Thema: geschichte

Die Dömitzer Eisenbahnbrücke ist begehbar

Nach dreijähriger Bauzeit wurde am Freitag der Skywalk auf der ehemaligen Dömitzer Eisenbahnbrücke für die Öffentlichkeit geöffnet. Nun können Landschaft und Brücke aus luftiger Höhe erkundet werden. Für manche geht damit ein Lebenstraum in Erfüllung.

Über vier Brückenbögen, also 130 Metern, ist die Dömitzer Eisenbahnbrücke ab sofort begehbar. Am Freitag wurde der "Skywalk" unter ministerieller Begleitung offiziell eröffnet. 

Kaum wahrnehmbar - aber für den Erhalt der Brücke existenziell - war die Sanierung, die sich über die Jahre 2022/2023 hinzog. Mit der Eröffnung des Skywalks wurde gleichzeitig der Abschluss der Sanierungsarbeiten gefeiert. "Die größte Herausforderung war die Instandsetzung der 16 aus Naturstein gemauerten Brückenpfeiler", so Ralf Pohlmann, leitender Architekt der Sanierungsmaßnahmen. "Durch die Unbeweglichkeit der Brückenbögen waren zahlreiche starke Risse an den Pfeilern entstanden, die dann ideale Wuchsbedingungen für Bäume boten, die den Schaden noch ein mal vergrößerten". 

Im Zuge dieser Arbeiten mussten zahlreiche verloren gegangene oder zerstörte Steine ersetzt werden, teilweise zerstörtes Mauerwerk restauriert und alle Fugen in den oberen Bereichen der Pfeiler erneuert werden.

Wer die Brückenpfeiler betrachtet, wird kaum wahrnehmen, dass hier so intensiv saniert wurde. Für Lüchow-Dannenbergs oberste Denkmalpflegerin Kerstin Duncker ein Zeichen ausgezeichneter Arbeit. "Die beste Sanierug ist die, die man nicht sieht", lobte sie die sensible Arbeit.

EIN BAU- UND KULTURDENKMAL MIT SYMBOLKRAFT

Insgesamt acht Millionen Euro sind in die Sanierung und die Herrichtung des Skywalks geflossen, davon 7,5 Millionen aus Mitteln des Landes und der Europäischen Union. Viel Geld für die Sanierung von Brückenresten, die schon seit über 80 Jahren keine Bedeutung mehr für den Eisenbahnverkehr haben.

Doch über die Jahrzehnte zeigte sich, wie sehr die direkt an der DDR-Grenze gelegenen Brückenreste zum Symbol für die deutsche Teilung wurden. Und wie sehr sich deutsche Kultur- und Baugeschichte in ihr spiegelt. In seinem Film "Im Lauf der Zeit" schickte Wim Wenders seine Protagonisten auf eine Fahrt entlang der Grenzzäune. Sie startete an der Dömitzer Brücke. Für Wenders hatte die Elbe eine symbolische Bedeutung als Verbindung – und Trennung – zwischen verschiedenen Orten und Menschen. Auch verschiedene Literaten wie Nicolas Born oder Guntram Vesper waren fasziniert von der vielschichtigen Bedeutung der Brücke. 

Auch politisch bekam der geschichtsträchtige Ort Bedeutung. Bis 1981 veranstalteten Vertriebenenverbände hier Gedenktage wie dem 17. Juni (ehem. „Tag der Deutschen Einheit“ nach dem Aufstand in der DDR 1953).

Nicht zuletzt sind die Brückenreste ein Zeugnis der hohen Ingenieurskunst im 19. Jahrhunderts. Die Konstruktion der Brückenbögen stammt von dem Berliner Bauingenieur Johann Wilhelm Schwedler worden - und später weltweit eingesetzt. Und die Verbindung von Baustählen durch Niet- und Schweißverfahren war Anfang des 20. Jahrhunderts von dem Ingenieur Johannes Dörnen entwickelt worden. Auch eine ingenieurstechnische Leistung, die internationale Bedeutung bekam.

Wer sich mit der Brücke und ihrer politischen Geschichte beschäftigt, wird schnell erkennen, dass sie Zeugnis gesamtdeutscher Geschichte ist -  von der Industriellen Revolution, über das Kaiserreich und die beiden Weltkriege bis hin zur deutsch-deutschen Teilung.

ES SOLL NOCH WEITERGEHEN

Jürgen Meyer, Bürgermeister der Samtgemeinde Elbtalaue, möchte, dass die Erlebnismöglichkeiten an und um die Brücke noch ausgeweitet werden. Er möchte das Kulturdenkmal zu einem Leuchtturmprojekt machen. Der Skywalk soll auf alle noch vorhandenen 16 Brückenpfeiler ausgeweitet, ein barrierefreier Zugang geschaffen und am Ufer ein Infozentrum eingerichtet werden. Die Pläne dafür sind da, die Finanzierung ist allerdings noch längst nicht gesichert.

Dass die Brückenreste heute noch für viele Menschen eine emotional tiefgreifende Bedeutung haben, war bei der Eröffnung zu erleben. Zum Beispiel Edda und Uta Heidenblut aus Eldena: Trotz Gehbehinderung hatten sie sich von der anderen Elbseite aus auf den Weg gemacht, weil sie unbedingt bei der Eröffnung dabei sein wollten. Für sie wurde ein Lebenstraum wahr. Ihre Mutter hatte mit der Sprengung der Brücke im Jahre 1945 die Möglichkeit verloren, ihre Familie auf der Westseite zu besuchen. Von einem Tag auf den anderen war die Verbindung abgebrochen. "Jahrzehntelang ist sie nach Dömitz gefahren, um wenigstens in der Nähe der Brücke zu sein, über die sie früher zu ihrer Familie gefahren war", erzählten die beiden Schwestern. Die Mutter hat die Wiedervereinigung nicht mehr erlebt - für ihre Töchter ist nun ein Lebenstraum wahr geworden: Einmal wieder über die Brücke gehen können. Auch wenn der Weg weit vor dem Ufer endet. Ähnlich emotionale Verbindungen waren von vielen  BesucherInnen zu hören. Aus verschiedenen Bundesländern waren Interessierte angereist.

So hat Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer wohl recht, wenn er die Brücke bei der Einweihung als "ein Denkmal von nationaler Bedeutung" bezeichnete. Carsten Schneider, Staatsminister im Bundeskanzleramt und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland, hob in seiner Grußrede besonders die gelungene Zusammenarbeit zwischen Ost und West hervor. (Bei der Entwicklung und der Umsetzung des Projekts hatten die Samtgemeinde Elbtalaue, das Amt Dömitz und weitere Behörden in Ost und West eng zusammengearbeitet). "Das war großartig", lobte der gebürtige Thüringer die Beteiligten. "Wir brauchen wesentlich mehr Kooperation zwischen den Bundesländern, zwischen Ost und West".

Ab sofort ist die Brücke nun für die Öffentlichkeit bis zum Sonnenuntergang zugänglich. Zu den "Tage der Industriekultur am Wasser" gibt es am 24. September jeweils um 11.00, 13.00 und 15.00 Uhr eine Führung und einen Vortrag mit dem Architekten Ralf Pohlmann über die bewegte Geschichte des Bauwerks und in das aktuelle Projekt seiner Nachnutzung. Spaziergang auf dem neuen „Skywalk" inklusive.

Wer mehr über Geschichte und Baukultur wissen möchte, findet ausführliche Informationen auf der Internetseite des Projekts doemitzereisenbahnbruecke.de.

Fotos | Angelika Blank (historische Brückenfotos: Museum Festung Dömitz)




Fotos

2023-08-26 ; von Angelika Blank (autor),
in 29484 Langendorf, Deutschland

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