Was früher als wertvolles Gut galt, hat heute kaum noch einen Wert: Wolle. Auf dem Höhbeck haben sich Menschen aufgemacht, ungenutzte Wolle zu wertvollen Produkten zu machen. "Wendengarn" stellt unter anderem mit Schafwolle gefüllte Bettdecken her.
Tausende Schafe in der Region produzieren alljährlich rund 10 Tonnen Wolle - ein Rohstoff, für den heute nur noch Cents pro Kilo bezahlt werden. Doch allein die Schur eines Schafes kostet 2 bis 3 Euro pro Schaf. Klar, dass kaum ein Schäfer seine Wolle in den Verkauf bringt. Die Wolle wird Abfall – und macht immer noch Kosten, denn die Entsorgung von Schafwolle gilt nach EU-Vorschriften als Sondermüll.
Bereits vor Jahren begannen
Schafzüchter im Wendland deshalb, darüber nachzudenken, wie
die Wolle von Tausenden Schafen
in der Region sinnvoll verwertet
werden kann. Stefan
Reinsch, Betreiber des Landschaftspflegehofes auf dem Höhbeck, griff das Problem auf und begann vor drei Jahren, eine
Wollverarbeitungsmanufaktur
aufzubauen - nicht zuletzt, um auch die Wolle der eigenen Schafe verarbeiten zu können.
Schafe - Wolllieferanten und Naturschutzhelfer
Reinsch ist die Wollverarbeitung nicht nur wegen des Verwertungskreislaufs wichtig. Er möchte auch gerne die Schafhaltung befördern, denn die Landschaftspflege durch Schafe ist weitaus schonender als die mit Maschinen. Schafe haben nur einen vergleichsweise leichten Tritt, was eine Schädigung des Bodens verhindert. Und die Artenvielfalt bleibt auch erhalten. Da die Mahd nicht allzu oft und nur zu den Zeiten erfolgt, in denen die Blütezeit der Pflanzen abgeschlossen ist. Auch Kleintiere oder Wiesenbrüter lassen sich durch Schafe kaum stören.
Reinsch selbst lässt eine hügelige Streuobstwiese am Höhbeck durch Schafe beweiden. Auch das ist ein weiterer Vorteil von Schafen: sie können sich auf vielen Flächen bewegen - ob eben oder steil, ob trocken oder nass. Mähmaschinen können hier gar nicht zum Einsatz kommen. Nicht umsonst wird das Gras auf vielen Deichen in der Region durch Schafherden kurz gehalten. Das ist weitaus günstiger als eine Maschinenbeweidung, die auf den steilen Deichwänden aufwändig ist - wenn überhaupt möglich.
Alte Maschinen werden wiederbelebt
Neue Maschinen für die Wollverarbeitung sind kaum zu finden - Reinsch fand aber historische Maschinen, die er als Maschinenbau-Studierter selber ab- und wieder aufbaute und notwendige Reparaturen ebenfalls selbst vornimmt. Fast drei Jahre dauerte es, bis alle notwendigen Maschinen beieinander waren. Eine EU-Förderung und Gesellschafter in der
„Wendengarn GmbH“ sorgten für
die notwendige Finanzierung. „Mit Glück fand ich im
Internet eine funktionstüchtige
Krempelmaschine aus dem 19.
Jahrhundert," so Reinsch. Mit dieser Maschine werden die Vliese hergestellt.
Die mit 70 Spinnplätzen ausgestattete Kammgarnspinnmaschine von 1960, mit der aus den Vliesen Garne gesponnen werden, konnte Reinsch
von einer Firma kaufen, die ihren
Betrieb aufgegeben hatte. Eine
Maschine mit Geschichte: „Damit
wurden jahrzehntelang die meisten Garne für die deutsche Ökoszene gesponnen“, erzählt
Reinsch. Bis jetzt können hier allerdings nur relativ grobe Garne hergestellt werden.
Eine Waschanlage selbst zu betreiben ist bis heute nicht möglich. Umweltschutz-Auflagen verhindern den Betrieb. So muss die
Wolle in Belgien gewaschen werden. Nur dort, in Polen und Österreich gibt es einzelne Wollwäschereien.
Mit viel Einsatz und Handarbeit gelang es inzwischen, unter dem Label „Schlafweide“ vor allem Steppdecken und Kissen mit festerer oder luftigerer Schafwoll-Füllung für Sommer- oder Winternutzung zu produzieren. Genäht werden die Steppdecken in der eigenen Werkstatt.
Fotos | Angelika Blank: An teils historischen Maschinen produziert "Schlafweide" kuschelige Bettdecken und dickere Garne.