Thema: corona

Bundestag hat dem "Notbremsen"-Gesetz zugestimmt

Es ist beschlossen: die Bundesländer haben bei der Festlegung verschärfter Anti-Corona-Maßnahmen nur noch wenig zu melden. Wenn der Bundesrat morgen auch zustimmt, kann das umstrittene Gesetz schon am Wochenende in Kraft treten.

Eigentlich bringt das sogenannte "Notbremsen"-Gesetz nicht viel Neues. Trotzdem hat es vor allem wegen der darin fixierten "Ausgangssperre" viel Wirbel gegeben. Dabei sind die im jetzt eingefügten § 28b des Infektionsschutzgesetzes formulierten Corona-Schutzmaßnahmen schon in mehreren früheren Bundesbeschlüssen vereinbart worden. Jedoch gab es immer diverse "Kann"-Bestimmungen, mit denen den Bundesländern die Entscheidungsfreiheit gelassen wurde, sich an den Bundesbeschluss zu halten oder eigene - womöglich weitaus lockerere - Regelungen zu beschließen.

Damit ist jetzt Schluss - vorausgesetzt der Bundesrat stimmt am Donnerstag dem Gesetz zu. Darin wird klar geregelt, was zu passieren hat, wenn die 7-Tage-Inzidenz in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt den Wert 100 überschreitet. Ein Bundesland kann dann allenfalls die Regeln weiter verschärfen, aber nicht lockern.

Die Maßnahmen, die bei einer 7-Tage-Inzidenz von über 100 gelten, sind eigentlich seit Monaten bekannt:

  • Private Treffen sind nur noch mit dem eigenen Haushalt und einer weiteren Person (Kids bis zum vollendeten 14. Lebensjahr zählen nicht mit) erlaubt
  • Schließung von Ladengeschäften, außer denen des täglichen Bedarfs
  • Schließung von Freizeiteinrichtungen, Fitnessstudios, Schwimmbäder u.ä.
  • Untersagung von körpernahen Dienstleistungen (außer bei medizinischen oder therapeutischen Notwendigkeiten); Friseurbetriebe dürfen geöffnet bleiben, allerdings müssen die KundInnen einen max. 24 Stunden alten negativen Test vorlegen
  • lediglich kontaktloser Sport ist erlaubt - allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Hausstands; Profisport darf nur unter bestimmten Auflagen stattfinden (z.B. ohne Zuschauer)
  • Touristische Übernachtungen sind nicht erlaubt 
  • SchülerInnen müssen sich zwei Mal pro Woche testen; ab einer 7-Tage-Inzidenz von 165 findet kein Präsenzunterricht mehr statt.

Auch die heftig diskutierte Ausgangsbeschränkung war sowohl in Bundes- als auch in verschiedenen Landesverordnungen bereits als Möglichkeit der Kontaktbeschränkung enthalten. Sie wurde allerdings kaum noch verhängt, da sie mehrfach von Gerichten einkassiert worden war.

Im neu beschlossenen Paragrafen 28b des Infektionsschutzgesetzes wird nun geregelt, dass bei einer 7-Tages-Inzidenz von über 100 eine Ausgangsbeschränkung von 22 Uhr bis 5 Uhr gilt. Zum (zum Beispiel) Joggen, Spazierengehen, Hund ausführen darf Mensch sich alleine noch bis 24 Uhr außerhalb des eigenen Grundstücks aufhalten.

Des Weiteren schreibt das Gesetz vor, dass die Bundesregierung weitere verschärfende Maßnahmen nur mit Zustimmung des Bundestags verhängen darf. Und überhaupt gilt das Ganze nur, solange der Bundestag eine pandemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat. 

Die Bundesregierung kann durch Gesetz oder per Rechtsverordnung mildere Regelungen wie Ausnahmen oder Erleichterungen erlassen - dies gilt auch für die Rechte von bereits vollständig Geimpften oder Menschen mit negativem (anerkannten) Test. Solchen Rechtsverordnungen müssen Bundestag und Bundesrat zustimmen.

Weil: "Notbremse" für Niedersachsen unnötig, aber unschädlich

In seiner Regierungserklärung stellte sich Ministerpräsident Stefan Weil am Mittwoch hinter das Bundesgesetz, stellte aber fest, dass dieses "für Niedersachsen unnötig, aber auch unschädlich" sei.  

Man habe sich in Niedersachsen von Anfang an konsequent an den gemeinsamen Beschluss gehalten, in anderen Ländern sei man offenbar nicht so konsequent gewesen. "In Niedersachsen bedarf es keiner Bundesregelung zur Umsetzung der Notbremse, in anderen Länder offenbar schon," so Weil. "Das ist nicht wirklich ein Kompliment für die Zuverlässigkeit bei der Umsetzung gemeinsamer Beschlüsse." 

Andererseits hält Weil die Wirksamkeit der neuen Regelungen für nicht besonders hoch: "Dass mit diesem Vorschlag der Infektionsschutz nunmehr massiv vorangetrieben wird, lässt sich nun wirklich nicht behaupten. Würden wir in Niedersachsen alle Spielräume nutzen, die mit den Änderungen zu erwarten sind, stände unser Land vor vielen Lockerungen."

In Niedersachsen würden nur einzelne Spielräume genutzt, so Weil. So wird die Altersgrenze bei den Kontaktbeschränkungen auf 14 Jahre erhöht. Und bis zu einem Inzidenzwert von 150 soll laut Weil „click and meet“ im Einzelhandel zugelassen bleiben.

Die beschlossenen Ausgangsbeschränkungen bei hohen Infektionszahlen hält Weil für richtig - wenn es keine milderen Möglichkeiten gibt, die Situation zu verbessern, denn die Infektionslage sei derzeit in Deutschland wesentlich gefährlicher als vor einem Jahr und zugleich seien viele Maßnahmen, die damals ergriffen worden sind, inzwischen schon seit etlichen Monaten in Kraft.

Weil geht davon aus, dass das Gesetz zwar vom Bundesrat genehmigt wird - aber voraussichtlich durch eine Klage beim Bundesverfassungsgericht überprüft werden wird. Weil wird keine Klage einreichen - aber sowohl SPD-Abgeordnete als auch FDP-Chef Lindner haben bereits mit einer Verfassungsklage gedroht.

Foto | 12222786 auf Pixabay     




2021-04-21 ; von Angelika Blank (autor),
in Berlin, Deutschland

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