Wenn auch Hamburgs ehemaliger Regierender Bürgermeister Ole von Beust diesmal nicht beim Christopher Street Day in Hamburg war, sondern sich auf Sylt erholte - es fehlte am Samstag nicht an Prominenz beim CSD: Ein König war zugegen und die Verwandte eines Revolutionärs.
Bei der Majestät handelt es sich um Steve I., den schwulen Heidekönig, bei der Nichte um Mariela Castro, Tochter des kubanischen Staatschefs Raúl Castro und Nichte des ehemaligen Präsidenten Fidel Castro.
Rund 80 000 Menschen, so schätzt die Polizei, machten mit bei der Parade durch die Hamburger Innenstadt. Bei strahlendem Sonnenschein, in bester Laune und vielfach buntem Outfit demonstrierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gegen die Diskriminierung von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen und forderten die rechtliche Gleichstellung homosexueller und heterosexueller Paare.
"Gleiche Rechte statt Blumen" lautete das Motto des nunmehr 30. CSD in der Hansestadt. Seinen Namen hat dieser - vielerorts auf der Welt gefeierte - Tag nach einem Geschehen vom 28. Juni 1969 in der Christopher Street in New York. Dort hatten es Homosexuelle nicht länger hingenommen, dass sie in ihren Treffpunkten immer wieder das Ziel teils brutaler Razzien der Polizei waren. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen mit den Ordnungshütern.
Homosexuelle Szene in Nordost-Niedersachsen wächst
Die hiesige Region war auf dem CSD in Hamburg durch Seine Majestät Steve I. vertreten. Der 21-Jährige aus Neu Wulmstorf, er zählt auch Lüchow-Dannenberg zu seinem Regentschaftsbezirk, war im Juni in Lüneburg auf den Thron gewählt worden. "Der Schwule Heidekönig soll auf unkonventionelle, freche Art und Weise der Öffentlichkeit ein Zeichen geben, dass die (eher ländliche) Community, also die homosexuelle Szene, in Nord-Ostniedersachsen existiert und weiter wächst": So umreißt der schwule Online-Dienst "hin und wech" den Sinn der "königlichen" Präsenz.
Im offenen Cabrio ließen sich Steve I. und sein Adjutant Pierre am Samstag inmitten der CSD-Parade durch Hamburg chauffieren. An diesem Tag war es derart warm in der Stadt, dass Steve auf seinen roten Königsmantel verzichtete und nur mit Krone, weißer Seidenschärpe und goldig glänzendem Höschen am "Volk" vorüberrollte.
Steve I.: Aidsprävention ein wichtiges Thema
Unlängst hatten Steve und Pierre schon in Braunschweig und Oldenburg bei den dortigen CSDs dem Publikum zugewunken. Die Teilnahme an der großen Parade in Hamburg, zu der auch viele Interessierte von außerhalb anreisten, sei für ihn ein ganz besonders schönes Erlebnis, bekräftigte der Heidekönig im Gespräch mit wnet: "Ich hab mich schon seit Wochen auf den CSD in Hamburg gefreut. Ich bin Hamburger - und es ist einfach gigantisch, was hier zum Christopher Street Day alles veranstaltet wird - Party und Spaß gibts, aber auch das wichtige Thema Aidsprävention zählt dazu".
Zu den Aufgaben des schwulen Heidekönigs, so Steve I., gehöre es, sich auch in dieser ernsten Sache zu engagieren: "Ich möchte in diesem Jahr in niedersächsische Schulen gehen und Schüler und Schülerinnen von der 7. bis 10. Klasse informieren, was HIV und Aids bedeuten und dass es dies nicht nur in unserer Szene gibt, sondern dass es auch Heterosexuelle treffen kann".
Bald auch schwule Schützenkönige?
Nun gibt es ja in Steves ziemlich großem Regentschaftsbezirk eine stattliche Zahl an Schützenkönigen, aber nur einen einzigen schwulen Heidekönig. Ob es auch mal irgendwann schwule Schützenkönige geben wird? "Das kann ich mir gut vorstellen", antwortet Steve I. auf diese Frage. Aber zuvor müssten wohl die Schützengemeinschaften in dieser Sache ein wenig offener und lockerer werden. Und mit wem tanzt der schwule Schützenkönig dann beim Eröffnen des Königsballs? "Na, mit seinem Partner!", sagt Steve I.
Undenkbar? Wohl kaum, wenn man bedenkt, was noch vor 30 Jahren "undenkbar" schien: Damals hätte wohl kaum jemand vorhersagen mögen, dass - wie 2009 geschehen - eine Abordnung des Verbandes lesbischer und schwuler Polizeibediensteter (VelsPol) in Hamburg beim CSD mitgeht.
Denn "damals" noch saßen Polizisten in mehreren öffentlichen Klos hinter Einwegspiegeln, um Erkenntnisse über Schwule zu gewinnen. Im Sommer 1980 zertrümmerte der Theatermacher Corny Littmann im Beisein von Journalisten auf einer Bedürfnisanstalt mit einem Hammer einen solchen Spiegel - und allen Anwesenden offenbarte sich dahinter tatsächlich ein Beobachtungsraum.
Mariela Castro: Sexuelle Orientierung ist ein Menschenrecht"
Heutzutage flattert am Hamburger Rathaus ganz offiziell zum CSD die Regenbogenfahne, und Corny Littmann, bis vor kurzem noch Präsident des FC St. Pauli, braucht keine Toiletten-Aktionen mehr zu starten, sondern sitzt - so geschah es am Samstag - als Schirmherr des CSD an dessen Spitze im offenen amerikanischen Straßenkreuzer neben Mariela Castro. Die Nichte des einstigen Präsidenten Fidel ist in ihrer Heimat Direktorin des Nationalen Zentrums für sexuelle Aufklärung.
Sie engagiert sich in puncto Aids-Prävention und kämpft für die Akzeptanz von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen. Nach Hamburg gekommen war die Kubanerin auf Einladung von Corny Littmann. In ihrem ersten Interview anlässlich des Besuchs in der Hansestadt betonte Mariela Castro: “Sexuelle Identität und Orientierung ist für mich ein Menschenrecht”.
Foto: Steve I. (links) und seine Adjutant Pierre
{{tpl:inlineLB2 |ID=346SZ9GP14}}