"Das beste Essen machen" - und solidarisch teilen

Profis bauen Nahrungsmittel an - und eine Gruppe Kunden beteiligt sich mit festen Beiträgen an den Produktionskosten. Die Vorstellung des Konzepts der "solidarischen Landwirtschaft" zog am Dienstag Abend rund 130 Menschen ins Lüchower Gildehaus.

Der Atem der 80er Jahre zog am Dienstag Abend durch das Foyer des Gildehauses in Lüchow. Etwas schicker die Wollpullover, gepflegter Bärte und Haare und die Anliegen moderater und weniger radikal formuliert als vor über 30 Jahren.

Und doch ging es um das gleiche Thema, welches schon damals ökologisch bewusste Menschen umtrieb: wie können wir uns gesunde Lebensmittel organisieren und gleichzeitig etwas für eine ökologische Landwirtschaft tun? Damals hieß die Zauberformel "Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft". Heute nennen sich die Produktionskooperativen "Solidarische Landwirtschaft" (SoLawi).

Im Gegensatz zu den 80ern waren es am Dienstag nicht die Verbraucher, die vehemente Forderungen nach gesunden, regional produzierten Lebensmitteln erhoben. Statt stellten sich hochmotivierte junge Gärtner und Landwirte vor, die nicht nur "bestes Essen" produzieren wollen sondern dabei auch eine Umgestaltung der Agrarwirtschaft im Sinne haben.

Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft <> Solidarische Landwirtschaft

Das Grundkonzept aller "SoLawis", die sich am Dienstag vorstellten: eine Gruppe von Fachleuten - Gärtner, Obstbauer, Viehhalter, Landwirte - bewirtschaftet einen Hof, stellt Lebensmittel her und "teilt" sie dann mit den Mitgliedern der Gemeinschaft.

Die Verbraucher zahlen verbindlich eine bestimmte Summe pro Monat und können sich dafür regelmäßig Nahrungsmittel aus dem Sortiment holen. Manche Solawis sind in der Lage, das ganze Jahr über eine breite Produktpalette anbieten zu können - bei anderen heißt es bis zum Frühjahr "Kohl, Steckrübe, Rote Bete". Neben der Geldeinlage können die Mitglieder sich auch an der Produktion beteiligen. Saat- und Ernteeinsätze, Unkrautjäten etc. sind in den meisten SoLawis kein Muss für die Mitglieder - manchmal aber notwendig, um die knapp bezahlte Arbeit überhaupt schaffen zu können.

Fällt das Produktionsjahr gut aus, können sich alle Mitglieder mehr Lebensmittel nehmen als grundsätzlich vereinbart. Fällt das Erntejahr schlecht aus oder reduzieren Krankheiten die Nutztiere, so wird auch das Risiko von den Mitgliedern mitgetragen - solidarische Landwirtschaft eben.

Über die konkreten Regelungen bei schlechten Erntejahren oder Problemen war am Dienstag nichts zu hören - dafür viele begeisterte Bekundungen von Mitgliedern verschiedener SoLawis. Alle eint der dringende Wunsch, wertvolle Lebensmittel zu erhalten, deren Herstellung man hautnah miterleben kann.

Die politische Idee: Ernährungssouveränität wieder herstellen und Konzerne ausblenden

Die Konzernstrukturen der Agrarindustrie zu unterwandern, ist für viele SoLawi-Kommunarden ein weiterer Grund, diese Wirtschaftsform zu wählen. Sie sehen das Gemeinschaftskonzept als Modell für eine neue, solidarisch organisierte Landwirtschaft.

Für Jörg Knaack, Initiator der Landwende e.V., ist die SoLawi-Bewegung DAS Mittel, die Ernährungssouveränität in der Bevölkerung wieder herzustellen. Was heißt das? "Wir wollen wieder selber entscheiden, wie unsere Lebensmittel angebaut werden," so Knaack. Die Recherche nach freiem Saatgut sowie dessen Erhaltung ist dabei ein nicht unwesentlicher Punkt.

Knaack wusste am Dienstag zu berichten, dass zum Beispiel der Saatgutkonzern Monsanto die Rechte am Saatgut fast aller Spargelsorten Deutschlands aufgekauft hat. Es braucht sich also niemand zu wundern, wenn der Spargelgeschmack der Kindheit schon lange nicht mehr auffindbar ist - Monsanto bringt nur die Sorten auf den Markt, die ihm gewinnträchtig erscheinen.

Knaacks Traum ist es, dass es im Landkreis so viele SoLawis gibt, dass die Versorgungskreise sich überschneiden. Derzeit versorgen die elf existierenden SoLawis zwischen 500 bis 800 Menschen. "Im Grunde könnte jedes Dorf einen Gärtner haben, der - von den Anderen finanziert - für die Nahrungsmittelversorgung in der Gemeinde sorgt."

Dieser Traum liegt noch in weiter Ferne. Bei der Vorstellung der SoLawis herrschte aber soviel Interesse, dass so manche Gärtner-Kommune in Produktionsbedrängnis kommen könnte.

Eine Liste mit Kontaktdaten der verschiedenen SoLawi-Betriebe gibt es hier! .

Foto | Angelika Blank: Großes Gedränge herrschte am Dienstag Abend an den Probierständen der verschiedenen Gärtnerei-Kollektive




2018-02-07 ; von Angelika Blank (text),
in Tannenbergstraße 1, 29439 Lüchow, Deutschland

landwirtschaft   startup   solawi  

Kommentare

    Sie müssen registriert und angemeldet sein um einen Kommentar schreiben zu können