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Die Erde drehte sich um Kröte - Teil 1

Roland Albrecht, Direktor des Museums der unerhörten Dinge in Berlin, beschäftigt sich schon seit Jahren mit der Vor- und Frühgeschichte des Dorfes Kröte bei Waddeweitz. Dabei kam er zum Beispiel zu der erstaunlichen Erkenntnis, dass dieser kleine Ort für rund 300 Millionen Jahre am Äquator lag. Hier sein Forschungsbericht der etwas anderen Art.

Wie alte Unterlagen belegen, lag Kröte vor 540 Millionen Jahren direkt auf dem Äquator. Das war eine Zeit, wo hier noch Öde war, kein Grün, keine Tiere – nichts. Auch die Wasserverhältnisse waren andere: Kröte lag am Meer in einer Lagune. Man spricht hier auch gern von der „Lagune von Kröte“.

Still war es damals auf der Erde. Pflanzen gab es ebenso wenig wie Tiere oder gar Menschen. Nur Steine gab es und Wasser. Außerdem drehte sich die Erde schneller als heute.

Die Lagune von Kröte war den Witterungsverhältnissen schutzlos ausgeliefert: Mal trocknete sie vollständig aus, mal war sie mit Wasser gefüllt. Auf der Erde gab es zwar noch kein Leben, aber Im Meer tummelten sich schon Amöben und Bakterien, auch die Existenz von Wasserpflanzen ist nachgewiesen. Durch das immer wiederkehrende Austrocknen der Lagune mussten sich die Pflanzen irgendwann entscheiden, ob sie nun Wasserpflanzen sind oder Erdpflanzen.

Hier in der Lagune von Kröte – nicht genau im Ort, aber in der Gegend – kam es, wenn auch erst nach Millionen Jahren zum ersten entscheidenden Evolutionssprung: Wasserpflanzen mutierten zu Erdpflanzen. Die Begrünung der Erde ging also sozusagen vom Äquatorort Kröte, der Lagune von Kröte, aus.

Das war natürlich ein großer Schritt, weil die Pflanzen bisher durch das Wasser vor den UV-Strahlen der Sonne geschützt waren. Dieser Moment, dass sie ohne den Schutz des Wassers leben konnten – das ist hier bei Kröte passiert.

Eigentlich müsste nach der Ausgleichstheorie Kröte eigentlich vor 400 Mio. Jahren eine Norddriftung gemacht haben. Aber nein, Kröte bleibt auf dem Äquator. Und zwar 300 Mio. Jahre lang – wie kein anderer Ort sonst auf dieser Welt. Man könnte sogar sagen, dass die ganze Welt damals sich um Kröte drehte. Die heute bekannten Kontinente waren noch völlig anders geformt. Nur in Ansätzen konnte man damals schon die heutigen Umrisse erkennen.

Die Ausgleichstheorie

Warum ist das so? Es gibt eine Ausgleichstheorie: jedes Mal, wenn etwas Gutes passiert, geschieht kurz darauf auch etwas Schlechtes. Die Begrünung der Erde nun war ja etwas Wunderschönes, deswegen musste jetzt etwas Anderes, nicht so Schönes, passieren. Und das geschah auch in der Lagune, auch um Kröte herum: Im Wasser bekamen die ersten Tiere Augen. Somit ist die Idee vom Licht auch hier in Kröte geboren worden. Denn Licht ist ja nichts anderes als eine Strahlung, die ohne Auge nicht wahrgenommen werden kann.

Wie gesagt, die ersten Tiere lebten im Wasser, ernährten sich von Sedimenten, ab und zu erwischten sie auch mal ein Eiweißstückchen, was ihnen wesentlich mehr Kraft gab. Natürlich wollten die kleinen Tierchen nun mehr von diesen gehaltvollen Eiweißbröckchen zu sich nehmen. Doch ohne Augen konnten sie sie nicht finden. Da half die Evolution: Durch einen Mutationssprung entwickelten die ersten Tierchen eine Art Facettenauge, mit denen sie nun gezielt auf Eiweißjagd gehen konnten.

Das war das Ende der Gemütlichkeit und auch das Ende des Vegetarismus. Denn wenn man Eiweiß hatte, hatte man einen Evolutionsvorteil – man hat sich besser ernährt. Das hat dann zur Aufrüstung geführt. Schließlich konnten die Augen nun auch zur Vertreibung von Freßfeinden benutzt werden. Also mussten die anderen Tierchen nun auch Augen bekommen, um sich besser zur Wehr setzen zu können.

Seitdem – und das hat in Kröte seinen Ausgang genommen – frisst man sich gegenseitig und macht sich an.

Vor ungefähr 50 Mio. Jahren driftete Kröte dann Richtung Norden ab. Nordamerika hatte sich noch nicht mit Südamerika zusammen getan.

Der Untergang der Dinosaurier

Jetzt ein Sprung zu den Dinosauriern. Zwar fand man in und um Kröte keine Spuren von Dinosauriern. Aber es müssen welche hier gelebt haben, denn man fand Magensteine. Und es ist bekannt, dass die Riesensäuger diese Steine im Magen trugen. Welche Funktion diese Steine hatten, weiß man bis heute nicht genau, aber sie wurden auch bei Fischen gefunden. Dort vermutet man, dass die Steine als Ballaststoffe dienten, oder auch zur Orientierung, um Balance zu bekommen.

Man fand hier also Magensteine wie auch Innerschnecken, die den Sauriern als Magenputzer dienten. Man muß sich vorstellen, dass die riesigen Tiere gewaltige Mägen hatten, in denen sich Magensaft befand, wo sich Algen bildeten. Diese Algen wuchsen und füllten die Mägen der Saurier. In schicksalshafter Symbiose lebten nun die Innerschnecken im Magen der Saurier und ernährten sich von den wachsenden Algen. So wurden die Mägen der Saurier immer wieder von den permanent wachsenden Algen befreit. So hatten die Saurier leere Mägen, konnten Hunger haben und normal leben.

Im ausgehenden Jura hat sich die Vegetation geändert. Da kamen Nadelhölzer auf, die die Innerschnecken nicht vertragen haben, die kleinen Magenputzer starben aus.

Da es nun keine Freßfeinde mehr gab, wuchsen die Algen in den Sauriermägen immer weiter. Die Saurier hatten immer volle Mägen und hörten somit auf zu essen. Da sind sie buchstäblich mit vollem Magen verhungert. Das ist eine der Theorien, warum die Dinosaurier ausgestorben sind.

Noch einmal zurück zu den Magensteinen: Einige Märchenforscher sagen, dass das Märchen von Rotkäppchen und dem Wolf, dem ja Steine in den Bauch gelegt werden, aus einer unbewussten kollektiven Erinnerung an die Zeit der Magensteine entstanden ist.

Slawische Besiedlung und Ort von Geheimverhandlungen

Nun ein großer Sprung in die Zeit um 800 n. Christus. In dieser Zeit siedelten sich hier die Slawen bzw. die Wenden an. Der Ort wurde erstmalig besiedelt. Wie kam es nun zu dem Namen Kröte? Es war ja nun nicht so, dass die Menschen Orte gründeten und sich dann selber Namen gaben. Nein, die Ortsnamen wurden ihnen von den Nachbarn gegeben. Hier nannte man die Menschen „kreta, krete, … im slawischen hieß das „Maulwurf“. Warum die Menschen hier mit Maulwürfen verglichen wurden, ist nicht überliefert.

Aber trotzdem setzte sich die Gleichsetzung mit dem Maulwurf durch. Später gab es hier nämlich Geheimverhandlungen des nordischen Städtebundes, der Hanse. Es wird berichtet, dass 1508 eine Hanse-Partnerschaft in Kröte vorverhandelt wurde. In den Unterlagen kommt in Bezug auf die Geheimverhandlungen immer wieder vor „Man hat gute Maulwurfsarbeit geleistet“.

Man geht heute davon aus, dass dieser Begriff auf Kröte zurück ging. 1525 soll der niederdeutsche Salzfrieden in Kröte vorverhandelt worden sein. Die Hauptverhandlungen waren dann immer in den größeren Städten. Heute noch finden sich in den Hansestädten wie Wismar, Bremen oder Lübeck kleine Gassen, die „Kreta-“, „Kruten-“ oder „Krüta“-Straße, eben „Maulwurfs“-Straße heißen. Da geht man davon aus, dass es eine Bezugnahme auf diesen Ort hier ist.

Kröte – Ursprung der Schönheitschirurgie

Goldene Ohrringe in Ringform sind heute noch bekannt. Weniger bekannt ist, dass vor allem Schiffsleute früherer Tage diese Ohrringe trugen, um wenigstens einen Wertgegenstand bei sich zu tragen. Denn wenn ein Matrose über Bord fiel und irgendwo in fremden Landen angeschwemmt wurde, so konnte er sicher sein, ordentlich begraben zu werden, denn den wertvollen Ohrring nahmen sich die fremden Bestatter als Entlohnung.

Hatte allerdings ein Matrose an Bord seine Pflichten verletzt oder gar eine Straftat begangen, so hatte der Kapitän das Recht, ihm den Ring aus dem Ohr zu reißen. So entstand der Begriff „Schlitzohr“. Fortan war der Ohrringlose Matrose für jedermann erkennbar als Straftäter gekennzeichnet.

In Kröte nun lebte im ausgehenden 16. Jh. Gotthilf Ludwig Renner, der sich darauf spezialisiert hatte, die ausgerissenen Ohrläppchen zu operieren. Der Ruhm dieses Operateurs sprach sich in ganz Deutschland herum, bis später Memmingen zum Zentrum dieser Operateurskunst wurde. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass die Schönheitschirurgie sich von Kröte aus entwickelte.

Allerdings war es bei Strafe verboten, die Ohrläppchen zu operieren, ohne dass ein Notar bescheinigt hatte, dass der Verlust des Ohrrings auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen war. So kam es, dass es heute noch in Memmingen eine Unzahl an Notaren gibt.

Das Geheimnis des wetterfesten Pappmachés

Wie vielleicht bekannt ist, wurde das Ludwigsluster Schloß zu Zeiten von Herzog Friedrich im 18. Jahrhundert mit Skulpturen und Dekorationen aus Pappmaché ausgestaltet. Bis heute ist nicht bekannt, wie es möglich war, dass die Papier-Skulpturen so wetterfest wurden, dass sie über Jahrhunderte den Schloßpark bereicherten.

Hier kommen wir nun zu neuesten Forschungsergebnissen. Wir fanden heraus, dass 1776 in der Dorfmitte in einem alten Vierständer mit kreuzförmigen Luken im Giebel Artur Gottfried Kaiser lebte, der einen lebhaften Wespennest-Handel betrieb. Die Wespen formen ihre Nester ebenfalls aus Zellulosematerial, welches mit einem von den Tieren produzierten Leim zu schichtartig aufgebauten runden Waben verklebt wird - das Geheimnis der Wetterfestigkeit?

Wichtig schien allerdings zu sein, dass es Wespennester der Deutschen Wespe waren, denn Versuche mit Nestern von Wespen aus anderen Ländern zeigten, dass die abdichtende Wirkung des Rohmaterials hier nicht gegeben war.

Diese Nester nun sammelte Gottfried Kaiser, um sie als Rohmaterial an die Bauherren des Ludwigsluster Schlosses zu liefern. Es ist bekannt, dass jährlich rund 100 Zellulosenester nach Ludwigslust geliefert wurden.

In Erinnerung an dieses traditionelle Herstellungsverfahren haben sich in diesem Jahr über 40 Künstler mit Zellulose beschäftigt und eine große Ausstellung gestaltet. Also auch der ökologische Gedanke hielt in Kröte schon früh seinen Einzug.

+++ Ende des ersten Teils +++




2010-05-20 ; von Roland Albrecht (autor),

kröte   kulturelle landpartie  

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