Thema: biogas

Gefrässige Helfer machen Essen zu Strom

Täglich fallen allein in Lüneburg tonnenweise Speisereste aus Ladengeschäften, Hotels und Restaurants an. Jahrzehntelang wurden sie zusammen mit anderem Hausmüll auf Deponien verbrannt – oder, falls noch vorhanden, an Schweine verfüttert. Doch bei der Bio En in Bardowick entsteht aus Salat, Kohl oder Bananen Strom – genug, um damit 4000 Vier-Personen-Haushalte zu versorgen.

Tonnenweise türmen sich in den Anlieferungshallen der Bio En in Bardowick die Speisereste – da liegen aufgeplatzte Eier neben vergammelten Kohlköpfen, aufgerissene Schokoladepackungen zwischen Fleischresten. Der mehrere Meter hohe Haufen dieses unappetitlichen Gemisches verströmt einen strengen Duft von Fäulnis. Doch nach ca. sechs Wochen, wenn die verschiedenen Stationen der Biogasanlage durchlaufen sind und die Bakterien ihren Dienst getan haben, liefert die gammelige Mischung jede Menge Strom.

Angeliefert werden die Essensreste von der Biologischen Abfallentsorgungs GmbH Bleckede (BAB). Sie holt die grünen Tonnen bei vielen Hotels und Restaurants in in Stadt und Landkreis Lüneburg ab und leert sie in der Halle der Bio En. Dort werden die verschmutzten Tonnen gereinigt und desinfiziert, bis sie auf der nächsten Runde wieder gegen volle ausgetauscht werden.

In der Biogasanlage treten die Speisereste jetzt ihr zweites Leben als Energielieferanten an. Noch liegen Gemüsereste zusammen mit abgelaufenen Lebensmitteln in ihren Verpackungen – ob Dose, Pappschachtel oder Cellophanhülle – einträchtig nebeneinander im großen Haufen. Vom stechenden Geruch in der Lagerhalle ist trotz weit geöffneter Tore aussen nichts merken. Eine mit Rindenmulchfilter ausgestattete Absauganlage sorgt dafür, dass der Geruch in der Halle bleibt.

Dann geht’s in die zweite Station: die Trennung der organischen Stoffe von ihrer Umhüllung. Auf einem Transportband wird das Rohmaterial in eine rund fünf Meter lange Röhre geschickt, in der eine riesige Metallspirale unerbittlich alles zerkleinert, was ihr zwischen die (Schneide)-Rotoren gerät. Von Wasser ausgespült, wird der bioorganische Brei in die weitere Verarbeitung gepumpt, während die Verpackungsschnippsel beim grünen Punkt landen.

Die Bakterien im Fermenter mögen keine „Mitesser“, deswegen wird der sämige Brei vor seine Vergärungsprozess „hygienisiert“, d. h. auf 70 Grad erwärmt und somit keimfrei gemacht. Dann geht’s ab in die gigantischen Fermenter mit jeweils 4,2 Mio. Liter Volumen, in denen das Substrat sechs Wochen vor sich hin gärt, bis der Umwandlungsprozess abgeschlossen ist. Bei 38 Grad geht es den gefräßigen Mikroorganismen dort so richtig gut und sie holen sich aus den Speiseresten, was sie zum Überleben brauchen.

Dabei entsteht Methangas, welches von zwei Blockheizkraftwerken in Strom umgewandelt wird. Die Anlage wird zwar vollautomatisch gesteuert, trotzdem bedarf es einer ausgeklügelten „Fütterung“ der fresslustigen Arbeiter, denn eine einseitige Diät, die z.B. nur aus Tomatenketchup besteht, dämpft ihre Motivation gewaltig – hier müssten Gemüse oder Kartoffel als Beilage serviert werden, damit sie weiterhin fleissig ihren Dienst tun.

Doch die Fachleute der Bio En wissen, was ihre Mikroben brauchen und schaffen es seit Mai 2007, dass die Anlage so viel Strom liefert wie 4000 Vier-Personen-Haushalte im Jahr verbrauchen. Das entspricht ungefähr der Größe Bardowicks.

Der besondere Clou in der Biogasanlage der Bio En ist dabei, dass kein Wasser zugekauft werden muss, was in anderen Anlagen die Ökobilanz oft deutlich Richtung Negativ verändert. In Bardowick wird das Wasser am Ende des Fermentierungsprozesses durch Umkehrosmose für den Prozess zurückgewonnen. So rein ist das Wasser, dass es sogar in die Ilmenau gepumpt werden dürfte, sollte denn jemals etwas übrig bleiben - doch das ist seit Bestehen der Anlage noch nicht vorgekommen, da das saubere Wasser auch zum Reinigen genutzt wird. Der stickstoffreiche Feststoff-Anteil geht als Dünger auf die Felder von Landwirten. So bleibt praktisch nichts ungenutzt.

Als niedersächsisches Modellprojekt wurde die hochmoderne Anlage 2007 gestartet. Inzwischen hat sie  über 60 000 Tonnen Speisereste verwertet und darf wohl als Erfolgsprojekt bezeichnet werden. Der Einzugsbereich der Anlieferer ist auf 200 – 250 km begrenzt, deshalb planen die Pioniere der Bio En, weitere Ableger im Süden der Republik zu eröffnen.

 

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Fotos: Angelika Blank

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2009-02-18 ; von Angelika Blank (autor),

biogas   erneuerbare energie   nachwachsende rohstoffe   umwelt  

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