende Notwendigkeit. Wir haben keine Alternative! Wir müssen deshalb verstärkt Energie einsparen, die Energieeffizienz drastisch steigern und die erneuerbaren Energien weiterhin vorantreiben.
Energiemix aus Biomasse, Wind oder Sonne
Nach meiner Auffassung sind für eine umweltverträgliche, Ressourcen schonende und nachhaltige Energieversorgung alle Optionen offen zu halten. Künftig werden aber die erneuerbaren Energien aus Biomasse, Wind oder Sonne eine noch stärkere Bedeutung im Energiemix aufweisen müssen“, machte die Ministerin ihren Standpunkt in Sachen Bioenergie klar.
Doch angesichts der wachsenden Diskussion über die Nutzung der Ackerflächen für Energiepflanzen – hauptsächlich für die Nutzung in Biogasanlagen – kündigte die Ministerin „ein genaueres Hinschauen und eine differenziertere Überprüfung.“ an. Dennoch: „In Niedersachsen hat die Landwirtschaft bei der Bioenergie einen eindeutigen Schwerpunkt beim Biogas gesetzt und das ist gut. Denn Biogas ist den anderen Formen der Bioenergie aus landwirtschaftlicher Anbaubiomasse hinsichtlich der Flächeneffizienz weit überlegen.
Die hohe Wertschöpfung, die meist direkt bei der Landwirtschaft und im ländlichen Raum ankommt, spricht aus meiner Sicht ebenfalls klar für Biogas,“ so Astrid Grotelüschen.
Nach Erkenntnissen der Ministerin werden schon heute in Niedersachsen 5,5 Mio. t Gülle, 1 Mio. t Festmist sowie 1,2 Mio. t Bioabfälle und tierische Nebenprodukte in Biogasanlagen eingesetzt. Die damit verbundenen positiven Auswirkungen auf Klima- und Ressourcenschutz sind beachtlich.
„Biogas vermeidet derzeit durch die Bereitstellung erneuerbarer Energien und durch die Methanreduktion im Vergleich zur herkömmlichen Güllebewirtschaftung rd. 1,8 Mio. t CO2. Wir wollen dafür sorgen, dass sich der weitere Biogasausbau noch stärker auf die Nutzung landwirtschaftlicher Nebenprodukte wie Gülle, Futterreste oder Stroh stützt.
Verdoppelung der Biogaskapazität - doch weniger Flächen benötigt
Bis 2020 rechnen wir mit einer Verdoppelung der derzeitigen Biogaskapazität auf rund 800 MW installierter elektrischer Leistung.“
Entgegen der Befürchtungen mancher Landschaftsschützer, werden nach Ansicht von Grotelüschen urch die noch zu erwartende große Effizienzsteigerung bei der Biogaserzeugung die dafür erforderliche Acker- und Grünlandfläche deutlich geringer anwachsen.
Der Anteil der Biogasenergiepflanzen wird dann mit prognostizierten 240.000 ha einen Anteil von nur 9 % an der landwirtschaftlichen Fläche ausmachen. Doch nach Ansicht von Grotelüschen hat der im EEG 2009 erhöhte Bonus für den Einsatz von Energiepflanzen in Biogasanlagen falsche Anreize gesetzt. „Auch wenn der Güllebonus richtige Ziele verfolgt, ist seine Ausgestaltung mit der Kopplung an den NaWaRo-Bonus problematisch, weil er indirekt als NaWaRo-Bonus wirkt."
Absenkung der Einspeisevergütung für Biogas
Notwendig erscheint ihr daher eine Korrektur des EEG bei gleichzeitiger Absenkung der aktuellen Einspeisevergütungen für Biogas. So erhöhe sich der Druck, die großen Effizienzpotenziale der Biogastechnologie verstärkt zu realisieren.
Abschließend verwies die Ministerin noch einmal darauf, dass Dörfer und Bioenergie zusammen gehören, „denn hier wächst die Biomasse und hier kann sie mit geringen Transportaufwendungen an den Ort der energetischen Nutzung gebracht werden.“
Die anwesenden Landwirte nahmen den ersten Auftritt „ihrer“ Ministerin in der Region verhalten auf. „Na ja, da müssen wir mal abwarten, noch lässt sich nichts sagen“, waren einhellige Aussagen. Vor allem die Landwirte der „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ warten skeptisch ab, ob ihre Befürchtungen, dass die Inhaberin eines Großbetriebes für Putenmast, die Massentierhaltung in Niedersachsen fördern wird, sich bestätigen werden.
Doch da die Ministerin sich tunlichst jeglicher Stellungnahmen in Sachen Massentierhaltung enthielt und auch ansonsten recht sympathisch den Kontakt mit den Anwesenden aufnahm, verlief der erste Besuch der Ministerin Astrid Grotelüschen im Wendland harmonisch.
Foto: Angelika Blank / Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen (li.) gratuliert einem der Sieger des Wettbewerbs "Bioenergiedorf" - hier die Gemeinde Thomasburg
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