Das Geburtstagskind Biosphäre feiert 10-jähriges

Zehn Jahre ist es her, dass nach langen Auseinandersetzungen über die Einrichtung eines Nationalparks das UNESCO-Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue ausgerufen wurde. Am Freitag feierten rund 250 Vertreter von Behörden und Institutionen den „Abschluss der Grundschulzeit“, wie es Umweltminister Stefan Birkner ausdrückte.

Eigentlich hätte es ja ein Nationalpark werden sollen, das einzigartige Naturgebiet längs der Elbe von Schnackenburg bis Boizenburg. Doch der im Frühjahr 1998 per Verordnung eingerichtete Nationalpark wurde nach wilden Auseinandersetzungen und einem Klageverfahren im Sommer 1999 vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg für nicht erklärt.

Dann dauerte es nochmals drei Jahre, bis am 23. November 2002 das „Gesetz über das Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue“ in Kraft treten konnte. Viel Wasser ist seitdem die Elbe hinuntergeflossen und noch mehr Arbeit und Geld in Erhalt und Ausbau der Naturschutzflächen, in die Lösung von Konflikten zwischen Landwirtschaft und Naturschutz oder in den Aufbau von touristischen Angeboten, die Naturschutz und regionales Wirtschaften in Einklang bringen.

Am Freitag bestätigten sich die Festredner gegenseitig, dass es ein erfolgreiches Projekt ist, an dem seit 10 Jahren intensiv gearbeitet wird – wenn auch diverse Konfliktthemen die alltägliche Arbeit oft genug zur Herausforderung werden lassen.

In der Podiumsdiskussion – von Angelika Hoffmann (NDR) kritisch moderiert – berichtete zum Beispiel Wolf Winkelmann, als Vertreter des Landvolks seit der Gründung Mitglied im Beirat des Biosphärenreservats, wie schwierig es oft genug ist, all die verschiedenen Interessen von Landwirtschaft, Wirtschaft, Bevölkerung, Naturschützern etc. … unter einen Hut zu bekommen.

Umweltminister Stefan Birkner, der zur Geburtsfeier gerne angereist war, wie er verkündete, weiß um die Herausforderungen eines großen Schutzgebietes und lobte gerade deswegen die erfolgreiche Arbeit der Arbeitsteams in und um die Biosphärenreservatsverwaltung. „Hier ist die Entwicklung des Biosphärenreservats auf einem sehr guten Weg und zwar in der ganzen Bandbreite von Naturschutz-, Tourismus-, Umweltbildungs- und Nachhaltigkeitsthemen – das ist ein Grund zur Freude," so Birkner.

Millionenschwere Unterstützung für den Naturschutz

Wie der Minister berichtete, sind allein in den vergangenen fünf Jahren mehr als 18 Millionen Eur an Landes- und EU-Mitteln in das Biosphärenreservat geflossen, wobei der Löwenanteil davon über das „Kooperationsprogramm Naturschutz“ an die landwirtschaftlichen Betriebe für freiwilligen Vertragsnaturschutz ging. Insbesondere wurde das Geld für die Bereitstellung beruhigter Ackerflächen für nordische Gastvögel und für die naturschutzgerechte Bewirtschaftung von artenreichem Auengrünland verwandt.

Diese Förderung soll auch in der nächsten Förderperiode fortgesetzt werden, so birkner, wenn auch zunächst einmal weniger Mittel aus dem Konvergenzprogramm ELER zur Verfügung stehen werden. „Aber die Landesregierung wird sich dafür einsetzen, dass nach Möglichkeit die EU-Fördermittel ab 2014 gerade hier im bisherigen Konvergenzgebiet in ausreichender Höhe zur Verfügung gestellt werden, damit die erfolgreiche Arbeit kontinuierlich fortgesetzt werden kann.

Nicht nur mit dem Verweis auf die Elbtalaue als eines der bedeutendsten Brut- und Gastvogelgebiete, in dem Biber, Fischotter, Kranich und Seeadler eine beständige Heimat gefunden haben, betonte Birkner nochmals, dass er sich dafür einsetzen wird, dass der Elbe-Seitenkanal weiter ertüchtigt wird und dass an der Elbe keine Ausbaumaßnahmen stattfinden -“es sei denn, sie wären geeignet, neben der Befahrbarkeit zugleich die Strukturvielfalt und Naturnähe der Elbe zu verbessern.“

Worte, die die CDU-Landtagsabgeordnete Karin Bertholdes-Sandrock, die den Minister auch in Bleckede begleitete, nun schon öfters mit Unwillen vernehmen musste. Gemeinsam mit CDU-Kollegen aus dem Bundestag setzt sie sich vehement für den Ausbau der Elbe ein.

Andererseits betonte Birkner allerdings auch, dass der Hochwasserschutz immer Priorität haben muss.

Zwischen Maisanbau, Aufstallpflicht und sanftem Tourismus

In der nachfolgenden Podiumsdiskussion, an der unter anderem die beiden Landräte Manfred Nahrstedt (Lüneburg) und Jürgen Schulz (Lüchow-Dannenberg) teilnahmen, wurde unter der Moderation von Angelika Hoffmann auch durchaus kritische Themen angesprochen, wie z.b. der von vielen Bewohnern als immer störender empfundene intensive Maisanbau in der Region. Lüneburgs Landrat Manfred Nahrstedt machte deutlich, dass er den Bau von Biogasanlagen für wichtig für die Produktion regionaler erneuerbarer Energien hält, aber: „es ist jetzt auch genug“, so Nahrstedt. Noch mehr Flächen dürften für den Maisanbau nicht genutzt werden.

Außerdem sollten vor allem die regionalen Landwirte Nutznießer der neuen Einkommensmöglichkeiten sein und keine Konzerne von außerhalb. Ähnlich sah es Jürgen Schulz, der das Problem der „Vermaisung“ zumindest für Lüchow-Dannenberg noch als „entspannt“ ansah. Faktisch seien lediglich 16 % der Agrarflächen in der Region mit Mais belegt, so Schulz und viel mehr käme nicht hinzu. Viele Landwirte würden inzwischen auch mit Alternativpflanzen experimentieren.

Viele Spannungsbögen bilden ein Netz

Auch am Reizthema „Aufstallpflicht“ zeigte sich, wie eng landwirtschaftliche Regelungen und Gesetze auch die Arbeit der Biosphärenreservatsverwaltung beeinträchtigen: die in Niedersachsen noch geltende grundsätzliche Aufstallpflicht für Geflügel (insbesondere in einem Umkreis von 3 km längs der Elbe) wird für die gerade mit viel Geld und Förderung eingerichteten Archebetriebe im Amt Neuhaus zum Existenzproblem. Besonders Manfred Nahrstedt machte seinem Ärger über die nach seiner Ansicht völlig überholte Regelung Luft. Er hat sich inzwischen an die Niedersächsische Landesregierung gewandt, die nach seiner Ansicht jetzt gefragt ist, bei dieser Problematik für Abhilfe zu sorgen.

"Manchmal komme ich mir vor wie unter einem Netz aus Spannungen," so Biosphärenreservatsleiter Prof. Dr. Johannes Prüter. Doch er lässt sich von all den alltäglichen Konflikten zwischen Landwirtschaft, Bevölkerung, Naturschützern und Wirtschaftsvertretern nicht verdrießen. Immerhin waren sich alle offiziellen Vertreter einig, dass das Biosphärenreservat in vielen Bereichen positive Impulse auch für die wirtschaftliche Entwicklung bringt. Viele Arbeitsplätze seien in den vergangenen zehn Jahren entstanden, Gästeführer an mehreren hundert Termin im Jahr unterwegs und neue Betriebe durch das Biosphärenreservat entstanden wie z.B. die Arche-Betriebe.

Warum allerdings zum 10-jährigen Bestehen kein großes Fest mit und für die Bevölkerung gefeiert wird, sondern eine mehr oder weniger geschlossene Veranstaltung mit Behörden-, Verbands- und InstitutionsvertreterInnen durchgeführt wird, kann nicht nur dem Wetter geschuldet sein.

Wie sagte Umweltminister Stefan Birkner in seiner Rede? „An der Bewahrung und Entwicklung des Biosphärenreservats hat die ländliche Bevölkerung einen zentralen Anteil“. Ohne ihr Wohlwollen und Engagement wird die „herrliche Kulturlandschaft mit ihrer Naturausstattung, ihren Dörfern und beschaulichen Städten und ihren kulturellen Besonderheiten“ (Zitat Birkner) für die nachfolgenden Generationen selbst durch die beste Verwaltung nicht zu erhalten sein.

Foto:

 

 

 

 

 

 




2012-11-03 ; von Angelika Blank (autor),

biosphärenreservat   naturschutz   umwelt  

Kommentare

    Sie müssen registriert und angemeldet sein um einen Kommentar schreiben zu können