Eisig begann das Jahr und frostig geht es zu Ende. Fast fünf Monate hielt die Kälte den Landkreis im Jahre 2010 im eisigen Griff. Dafür wurden die Debatten in einem heißen Sommer immer aufgeregter. Für die einen waren Gorleben und Atompolitik Thema Nummer 1, anderen macht die Zukunft des Landkreises große Sorgen ... ein Jahresrückblick.
Was schnelle Internetverbindungen angeht, so blieb Lüchow-Dannenberg auch 2010 weitestgehend im "Tal der Ahnungslosen". Doch im Frühsommer änderte sich die Situation: Im Mai wurde endlich das Ergebnis eines zweijährigen Ausschreibungsverfahrens bekannt: demnach soll Vodafone mit Landes- und EUsubventionen bis Ende 2012 den Landkreis flächendeckend mit schnellen Breitbandverbindungen versorgen. Doch bis heute ist nicht bekannt, welche Bereiche konkret mit einer Verbesserung ihrer Internetsituation rechnen können.
Politisch beherrschte die Atompolitik 2010 die Diskussionen in Lüchow-Dannenberg. Zum Herbstbeginn hagelte es eine Reihe von Entscheidungen der Bundesregierung, die für die Region herbe Auswirkungen haben können, sollten sie denn so umgesetzt werden wie geplant.
So wurden die Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke beschlossen, das Moratorium für die weitere Erkundung des Salzstockes Gorleben aufgehoben und eine Reform des Atomgesetzes verabschiedet, die u.a. vorsieht, dass Grundstückseigentümer von Flächen über dem Salzstock im Bedarfsfall enteignet werden können. Trotz Mehrheit der nicht CDU-geführten Länder im Bundesrat gelang es nicht, dieses Gesetz zu Fall zu bringen. Bundespräsident Wulff unterzeichnete das Gesetz Anfang Dezember.
Demnächst werden Gerichte entscheiden müssen, ob das Atomgesetz so wie beschlossen umgesetzt werden kann. Durch eine Normenkontrollklage will z.B. das Land Nordrhein-Westfalen feststellen lassen, ob es rechtmässig war, die Laufzeitverlängerungen ohne die Zustimmung des Bundesrates durchzusetzen. Und die Grundstückseigner rund um das Erkundungsbergwerk in Gorleben, vor allem die Familie Graf Bernstorff sowie die evangelische Kirche klagen die im neuen Gesetz vorgesehene geplante Enteignung.
Nach all diesen für "Gorleben" negativen Entscheidungen war der Protest gegen den elften Castortransport im November so groß und vielfältig wie kaum jemals zuvor. Nahezu fünf Tage brauchte der Zug mit elf Castorbehältern aus La Hague/Frankreich bis er sein Ziel, das Zwischenlager Gorleben, erreichte.
Vor allem Landwirte machten der Polizei zu schaffen: mit Traktoren hatten sie unzählige Verbindungsstraßen und Kreuzungen blockiert, so dass die Polizei größte Mühe hatte, ihre Einheiten an die Einsatzorte zu bringen. Folge war ein teilweise riesengroßes Chaos, was dazu führte, dass Polizisten vielerorts fast 50 Stunden im Einsatz bleiben mussten. Weder Nachschub noch Schichtwechsel waren möglich. Tausende mussten bei eisigen Temperaturen bis zwei Tagen in der Sitzblockade ausharren.
Bei Leitstade kam es am Sonntag Morgen zu unschönen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten, die sich zum "Schottern" aufgemacht hatten ("Schottern" hat übrigens seit dem Castortransport gute Chancen, zum Wort des Jahres gewählt zu werden). Selbst ausländische Polizisten wurden dabei fotografiert, wie sie "aktiv" mit Pfefferspray und Prügelattacken den "Schotterern" zu Leibe rückten. Die Vorfälle in Leitstade beschäftigen bis heute den Bundestag.
Nach dem "anstrengendsten Castortransport aller Zeiten" waren die Medien sich nahezu einig: es ist kaum verantwortbar, noch einmal einen Castortransport nach Gorleben zu bringen. Doch Innenminister Schünemann machte auf der Abschlusskonferenz unmißverständlich klar, dass der "nächste Transport im nächsten Jahr wieder nach Gorleben gehen wird". Sein Ministerpräsident (inzwischen David McAllister) ruderte allerdings kurz darauf zurück und verkündete, dass es womöglich doch in naher Zukunft keinen Castortransport nach Gorleben mehr geben würde.
Waren es die massiven Proteste, politisches Kalkül oder echte Einsicht? Im November begann es auch in der Kreis-CDU zu raunen, dass es vielleicht doch richtig sei, neben Gorleben noch einen anderen Standort zu erkunden, allerdings nur "für den Fall, dass sich Gorleben nicht als geeignet erweisen sollte". Selbst der bisher immer wieder als Gorleben-Antreiber aufgefallen niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) schlug plötzlich neue Töne an und konnte sich plötzlich auch etwas anderes als den Salzstock Gorleben als atomares Endlager vorstellen.
Doch trotzdem: die CDU/FDP-Regierung stellte im Jahre 2010 so viele Weichen in Richtung Gorleben, dass ein Endlager für hochradioaktiven Abfall im Salzstock Gorleben nur noch vermeidbar scheint, wenn es einen schnellen Regierungswechsel gibt ... und die dann regierenden Parteien auch zu ihren Ankündigungen stehen werden.
Bundesumweltminister Norbert Röttgen sah sich bei seinem äußerst ungeschickt eingefädelten Besuch in Gorleben denn mit einer breiten Ablehnung durch den regionalen Widerstand konfrontiert. Die Mitglieder der Gartower Runde kündigten kurz vor dem Besuch ihre Mitarbeit im "Forum Endlager Dialog" auf, da sie keine Möglichkeit für eine ernst zu nehmende Beteiligung der Bevölkerung im anstehenden Dialogverfahren sehen. "Der Minister kommt zu spät", hieß es immer wieder und "Gorleben ist verbrannt". Da Röttgen jedoch auch während seines Besuches keinerlei Anzeichen erkennen ließ, dass eventuell doch noch ein vergleichendes Auswahlverfahren an anderen Standorten eingeleitet wird, blieb es bei der Gesprächsverweigerung der Gorlebengegner.
Lediglich Graf von Bernstorff und Kirchenvertreter waren bereit, sich mit dem Minister zu treffen. So musste Röttgen auf die Bilder des "ersten Ministers, der ehrlich, offen und transparent" in den Dialog mit der Bevölkerung eintritt" (Zitat Röttgen), verzichten.
Dauerbrennerthema auch in 2010: die STRUKTURREFORM. Nach jahrelangen Sparanstrengungen (u.a. schrumpften die Mitarbeiter bei der Kreisverwaltung um fast die Hälfte) ist für Innenminister Uwe Schünemann der "Konsolidierungsprozess in Lüchow-Dannenberg" abgeschlossen. Trotzdem flossen von den ursprünglich versprochenen 36 Mio. Sonderhilfen vom Land bisher knapp 25 Mio. Euro angekommen. Nun ist der Sparprozess abgeschlossen und der Innenminister verkündete Mitte November, dass "über die Verwendung der Restmittel" noch nicht entschieden sei - dass sie aber an den Landkreis bald ausgezahlt werden könnten, glaubt inzwischen niemand mehr.
Statt dessen wächst der Druck des Landes, sich mit anderen Landkreisen zusammen zu schließen. Selbst für die CDU-Fraktion im Kreistag ist "das Ende der Fahnenstange" inzwischen angekommen, die Sparmöglichkeiten ausgeschöpft. Statt dessen beklagte ausgerechnet die CDU auf dem letzten Kreistag, dass die Kontakte zum Land "so schlecht genutzt" würden - ungeachtet der Tatsache, dass bereits seit Jahren eine CDU-Kreistagsabgeordnete die Lüchow-Dannenberger Interessen im Landtag vertritt. Und trotzdem: "Wir müssen feststellen, dass die Lobbyarbeit im Landtag permanent zu Gunsten von Städten und Großkreisen ausgeht", so CDU-Fraktionsvorsitzender Klaus Wohler im letzten Kreistag.
So geht Lüchow-Dannenberg wieder einmal mit 9 Mio. strukturellem Defizit in das Jahr 2011.
Was sonst noch geschah:
April: Die Dömitzer Brücke wurde für 305 000 Euro an einen Investor versteigert, der die Brücke und ihr Umfeld für touristische Zwecke um- und ausbauen möchte. Konkrete Konzepte liegen jedoch noch nicht vor.
23. Mai: Bei dem Zusammenstoß mit einem Rettungswagen im Einsatz wurden auf der Kreuzung bei Meetschow eine Mutter und ihr Kind getötet. Der Vater und ein weiteres Kind überleben den Unfall schwerst verletzt.
Ratskeller Dannenberg: Bereits seit nahezu vier Jahren sorgt die Brandruine des Dannenberger Ratskellers für Ärger in Dannenberg. Trotz immer wieder kehrender Verkaufsgerüchte konnte auch 2010 kein Kaufvertrag unterschrieben werden. Immerhin: Nach Aussagen des Stadtdirektors hängt es jetzt nur noch an einigen Formalien, bis der neue Investor seine Pläne realisieren kann. Da der Stadtdirektor aber bis heute keinen Namen verraten hat, glauben die Dannenberger mittlerweile nicht mehr so recht an einen baldigen Verkauf. mehr ...
Dafür sorgen jetzt in Dannenberg viele, viele Schilder für perfekte Orientierung im Ort.
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