Auf den Tag genau heute vor 25 Jahren schlug der "Göhrde-Mörder" das erste Mal zu. Seine Opfer: Das Ehepaar Ursula und Peter Reinold aus Hamburg-Harburg. wendland-net.de" sprach mit der Zeugin, die das Ehepaar als letzte lebend gesehen hatte - und zwei Stunden später dem Göhrde-Mörder begegnete.
Ellen Fischer (Name von der Redaktion geändert) erinnert sich noch genau
an den Ausritt am 21. Mai 1989, vor 25 Jahren. "In der Göhrde war es
warm und sonnig, es war dasselbe Wetter wie heute." Auf einem schmalen
Pferdetrail unweit der "Castor-Bahnstrecke" in der Nähe des Dörfchens
Govelin kamen ihr und ihrer Begleiterin das Ehepaar
Reinold aus Hamburg-Harburg entgegen. Reinolds mussten ausweichen, damit
die Pferde passieren konnten, es enstpann sich ein kurzes Gespräch.
Warum denn die Dame ein Körbchen am Arm trüge, für Pilze sei es doch
noch viel zu früh? Darin befände sich nur das Picknick, lachte Ursula
Reinold. Ellen Fischer fiel auch der markante Feldstecher auf, den Peter
Reinold um den Hals trug, "so ein Bundeswehr-Fernglas". Und seine
nagelneuen weißen Turnschuhe. "Sie waren fröhlich und genossen den
schönen Tag, ebenso wie wir", erinnert sich Ellen Fischer.
Einen dieser Schuhe sah sie vier Tage später auf einem Waldweg in der
Nähe liegen, bei einem weiteren Ausritt, an derselben Stelle, im Galopp.
Ein Detail, welches die Polizei später sehr interessierte.
Denn Ellen Fischer und ihre Begleiterin waren die letzten Zeugen, die
das Ehepaar Reinold lebend sahen. Rund zwei Stunden später raste ein
Honda Civic auf die Reiterinnen, die inzwischen auf einem Waldweg
zurückritten, zu, "in einer Affengeschwindigkeit", erinnert sich die
74-jährige. "Er machte keinerlei Anstalten, zu bremsen. Wir waren
tatsächlich zu Tode erschrocken und mussten mit den Pferden blitzschnell
eine steile Böschung hinauf, um Platz zu machen. Meine Begleiterin hat
sich das Kennzeichen gemerkt, HH-R 246".
Zu Tode erschrocken waren die beiden Reiterinnen völlig zu recht: Es war
der Göhrde-Mörder, der voll auf sie zuhielt. Ein Phantom. Denn bis
heute sind die grausamen Göhrde-Doppelmorde nicht aufgeklärt. Sie
gehören zu den rätselhaftesten Mordfällen der Bundesrepublik. Im
Internet beschäftigen sich noch heute neben der Kripo zahlreiche
Hobby-Kriminologen mit den Fällen. Bislang ohne Erfolg.
Sechs Wochen später fiel den beiden Frauen auf, dass sie genau dieses Fahrzeug gesehen hatten, was in der Sendung "XY ungelöst" vorgestellt wurde - das Auto der Opfer. Der Mörder hatte es in der Nähe des Bahnhofes von Winsen/L. abgestellt. Ellen Fischer wandte sich an die Polizei. Schon tags darauf fuhr sie mit der Kripo zu der Stelle, wo sie die Reinolds sah, und kurz darauf den Göhrde-Mörder. "Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, dazu war er viel zu schnell, und wir mussten ja buchstäblich unser Leben retten", erinnert sie sich. Die Pferde wären durchgegangen. Was für ein Glück sie wirklich hatten, haben sie erst später begriffen. Ellen Fischer schaudert es noch immer, wenn sie durch die Göhrde fährt, diesen trotz der sanften Mai-Sonnenstrahlen geheimnisvollen, düsteren Wald.
Es wird vermutet, dass die Reinolds eine Lichtung aufsuchten, um
sich zu sonnen. Heute steht fest: Das Ehepaar wurde dort umgebracht, der
Mörder brachte seine Opfer aber in eine nahegelegene Senke. Erst sieben
Wochen später entdeckten Blaubeersammler die Leichen, die inzwischen
größtenteils skelettiert waren.
Die genaue Todesursache konnte auch eine Obduktion nicht klären. Nachdem
die Blaubeersammler die Leichen entdeckt hatten, begegnete ihnen ein
braunhaariger, kräftig gebauter, 40 Jahre alter Mann mit einem Beutel in
der Hand. Die Kriminalpolizei nimmt an, dass es sich um den Täter
handelte, der genau an diesem Tag weitere Opfer suchte. Und fand.
Am 12. Juli 1989, dem Tag der Entdeckung des ersten Doppelmordes, fuhren
eine Hausfrau aus Uelzen und ein Handelsvertreter aus Hannover
gemeinsam in die Göhrde. Ein Liebespaar, das einen Ausflug machte. Sie
hatten sich während einer Kur kennengelernt, ihre jeweiligen Ehepartner
wussten nichts von der Beziehung. Sie parkten nahe dem Forsthaus Röthen
und gingen in die Göhrde. Im Waldabschnitt Jagen 138 trafen sie auf den
Täter, der sie mit Leukoplastband an Händen und Füßen fesselte. Beide
mussten sich mit dem Gesicht nach unten legen. Der Täter würgte den Mann
und tötete ihn von hinten durch Kopfschüsse mit einer
Kleinkaliberwaffe. Der Frau zertrümmerte er den Schädel. Anschließend
flüchtete er mit dem Toyota des Mannes. Der Mörder fuhr noch etwa eine
Woche mit dem Wagen, ehe er ihn in Bad Bevensen abstellte.
Zwei Wochen später entdeckten Polizeibeamte bei einer Flächensuche die
beiden Opfer des zweiten Doppelmordes. Der Todeszeitpunkt konnte sicher
auf den 12. Juli 1989 datiert werden, exakt den Tag, an dem die Polizei
ihre Ermittlungen am Fundort des ersten ermordeten Paares aufnahm. Der
Tatort lag nur etwa 800 Meter entfernt von den ersten beiden Opfern. Der
Täter beging den zweiten Doppelmord zu einer Zeit, als die
Kriminalpolizei am Fundort der ersten Opfer ermittelte. Tests ergaben,
dass Schüsse trotz der geringen Entfernung nicht zu hören gewesen wären,
weil sowohl der Fundort der Leichen des ersten Doppelmordes als auch
der Tatort des zweiten Doppelmordes in Senken lagen.
Trotz tausender Hinweise und zwei heißen Spuren konnte der Mörder bis heute nicht gefasst werden. Einen letzten Trumpf hat die Polizei noch im Ärmel: Nach der zweiten Tat waren zwei Haare - leider ohne Haarwurzel - im Fahrzeug sichergestellt worden, die weder den Opfern noch deren Umfeld zuzuordnen waren. Noch immer ist die Technik nicht so weit, dass sich aus den Haaren DNA sicher isolieren lässt, da sie bei dem Versuch unrettbar zerstört werden. Aber Mord verjährt nicht, und Techniker haben Zeit.