Die Staatsanwaltschaft Lüneburg hat ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen den französischen Beamten eingeleitet, der beim Castortransport im vergangenen November seinen deutschen Kollegen aktiv im Einsatz geholfen hatte, obwohl er nach offiziellen Aussagen nur als Beobachter mitgefahren war. Nun wird gegen ihn wegen Amtsanmaßung ermittelt.
Wie wnet bereits während des Castortransports berichtete, waren mehrere ausländische Polizisten immer wieder mitten im Einsatzgeschehen gesichtet worden. Ein französischer Beamter fiel besonders auf, als er bei einer Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und Bundespolizei bei Leitstade mit Schlagstock und Schusswaffe am Gürtel einen Demonstranten von der Schiene zerrte. Über ein Dutzend Fotos tauchten nach dem Castortransport auf, die das Geschehen eindeutig belegten.
Zur Begründung hatte die Bundespolizei damals mitgeteilt, der Mann sei lediglich Beobachter gewesen und habe seinen Kollegen in einer Notsituation zur Seite gestanden. Doch bereits der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele hatte schon damals große Zweifel an dieser Version. Denn die Fotos belegen, dass Bundespolizisten im Hintergrund tatenlos dem Geschehen zuschauten, während der CRS-Beamte den Demonstranten traktierte.
Nach Informationen des Hamburger Abendblatts soll aus Polizeikreisen zudem durchgesickert sein, dass der französische Beamte, den deutschen Kollegen einmal zeigen wollte, wie derartige Situationen in Frankreich bewältigt werden.
wnet liegt zudem ein interner Vermerk der Bundespolizei vor, aus dem hervorgeht, dass neben den französischen Beamten im "Rahmen des sog. Stabilitätspaktes Südosteuropa" eine Delegation der kroatischen Bereitschaftspolizei von der Zentralen Polizeidirektion (ZPD) begleitet wurde. Des weiteren begleitete demnach der Sozialwissenschaftliche Dienst der ZPD im Rahmen des EU-Projektes GODIAC (Good practice for dialogue and communication as strategic principles for policing political manifestations in Europe) mehrere europäische Polizeibeamte in Zivil im Einsatzraum.
Für Hans-Christian Ströbele sind diese polizeilichen Kooperationen, die weitestgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit durchgeführt werden, Grund für weitere Nachfragen. "In der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit hat sich eine Grauzone entwickelt, die niemand richtig wahrnimmt." Die diversen Kooperationen bedürften einer völlig neuen gesetzlichen Grundlage und parlamentarischer Kontrolle, so der grüne Bundestagsabgeordnete.
Auch DIE LINKE im Landtag Hannover hat die Aufnahme von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Lüneburg begrüßt. "Jetzt ist es an der Zeit, dass der Einsatz ausländischer Polizeikräfte grundsätzlich hinterfragt wird", sagte die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Pia Zimmermann. Sie kündigte an, dieses Thema auf die Tagesordnung der kommenden Landtagssitzung zu setzen.
DIE LINKE will außerdem von der Landesregierung wissen, ob ausländische Polizisten verdeckt gegen linke Protestgruppen in Niedersachsen ermittelt haben. Vor kurzem wurde bekannt, dass dies ein britischer Polizeibeamter mit dem Tarnnamen Mark Kennedy jahrelang in Deutschland und Europa getan haben soll. Auch die LINKE sieht beim Einsatz ausländischer Polizisten in Deutschland inzwischen eine Grauzone, die nicht mehr kontrollbar ist.
Foto: Markus Golletz / Kroatische Polizisten beim "Schienenspaziergang" am Sonntag, dem 7.11.2010 bei Leitstade.