Bürger wollen den Bahnhof Hitzacker
Die Bahn will das denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude in Hitzacker versteigern lassen. Flugs fanden sich nahezu 30 BürgerInnen zusammen, die innerhalb von drei Wochen knapp 30 000 Euro sammelten, um das Einstiegsgebot abgeben zu können. Sie wollen im Bahnhof einen offenen Kulturtreff installieren.
"Du bist KünstlerIn? HandwerkerIn? BahnhofsliebhaberIn? Suchst du eine sozial- und kulturverträgliche Geldanlage?" Auf einem Flyer, der zur Zeit im wendländischen Hitzacker verteilt wird, werben kulturinteressierte Bürger dafür, den historischen Bahnhof zu kaufen.
Hintergrund: Die Deutsche Bahn will sich von dem imposanten, aber arg renovierungsbedürftigen Rotklinkerbau trennen. Am 4. April wird das rund 1060 Quadratmeter große Empfangsgebäude des Bahnhofs Hitzacker in Berlin versteigert.
"Wann, wenn nicht jetzt?", dachte Performance-Künstlerin Ursula Pehlke, als sie erfuhr, dass der Bahnhof unter den Hammer kommt. Schon länger ist die Hitzackeranerin verliebt in das attraktive Gebäude. Der Kaufpreis aber, den die Bahn für das marode Objekt verlangte, war damals gewaltig. Inzwischen liegt das Mindestgebot bei der Auktion am 4. April bei "nur" noch
32.000 Euro. "26.190 Euro davon haben wir schon zusammen bekommen," berichtet Pehlke stolz. "Da haben wir in kurzer Zeit eine Menge erreicht." In kurzer Zeit - das heißt genau gesagt in drei Wochen, denn erst Ende Februar fanden sich rund 30 Interessierte zusammen, nachdem bekannt geworden war, dass die Bahn den Komplex in die Versteigerung gibt. Unter ihnen Künstler, Kunsthandwerker, Musiker ebenso wie Handwerker und Bildungsfachleute oder Engagierte im Sozialbereich.
Inzwischen konnte am Donnerstag bei einem Lüchower Notar sogar die Eintragung als gemeinnütziger Verein beantragt werden.
"KUBA" als kollektiven Kulturfreiraum einrichten
"Im Bahnhof soll ein kollektiver Kulturfreiraum entstehen, ein offener Treffpunkt für alle Interessierten," so Pehlke. Eine solche Begegnungsstätte für Kunst und Kultur habe das Elbestädtchen dringend nötig, sind sich die Vereinsmitglieder bei dem wöchentlichen Treffen einig. "Wir haben ja nicht mal mehr ein Kino", moniert Heidi Greese. Dabei bräuchte gerade Hitzacker ein Zentrum, das die Menschen zusammenführt, meint ihr Ehemann Tilmann Greese. "Und was wäre da besser geeignet als ein Bahnhof, Sinnbild für Begegnung und Bewegung?"
Noch dazu wäre der Bahnhof ein Raum, der auch künftig öffentlich bleiben sollte, wenn es nach den Vereinsmitgliedern geht. "Natürlich haben wir ein Konzept entwickelt, was in dem neuen 'Kulturbahnhof' alles geschehen kann und soll," so Hauke Stichling-Pehlke, Ehemann von Ursula Pehlke und seit der Gründungsversammlung des Vereins "KuBa - Kulturbahnhof Hitzacker e.V." Vorstandsmitglied. "Wir wollen vor allem die Kreativschaffenden in der Region ansprechen, die Räume zu nutzen," so Stichling-Pehlke. Ob nun Designer, Journalisten, Kunsthandwerker, Künstler oder Handwerker - angesprochen sind viele Berufsgruppen. Ähnlich dem "Freiraum" in Lüneburg soll den "Kulturbahnhof" eine Mischung aus kreativem Schaffen, Begegnungsmöglichkeit sowie Kultur- und Bildungsangeboten werden. "Da ist alles möglich - von der Fahrradwerkstatt bis hin zu Büros für Freischaffende," so Stichling-Pehlke. Wichtig ist den Initiatoren auch, dass weiterhin Räume zur kostenlosen Nutzung angeboten werden können, das notwendige Geld für die Unterhaltung des Gebäudes sollen Mieteinnahmen für einen Teil der Räume einbringen.
Die Stadt Hitzacker unterstützt die Initiative, kann das Gebäude allerdings selbst nicht kaufen, wie Bürgermeister Holger Mertins (FDP) btont. "Der Bahnhof ist ein wichtiges Eingangstor für Hitzacker", meint Mertins. Aber das zeige sich derzeit nicht von seiner besten Seite. Die Bahn habe das Gebäude verfallen lassen, kritisieren Anwohner. Die Bahnstrecke ist zwar noch im Betrieb, doch abgesehen von den Castor-Transporten, die künftig auch wegfallen, fährt die Wendlandbahn nur alle paar Stunden zwischen Lüneburg und Dannenberg - für die Deutsche Bahn ist der Bahnhof mittlerweile Ballast.
Hoffnung auf den Zuschlag
Die Investitionslasten schrecken die Aktiven aus dem KUBA-Verein nicht. "Wir haben viele verschiedene Kompetenzen im Verein," ist Hauke Stichling-Pehlke überzeugt. Neben Heizungsbauern sind auch verschiedene andere Handwerker im Verein aktiv. Deswegen hoffen sie, vieles der Sanierungsarbeiten durch Eigenleistungen erledigen zu können.
Durch das KUBA-Projekt könnte Leben in den denkmalgeschützten Rotklinkerbau zurückkehren. "Doch bei der Versteigerung entscheidet nicht das Konzept, sondern nur das Gebot", seufzt Ursula Pehlke. Die Elbestädterin hofft, dass der desolate Zustand des Gebäudes mögliche Interessenten abschrecken wird. Das Dach sei völlig undicht und noch dazu asbestbelastet, eine intakte Heizung gebe es auch nicht. "Dementsprechend bin ich zuversichtlich", sagt Pehlke. Zur Auktion nach Berlin aber will sie lieber nicht fahren: "Ich könnte es nicht ertragen, wenn es nichts wird."
Übrigens: Eine Wohnnutzung des Bahnhofsgebäudes ist nach Aussage der zuständigen Bauverwaltung nur mit erhöhten Schallschutzauflagen möglich. Auch dies könnte eventuelle andere Kaufinteressenten abschrecken.
Foto / Angelika Blank: Darauf erst einmal ein Eis! Nach nur drei Wochen konnten die frisch gewählten Vorstandsmitglieder die Eintragung ihres gemeinnützigen Vereins "KUBA Kulturbahnhof Hitzacker e.V." beantragen. von links: Hauke Stichling-Pehlke, Claudia Brämer, Birgitt Harms, Andres Tempelmann.
Fotos
2014-03-21 ;
von
Björn Vogt (autor),
Angelika Blank (autor),
in Am Bahnhof, 29456 Hitzacker (Elbe), Deutschland
kultur
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