Thema: krieg

Der gewollte Krieg

"Exodus", der Film nach dem Buch von Leon Uris, hat mich als Jugendlicher tief beeindruckt: Die armen Juden kämpfen gegen die ganze Welt und besonders gegen die bösen Araber. Was wußte ich als 13jähriger schon? Dieser moral- und schicksaltriefende Film war die beste Propaganda, die Israel sich wünschen konnte.

Die ersten, die mich da kritischer hinsehen ließen, waren zwei jüdische Freunde, die meine Begeisterung für die armen Israelis etwas dämpften, indem sie die Frage aufwarfen, ob das Gebiet Israels, das ihnen laut Propaganda „zurückgegeben“ wurde, eigentlich 2000 Jahre lang unbewohnt gewesen war.

Später schlug mein Herz für die armen palästinensischen Flüchtlinge, vertrieben von den bösen Israelis, verlassen von der Welt. Aber mit Flugzeugentführungen und Sprengstoffanschlägen konnte ich mich auch nicht anfreunden, wenngleich sie mir durchaus emotional nachvollziehbar erschienen – ebenso wie die Wut und Trauer der Opfer dieser Anschläge.

Wo soll man stehen als Deutscher, als Linker, als Sympathiesant sowohl von Juden wie auch Palästinensern? Wer hat Schuld? Vor allem: wer hat keine? Wer hat angefangen? Fragen, die genauso überflüssig wie irreführend sind. Denn versteht man die Motive eines individuellen Täters, so ist die Schuldfrage nicht mehr so leicht zu beantworten. Hier jedoch geht es nicht nur um Individuen. Nein, hier wird gezielt mit den Gefühlen, Ängsten und Bedürfnissen gespielt; sie werden instrumentalisiert, manipuliert und mißbraucht. Was Hamas und der Staat Israel hier tun, dient nicht den Interessen der Menschen.

Den „Gaza-Streifen“ könnte man auch „Gaza-Ghetto“ nennen. Anderthalb Millionen Menschen, eingesperrt, ohne Zukunft und ohne Versorgung. Das macht der Staat Israel. Und in der Mitte der anderthalb Millionen ein paar Tausende, die sich hinter ihnen verstecken und von dort Israel mit Raketen angreifen. Das macht die Hamas. Beide haben kein Interesse an Ausgleich, an Frieden und Integration. Auf beiden Seiten regieren Kriegerkasten, die im Frieden Macht, Geld und Ansehen verlören. Und: Wer Jahrzehnte (oftmals von klein auf) Krieg führt, der kann gar nichts anderes mehr.

Dennoch gibt es Beispiele, daß auch in einer derart verfahrenen, von gegenseitigem Haß regierten Situation ein Ende der Gewalt möglich ist. In Irland wurde Versöhnung möglich – nachdem die Besatzungsmacht England sich stark zurückgenommen hat. Und das Beispiel paßt recht gut: In Irland kämpften vordergründig Religionen; tatsächlich ging es um Macht, Geld und Ansehen.

In Palästina kämpfen Juden gegen Moslems. Aber beide sind Semiten. Die neu eingewanderten Juden sind eine Art Besatzungsmacht, sie verdrängten und vertrieben die Araber. Und auch hier geht es um Macht, Geld und Ansehen. Und eine weitere gemeinsame Ebene: die Weltpolitik. Ohne die USA gäbe es kein Israel, wie es heute ist.

Und das westliche Kapital hat kein Interesse an einer Aussöhnung, am Nebeneinander der hier lebenden Menschen. Auch werten wir keinesfalls mit gleichem Maß. Würde der Staat Israel genauso agieren wie jetzt, nur mit einer dem Iran vergleichbaren Stoßrichtung – längst wäre er von Leuten wie Bush der „Achse des Bösen“ zugeordnet worden.

Die entscheidenden Interessen sind derzeit für den Krieg. Wenn die israelische Staatsführung einen gewählten Präsidenten Abbas, der den Ausgleich sucht, am steifen Arm hängenläßt, bis die Hamas gewählt wird, dann zeigt das die teuflische Verklettung: der israelische Staat braucht Hamas wie Hamas den israelischen Staat. Und wenn ein zum Ausgleich bereiter Politiker in Israel an die Macht gelangt, wird sich ein Israeli finden, der ihn erschießt – weil es nicht im Interesse der herrschenden Gruppen ist, Frieden zu machen; es würden die wirtschaftlichen und inneren politischen Probleme zu sichtbar.

Ohne Feind fehlt Israel der Kitt, der den Patchwork-Staat zusammenhält. Und ohne Feind gäbe es weniger internationale Unterstützung. Ähnliches gilt für die Führungsclans der militanten Palästinenser. Was würde aus Gaza ohne geschlossene Grenze, ohne Druck? Da ist es den Nachbarstaaten auch ganz recht, wenn sich die palästinensischen Millionen auf den iraelischen Feind konzentrieren. Solidaritäts-Resolutionen sind deutlich preiswerter als der Problem-Import aus Palästina.

Nirgendwo Hoffnung? Doch. Jordanien hat vor Jahren mit der Integration der palästinensischen Flüchtlinge begonnen, den Ausgleich mit Israel gesucht und ist einer der Staaten in der Region geworden, die politisch und wirtschaftlich relativ stabil sind – zumindest, solange die Nachbarn und die Weltmächte dies dulden.

Ansonsten sind die Aussichten für alle, die dort leben, tatsächlich schlecht; wegen der Weltpolitik und der individuellen Emotionen. Ob sich das bessert, wenn die USA etwas verspätet merken werden, daß China ihnen eigentlich schon den Rang abgelaufen hat, steht bestenfalls in den Sternen.

Foto:ISM Palestine wikimedia




2009-02-02 ; von Helmut Koch (autor),

krieg   israel   gaza  

Kommentare

    Sie müssen registriert und angemeldet sein um einen Kommentar schreiben zu können