Ein Tag im März
Zu dritt haben wir beschlossen, die CEBIT in Hannover zu besuchen: Unser Chefredakteur (über 25 Jahre Programmiererfahrung), die Autorin (Online-Journalistin und seit Jahren mit Computerarbeit vertraut) sowie eine Freundin von uns, die als Sachbearbeiterin ebenfalls seit Jahren in der Nutzung aller möglichen Computerprogramme versiert ist.
Spät waren wir weg gekommen, so dass wir erst 18 Minuten vor Abfahrt auf dem Uelzener Bahnhof ankamen. Eigentlich Zeit genug, um den Zug nach Hannover noch zu erreichen. Doch: an den Schaltern lange Schlangen, nur um die Fahrkartenautomaten machte anscheinend jeder einen großen Bogen. Wir hätten stutzig werden sollen, denn die drei orangenen Türme standen wie einsame, aber überflüssige Wachsoldaten inmitten eines großen leeren Raums.
Doch wir freuten uns nur, dass alle drei Automaten frei waren. Da würden wir ja schnell zu Fahrkarten kommen. Um ganz sicher zu gehen, belegten wir gleich beide Automaten. Die Freundin stellte sich ausserdem noch – wir fanden das furchtbar albern – als 11. in der Schlange am Schalter an. „Ist doch nicht nötig“, riefen wir ihr noch hinterher, bevor wir uns an die Bedienung der Automaten machten.
Ein Blick auf die Front des Automaten liess uns allerdings zweifeln, ob wir nicht allzu voreilig das Anstellen am Schalter verhindern wollten: 2 x 20 Wahltasten leuchteten uns entgegen „für „Einzeltickets, Fahrradkarte, z. T. Auch Übergangstarif = orange, Mehrfahrten-Tickets = blau, 24-Stunden-Tickets und MinigruppenTickets = gelb, für Einfache Fahrt, Hin- und Rückfahrt, Ermäßigungen, 1. Klasse, „Schönes Wochenende“-Ticket, Fahrradkarten, EC/IC-Zuschläge, alle in rot; z. T. Für Erwachsene oder Kinder wählbar“ ...
Oben ein Münzeinwurf, rechts in der Mitte der Kartenleser für Geldkarte und Paycard (zur Zeit nicht aktiv), darunter der „Geldscheineinzug“ und der Schacht für die „Geldscheinrückgabe“. Ein weiteres Schild wies uns noch darauf hin, dass wir es hier mit einem „Gehäuse (orange, RAL 2000) zu tun haben. Aha! Danke für diese wesentliche Information.
Also gut! Höchste Konzentration bitte! Wo ist der Schalter für Einfachtickets? Gut, gefunden und gedrückt. Dann folgen eine Reihe von Auswahlfenstern für alle möglichen Eventualitäten: Abfahrtsort, Zielort, Anzahl der Mitreisenden, 1. Klasse, 2. Klasse, Bahncard ja oder nein, drücken, drücken, drücken ... Reservierung – ja – ist aber nicht möglich, da Zug gleich fährt. Fahren wir eben ohne Reservierung. Aber wie jetzt wieder zurück zur Buchung.
Die Zeit läuft! Noch 10 Minuten bis zur Abfahrt.
Also Abbruch und das Ganze von vorne. Mein Kollege neben mir hat diese Klippe immerhin schon überwunden und ist bereits bei „Zahlweise“. Und unsere Freundin? Ist inzwischen auf Platz 5 in der Schlange vorgerückt.
Ah gut, der Kollege schiebt schon seine Bahncard in den Schacht. Dann kann ich ja wieder abbrechen. Doch Sekunden später ein lauter Fluch. Fast schon zynisch blinkt es hell aus dem Automaten: „Bitte geben Sie Ihre Kartenpin“ ein. Kartenpin? Für die Bahncard? War da mal etwas? Mein Kollege kann sich nicht erinnern, jemals von der DB eine Pin für die Bahncard geschickt bekommen zu haben. Was tun? Also wieder Abbruch. Wechsel auf anderen Modus geht nicht – jedenfalls finden wir die Option zu zweit nicht.
Nur noch 6 Minuten bis zur Abfahrt des Zuges.
Verzweifelte Blicke gehen in Richtung unserer Freundin, die sich inzwischen auf Platz 2 in der Schlange vorgearbeitet hat.
Aber wir geben nicht auf. Noch ein letzter Versuch. Schließlich haben wir inzwischen ja schon Übung in der Suche nach den richtigen Bedienfeldern. Wir kennen die Fragen auch schon alle und müssen sie nicht erst mühselig lesen und den richtigen Button zum Bestätigen finden. Das kann doch nicht sein, schließlich arbeiten wir jeden Tag mit Computern. Da wird uns doch so ein blöder Automat nicht fertig machen. Meinem Kollegen steht schon der Schweiß auf der Stirn. Er platzt bald vor Wut, dass so ein dämlicher Fahrkartenautomat sich ihm – dem ehemaligen Automatenoptimierer – verweigert!
Während wir noch dabei sind, die letzten Fragen des Automaten zu beantworten, taucht hinter uns unsere Freundin auf. Triumphierend winkt sie mit dem Ticket.
Noch 3 Minuten bis zur Abfahrt des Zuges. Ein letzter wütender Druck auf das „Abbrechen“-Feld. Dann nichts wie losgehechtet.
Als wir völlig verschwitzt und abgehetzt den Bahnsteig erreichen, sehen wir gerade noch die Rücklichter des ausfahrenden Zuges am Ende des Bahnhofs leuchten.
Nun gut, warten wir eben auf den nächsten Zug. Doch die ängstlich zuckenden Augen unserer Freundin lassen uns zögern. Irgendwie möchte sie uns etwas sagen, traut sich aber offensichtlich nicht. Endlich rückt sie damit heraus: „Ich habe noch ein Sonderpreis-Ticket ergattern können. Das hat aber eine Zugbindung. Wenn wir einen anderen Zug nehmen, dann müssen wir wieder runter zum Schalter und das abändern lassen.“ ....
Wir sind dann mit dem Auto nach Hannover gefahren, haben sogar in der Nähe des Eingangs einen Parkplatz gefunden und sind abends ganz gemütlich mit dem Auto nach Hause gefahren.
Wenn jetzt jemand in unserer Gegenwart das Wort „Fahrkartenautomat“ erwähnt, bekommen wir alle drei nervöse Zuckungen und das dringende Bedürfnis, demjenigen an die Gurgel zu gehen.
Wie wir gehört haben, bekommt Bahnchef Mehdorn ähnliche Symptome - er allerdings bei der Nennung des Wortes "Bediengebühr". Vielleicht sollten wir ihm täglich - strategisch gut über den Tag verteilt - mehrmals dieses Buhwort als SMS auf sein Handy schicken. Vielleicht können wir ja dann demnächst die hoffnungsfrohe Meldung lesen, dass er von all seinen Ämtern zurückgetreten ist.