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Das schreckliche Mädchen

Wer, wie ich, Deutschland als Heimatland hat, kommt an Vergangenheitsbewältigung nur schwer vorbei. Ein Stück dazu liefert Michael Verhoeven mit „Das schreckliche Mädchen“.

Sonja Rosenberger (Lena Stolze) lebt im bayerischen Pfilzing und besucht dort das Klostergymnasium. Ihre Eltern – ein Lehrerehepaar – haben sich in katholischer Bürgerlichkeit als anerkannte Gemeindeglieder eingerichtet – so auch die Tochter, die sich indes eher die unkonventionelle Großmutter zum Vorbild nimmt.

Die Musterschülerin nimmt an einem internationalen Aufsatzwettbewerb zum Thema „Die Freiheit in Europa“ teil. Sie gewinnt und wird von den stolzen Pfilzingern gefeiert und mit dem Stadtorden dekoriert. Bald wird ein weiterer Aufsatzwettbewerb ausgeschrieben. Sonja wählt diesmal das Thema „Meine Heimatstadt im Dritten Reich“. Entschlossen, dem lokalen Widerstand gegen die Nazis ein Denkmal zu setzen, macht sich Sonja an die Arbeit. Doch bald stößt sie bei ihren Recherchen gegen eine Wand aus Unverständnis und Ablehnung. Niemanden scheint das Thema zu interessieren, und auch die offiziellen Stellen der Stadt bleiben unkooperativ. Mehr noch: ihr wird dringend abgeraten, die Spurensuche fortzusetzen. Da Sonja hartnäckig bleibt, wandelt sich die Ablehnung nun in mehr oder weniger offenen Widerstand. Mehr Verständnis und Hilfe erhofft sie sich vom Geschichtsprofessor Juckenack (Hans-Reinhard Müller), der auch Herausgeber des „Pfilzinger Morgen“ ist...

Verhoeven hat hier weder herkömmliches Erzählkino noch eine Dokumentation abgeliefert. Statt dessen bediente er sich unterschiedlicher Stilmittel, wie man sie eher vom Theater kennt. Das erscheint hier und da ungewohnt trocken, verhindert aber das Abgleiten in bloße Satire und erhält trotzdem die Spannung. Die geschilderten Ereignisse wirken durch die kammerspielartige Inszenierung gleichermaßen vorstellbar wie eben deshalb bedrückend. Übrigens gibt es eine reale Vorlage des Films: die Erlebnisse der Anna Rosmus in Passau.

Obwohl sich beide deutsche Staaten 1990 in Wiedervereinigungsbesoffenheit und weit weg von selbstkritischen geschichtlichen Tönen in den Armen lagen, gewann der Film auf der Berlinale den Silbernen Bären. Keine leichte Kost, doch die Verknüpfung von seriöser Auseinandersetzung mit deutscher Vergangenheit und guter Unterhaltung ist gelungen.

Im Clubkino am Mittwoch, dem 18. November, um 20 Uhr im Clenzer „Culturladen“.




2009-11-13 ; von René Schüttler (autor),

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