Kaum hat der Castorzug die deutsche Grenze durchfahren, herrscht im Wendland Ausnahmezustand: die Polizei hat auf den Straßen zwischen Lüneburg und Gorleben das Kommando übernommen. Trotz der massiven "blauen" Präsenz gelang es dennoch einigen Widerstandsgruppen, Gleise zu "schottern".
Wer sich am Freitag auf der Landesstraße 256 zwischen Gorleben und Dannenberg bewegte, musste es sich den ganzen Tag über gefallen lassen, mehrfach kontrolliert zu werden (Grippel und Gr. Gusborn) Besonders interessierte die Beamten der Inhalt der Kofferräume. Kfz-Papiere oder Personalausweise fanden sie nicht so spannend.
Kein Wunder, denn keine 200 Meter hinter dem Kontrollpunkt bei Grippel nötigte eine weitere Polizeisperre zum Langsamfahren, so dass der am Straßenrand postierte Beamte (in Zivil) genügend Zeit hatte, alle Kfz-Kennzeichen zu fotografieren, die sich Richtung Dannenberg bewegten.
Der anwaltliche Notdienst findet diese Maßnahme "höchst interessant", denn erst kürzlich hatte das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass flächendeckenden Überwachungsmaßnahmen, die unterschiedslos alle Kfz-Kennzeichen auf Autobahnen dokumentiert als Vorratsdatenspeicherung gewertet werden muss und diese untersagt. Bei der Polizeipressestelle in Lüneburg will man von der Fotografier-Aktion nichts wissen. "Wir müssen den Sachverhalt erst klären", so der diensthabende Polizeisprecher.
UPDATE 18:18 Uhr: "Wenn diese Maßnahme so stattgefunden hat, was wir immer noch nicht bestätigen können, dann ist es jedenfalls kein allgemeiner Bestandteil der Einsatzplanung," so Christiane Röttgers, rechtliche Beraterin der Polizeidirektion Lüneburg. Des weiteren erklärte sie, dass sie bei den örtlichen Einsatzleitungen darauf hinwirken werde, dass derartige Aktionen unterlassen werden.
Auch ansonsten hatte bereits am Freitag die Polizei die Kontrolle über die Straßen übernommen. In nahezu jedem Seitenweg längs der sogenannten "Südstrecke" (Dannenberg - Gorleben) parkten Mannschaftswagen. Schweres Räumgerät war auf der knapp 30 km langen Strecke mehrfach zu sehen.
Der Widerstand baut auf
Unterdessen formierten sich überall in der Region die Widerstandsgruppen. Auf der Essowiese in Dannenberg herrschte am Freitag Mittag reges Treiben. Cappuccino und Latte Macchiato, Vegan-Waffeln oder Gemüsepfanne - Überall wurde eifrig gebrutzelt, gekocht oder gehobelt. Viele Infowagen waren längst einsatzbereit, an anderen Hütten, Zelten, Wagen wurden noch gehämmert und gesägt oder mit Planen und Pfosten gegen Wind und Wetter geschützt.
Viel Zulauf auch bei Radio Schumacher in Dannenberg (Marschtorstraße): Fast minütlich kamen Widerständler und hatten größere oder kleinere technische Probleme zu lösen. War es hier ein Funkkabel, das zu kurz war, funktionierte dort ein Laptop nicht oder eine Kamera versagte ihren Dienst. Doch Lars Gauster und sein Team konnte das nicht schrecken: "Das ist mein Beitrag zum Widerstand", so Lars Gauster, der seinen Service, für alle Castorgegner technische Hilfeleistungen kostenlos zu leisten, ab morgen rund um die Uhr anbietet. (Heißen Dank auch von uns an Lars, der in stundenlanger Mühe dafür sorgte, dass auch die Reporter von wnet nun mobil von überall dort berichten können, wo es ein Mobilfunknetz hat ....)
Foto: Malte Dörge / publixviewing.de - In Metzingen hatte die Polizei am Donnerstag Abend etwas Mühe, die Bundesstraße frei zu bekommen ...