Die Widerstandsgruppen im Wendland hatten schon vergangene Woche berichtet, dass sie dieses Jahr wesentlich mehr Demonstranten erwarten als beim letzten Castortransport im Jahre 2006. Die Polizei scheint ähnlicher Ansicht zu sein. Wenn auch Castor-Einsatzleiter Friedrich Niehörster in der Landespressekonferenz am Donnerstag sagte, dass "man sich im Bereich der Einsatzstärke von 2006 bewege", so wollen einige Medien wissen, dass dieses Jahr rund 17 000 BeamtInnen von Polizei und Bundespolizei im Einsatz sind. Beim Castoreinsatz 2006 waren es 7100 Beamte der Bundespolizei und 9372 PolizistInnen aus dem Land Niedersachsen, die die Bahnstrecke und den Strassentransport in Lüchow-Dannenberg gesichert haben. Allein aus Brandenburg reisen ca. 300 Polizisten an, was dazu führte, dass mindestens das dortige Spitzenspiel zwischen dem Traditionsklub SV Babelsberg 03 und dem Halleschen FC ausfallen muss.
Die meisten der eingesetzten Polizisten werden zwar auf das Bundesgebiet verteilt zur Sicherung der Schienenstrecke eingesetzt, aber aus vergangenen Jahren gibt es Erfahrungswerte, dass rund 9000 Beamte allein in der Region zwischen Dannenberg und Lüchow eingesetzt waren. Auch dieses Jahr deutet wieder alles auf eine starke Polizeipräsenz hin: viele Waldeinfahrten sind mit Polizeifahrzeugen besetzt, Reiterstaffeln durchforsten die Wälder rings um Gorleben schon seit über einer Woche und sowohl die Einfahrten zum Zwischen- und Erkundungsbergwerk in Gorleben als auch des Gelände des Verladekrans in Dannenberg sind mit Nato-Stacheldraht und Hamburger Gittern gegen Eindringlinge gesichert. Ausserdem vergeht keine Autofahrt durch den Landkreis Lüchow-Dannenberg, ohne dass man nicht mindestens einer Kolonne von Polizeifahrzeugen begegnet.
"Wir lassen uns nicht einschüchtern"
Die Atomkraftgegner lassen sich von dem deutlich sichtbaren Polizeiaufgebot nicht einschüchtern. Die Widerstands-Aktionen gegen den Castortransport nehmen von Tag zu Tag an Schärfe zu. War es am Mittwoch noch eine einstündige PKW-Besetzung zweier zentraler Kreisverkehre im Landkreis, so seilten sich am Donnerstag neun Robin Wood-AktivistInnen von drei Eisenbahnbrücken zwischen Lüneburg und Dannenberg ab und blockierten so die Bahnstrecke für mehrere Stunden. Im Zusammenhang mit dieser Aktion kam es bereits zu einer Verhaftung. Eine Robin Wood-Aktivistin aus Lüneburg wurde in Gewahrsam genommen und am Donnerstag Nachmittag vom Haftrichter nach dem Gefahrenabwehr-Gesetz bis zum Ende des Castortransports in die Haftanstalt Braunschweig verbannt.
Mit der Besetzung eines Förderturms im Endlager Asse II macht Greenpeace seit Mittwoch auf die Unzulänglichkeiten der Endlagerung von atomaren Abfall aufmerksam. Vor allem die desaströsen Zustände in der Asse scheinen dem Widerstand im Wendland neuen Auftrieb zu verleihen. Dazu kommt eine ungeklärte Endlagerfrage, für die die derzeitige Bundesregierung nach jüngsten Äußerungen aus dem Bundeskanzleramt in dieser Legislaturperiode wohl auch keinen Lösungsvorschlag mehr anbieten wird. Und auch die letzten Sonntag zu Ende gegangene internationale Endlagerkonferenz, zu der Umweltminister Gabriel eingeladen hatte, hat offensichtlich keine bahnbrechenden Vereinbarungen über Sicherheitskriterien und das weitere Vorgehen gebracht. Im Gegenteil: nach der Konferenz wurden Mitglieder des ehemaligen "Arbeitskreises Endlager" damit zitiert, dass sie enttäuscht waren über die lückenhaften Sicherheitskriterien für die Endlagerung hochradioaktiven Atommülls. "Da waren wir doch schon mal sehr viel weiter", hiess es aus diesen Kreisen. Es gibt also weltweit auf unabsehbare Zeit immer noch kein funktionierendes Endlager für hochradioaktiven Müll.
Dies alles zusammen genommen und die Tatsache, dass der Erkundungsstopp für Gorleben nur noch eineinhalb Jahre läuft und bereits rund 1,5 Mrd. Euro in die Erkundung Gorlebens geflossen sind, lassen den Widerstand dieses Jahr wieder neu entflammen. Nicht nur die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg befürchtet, dass mit jedem Castortransport in die "Kartoffelscheune namens Zwischenlager Gorleben" die Endlagerung im Salzstock Gorleben manifestiert wird.
Foto: Roswitha Ziegler/Castor-Volkskunst in Lüchow-Dannenberg - Großpuppen finden sich dieser Tage überall am Strassenrand.