Aufgrund der Irritationen um die Bewertung der Strahlung rings um das Zwischenlager Gorleben hatte der Lüchow-Dannenberger Kreistag kürzlich beschlossen, eigene Messungen durchzuführen. Doch das Niedersächsische Umweltministerium kann dieses Vorhaben "nicht befürworten".
In einem Schreiben vom 18.11.2011 teilte das Umweltministerium dem Landkreis mit, dass es das Anliegen des Landkreises, Messungen von unabhängigen Stellen durchführen zu lassen auf der Umladestation als erfüllt ansieht. "Weitere Messprogramme führen zu einer Erhähung der Kollektivdosis, so dass wir diese nicht befürworten", heißt es in dem Schreiben weiter.
Für eine Zustimmung zu eigenen Messungen auf der Umladestation Dannenberg (ULS) sei das Ministerium nicht zuständig. "Die ULS ist Betriebsgelände der GNS, so dass diese dort das Hausrecht ausübt," so die lapidare Antwort auf die Bitte des Landkreises, eigene Messungen zuzulassen.
UMWELTMINISTERIUM: Messungen sind ausreichend
Das Ministerium hält es für ausreichend, dass während der Umladung entsprechend des "genehmigten Masterablaufplans (MAP)" ein vorgegebenes Messprogramm je Behälter durch die GNS als Auftragnehmerin durchführt. Beaufsichtigt würden diese Messungen zum einen durch das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg sowie den TÜV Nord EnSys als zugegezogenen Sachverständigen. Zum anderen werde der TÜV Nord EnSys als betreiberunabhängige Organisation eigene Messungen im Auftrag des Ministeriums durchführen. (siehe dazu auch die Pressemitteilung des Umweltministeriums vom 23.11.2011 - click!)
Aber das Umweltministerium möchte auch die Polizeibeamten schützen. Denn bei allen Messungen nahe der Transportstrecke würde "in jedem Fall aus einsatztaktischen polizeilichen Gründen eine Begleitung der agierenden Personen durch Polizeikräfte notwendig". Da die für diese Begleitung eingesetzten BeamtInnen "zu einem vermeidbaren Aufenthalt im Nahbereich veranlasst und dabei unnötig einer Strahlenbelastung ausgesetzt" würden, lehnt das Ministerium zusätzliche Messungen ab.
Landrat Jürgen Schulz ärgert sich über die Reaktion des Ministeriums und fragt sich, ob das Hausrecht der GNS auch gilt, wenn dort ein Verbrechen geschieht. Doch er wundert sich auch nicht sonderlich, denn immer wieder musste er erleben, dass er als Landrat über wichtige Ereignisse wie z.B. die Überschreitung der Grenzwerte weder von den Betreibern noch vom Ministerium informiert wurde. Im Gegenteil: als er es kürzlich wagte, direkt bei der GNS um Informationen zu bitten, wurde er vom Ministerium scharf gerügt. "Der Landkreis hat in Sachen Atom und Gorleben keinerlei Zuständigkeit, deswegen hält man es auch nicht für notwendig, mich zu informieren", ärgert sich Schulz.
KEIN AUSKUNFTSRECHT FÜR DEN LANDKREIS
Mit der Ablehnung des Ministeriums ist der Beschluss des Kreistages, eigene Messungen durchzuführen, hinfällig geworden. "Wir können jetzt nur noch darauf vertrauen, dass Greenpeace umfangreiche und zuverlässige Messungen durchführt," so Schulz resigniert.
Ein Auskunftsrecht für den Landkreis könnte nur der Gesetzgeber, also das Niedersächsische Parlament beschließen. In einem Fachgespräch bei Minister Sander regte der Landrat deshalb vergangene Woche an, dass ein solches Auskunftsrecht eingeführt wird.
Des weiteren hat er in dem gleichen Gespräch das Ministerium dazu aufgefordert, die Betriebsgenehmigung bzw. das Genehmigungsverfahren für die atomaren Anlagen in Gorleben dergestalt zu ändern, dass alle, auch kleine Baumaßnahmen in Zukunft beantragt und abgestimmt werden müssen.
WIE KOMMT RADIOAKTIV KONTAMINIERTES MATERIAL ANS ZWISCHENLAGER?
Wie sich im Verlauf der Untersuchungen zu den erhöhten Strahlungswerten in Gorleben herausstellte, sind der das Zwischenlager umlaufende Schotterweg sowie die Verwallung mit radioaktiv kontaminiertem Material gebaut worden. "Wie kann an einer derartig sensiblen Anlage kontaminiertes Material verbaut werden?", fragt sich nicht nur Landrat Schulz seitdem.
Und Mathias Edler, Atomexperte von Greenpeace, wundert sich, dass die von der PTB angenommene Hintergrundstrahlung "exakt" den Wert habe, den der Schotterweg abgibt. "Nach Auskunft der PTB haben sie in der Umgebung nach dem schlechtesten Strahlungswert gesucht und diesen im Schotterweg gefunden", so die Erklärung von Jürgen Schulz, die er beim Informationsgespräch mit dem Ministerium im Kreishaus vor einigen Wochen erfuhr. "Dieser Wert wurde dann als 'natürliche' Hintergrundstrahlung angenommen. Das ist das Hauptproblem: das hier Grenzwerte ohne Vorgaben und Kriterien festgelegt werden."
Noch läuft eine Anfrage des Landkreises, warum und wann das kontaminierte Material am Zwischenlager verbaut worden ist - doch nach den bisherigen Erfahrungen erwartet Jürgen Schulz nicht wirklich, dass ihm seine drängenden Fragen beantwortet werden.
Foto: Wärmebild des Zwischenlagers von Greenpeace nach Bekanntwerden der erhöhten Strahlung