Der Hauptsache-nicht-Bertholdes-Kandidat

Was passiert, wenn die Stimmen-Splitting-Kampagne gegen die CDU-Kandidatin Karin Bertholdes-Sandrock wirklich Erfolg hätte? In einem "wendländischen Wahlmärchen" gibt Wolf-Rüdiger Marunde einen Ausblick bis in Jahr 2017 - dem Jahr der nächsten Landtagswahl.

Vor jeder Landtagswahl gibt es dasselbe Gesprächsthema im Wendland. „Wenn ich meine Erststimme einer Kandidatin gebe, die mir politisch nahesteht, dann bekommt vielleicht wieder die CDU-Kandidatin die meisten Stimmen,“ überlegt man im alternativen Milieu. „Sollte ich nicht besser den SPD-Abgeordneten wählen, um Frau Bertholdes-Sandrock zu verhindern?“

Einige Veteranen aus der Anti-AKW-Bewegung fordern nun öffentlich dazu auf, diesmal den SPD-Kandidaten Franz-Josef-Kamps zu wählen, um eine CDU-Abgeordnete Bertholdes zu verhindern. Klingt erstmal einleuchtend – aber Wählerstimmen sind Wählerstimmen. Niemand kann nach der Wahl zwischen echten und taktischen Personenstimmen unterscheiden. Niemand wird eine Anzeige aufgeben: „Wir haben Franz-Josef Kamp nur gewählt, damit die Bertholdes sie nicht bekommt. Aber eigentlich wollen wir keine A39 und auch keine Elbbrücke.“ Man würde Spaßvögel dahinter vermuten. Je mehr Stimmen Franz-Josef Kamp bekommt, desto grösser wird sein politisches Gewicht. Geschwächt werden die Abgeordneten, die eigentlich das tun möchten, was die ökologisch gesinnten Wahler/innen wollen. Das könnte erhebliche politische Auswirkungen haben. Und die Freude, Bertholdes rausgekickt zu haben, schnell zu Kopfschmerzen werden lassen.

Zur Freude grüner Parteisoldaten

Stellen wir uns die Wahlparty der niedersächsischen Grünen vor, am Abend des 20.Januar 2013. Über die Monitore flimmern die ausgezählten Ergebnisse. Die Stimmung ist gut, es könnte für eine rotgrüne Koalition reichen. Natürlich vergleichen alle, wer in welchem Wahlkreis wie viele Stimmen geholt hat. Merkwürdig: Ausgerechnet die Direktkandidatin im Wahlkreis Elbe ist eingebrochen. Und das, obwohl die Grünen da mehr Zweitstimmen geholt haben als 2008! Diese Landtagsabgeordnete aus dem Kreis Lüneburg gehört zu den wenigen, die immer wieder Kritik am Pro-Gorleben-Kurs der Bundesgrünen anmelden. „Abgewatscht mit einer Ohrfeige aus dem Wendland!“ wird sich die eine oder andere grüne Parteisoldatin freuen, „der Gorleben-Widerstand steht offensichtlich nicht hinter ihr…“ Die Vernunft hat gesiegt, der Endlager-Kurs der Parteiführung ist bestätigt worden.

Stellen wir uns weiter vor, was der Zeitungskommentar in der Allgemeinen Zeitung am Montag nach der Wahl festhalten wird: „Die beiden Kandidatinnen des Anti-Atomlagers, Kerstin Rudek und Miriam Staudte, haben enorme Stimmenverluste erlitten. Ganz offensichtlich steht der „wendländische Widerstand“ nicht mehr hinter ihnen.“ Natürlich werden ihre Stimmenverluste als Indiz dafür gewertet, dass das Wendland keine Opposition gegen das „Endlagersuchgesetz“ mehr will. Gibt es „den Widerstand“ überhaupt noch?  

Jetzt endlich: Nägel mit Köpfen machen für Brücke und Autobahn

Am Morgen nach der Wahlnacht: Pressekonferenz des SPD-Kandidaten Franz-Josef Kamp. Er ist direkt in den Landtag gewählt worden – mit erstaunlich vielen Stimmen aus Lüchow-Dannenberg. Der Lehrer aus Dahlenburg freut sich sichtlich über seinen unerwarteten Stimmenzuwachs. Er bedankt sich bei den Wählerinnen und Wählern für das Vertrauen, dass sie ihm geschenkt haben. Nun könne er das, wofür er einstehe, in Hannover auch vertreten: Förderung der Wirtschaft in der Elbe-Region, Ausbau des Bildungsangebots. Und bessere Verkehrsanbindungen: „Die SPD steht zum Bau der Autobahnen A20 und A39!“ Sogar die Wählerinnen und Wähler des Wendlandes hätten eindrucksvoll deutlich gemacht, dass sie den Bau der Elbbrücke in Neu Darchau wollen, für die er, Kamp, bekanntlich seit langem werbe. „Anpacken, besser machen, so geht das.“

Nun zur Bundespressekonferenz, kurz vor Ostern 2013. Umweltminister Peter Altmaier, Jürgen Trittin, der Spitzenkandidat der Grünen, und der SPD-Parteivorsitzende Gabriel stellen das Ergebnis ihrer Verhandlungen vor. Es gäbe einen breiten Konsens in der Endlagersuche, alle drei gehen davon aus, dass Bundestag und Bundesrat zustimmen werden. Auch die rotgrüne Landesregierung in Hannover. Nach dem Inkrafttreten des „Standortsuchgesetzes“ soll das neue Bundesinstitut für die Endlagersuche seine Arbeit aufnehmen und als ersten Schritt „Ausschlusskriterien“ erarbeiten, mit denen „ungünstige Regionen“ aussortiert werden sollen. Die Parteien einigen sich auf einen Konsens: Die Region Gorleben dürfe nicht durch ungünstige Kriterien von vornherein ausgeschlossen werden.

Zum Schluss gehen wir ins Jahr 2017, ein halbes Jahr vor der nächsten Landtagswahl.

Ein Septembervormittag bei Barendorf. Franz-Josef Kamp und die Vorsitzende des Lüchow-Dannenberger Kreistages, Bertholdes Sandrock, führen gemeinsam den ersten Spatenstich aus für den modernsten Rasthof Europas. Sie fordern die Ertüchtigung der B216 von der A39 bis Dahlenburg, sowie eine leistungsfähigen Querspange nach Neu Darchau. Dafür gebe es einen breiten Konsens in der Region.

Der Chefredakteur des Veranstaltungsmagazins „Zero“, schlägt in der Weihnachtsnummer vor, bei den Landtagswahlen dem CDU-Kandidaten – wie war der Name doch gleich? – die Erststimme zu geben, um Franz-Josef Kamp zu verhindern.

Illustration: Wolf-Rüdiger Marunde

   



2013-01-01 ; von Wolf-Rüdiger Marunde (autor),

niedersachsenwahl2013   spd  

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