Thema: dioxin

Du willst es? Du kriegst es! - Dioxin in der Nahrungskette

Wer Geiz geil findet, der sollte sich über gar nichts wundern, meint Stefan Buchenau

Prost Neujahr! Noch ganz neu war 2011, da kamen die alten Nachrichten: Es gibt mal wieder Dioxin in der Nahrungskette. „Dioxin entsteht unerwünscht“, sagt Tagesschau.de, „etwa bei Verbrennungsprozessen mit Chlor und organischem Kohlenstoff. Nach Angaben des Umweltbundesamtes wird das Gift bei Temperaturen über 300 Grad gebildet und bei über 900 Grad wieder zerstört. Auch bei chemischen Produktionsverfahren mit Chlor kann Dioxin entstehen, außerdem bei Waldbränden oder Vulkanausbrüchen.“

Ja, gut, aber wie kommt das Gift ins Tierfutter? Ganz einfach: Ein Tierfutterhersteller aus Schleswig-Holstein bezieht einen Teil seiner Zutaten (mit einem kleinen Umweg über die Niederlande) von der Firma „Petrotec“ aus Emden. Dabei handelt es sich um „Mischfettsäuren“, die bei der Produktion von „Biodiesel“ anfallen. Wobei „Petrotec“ betont, daß dieses Zeug nicht für die Produktion von Nahrungsmitteln geeignet sei (was auch auf den Verpackungen steht), und die Prozeßwärme unter 300 Grad liegt, Dioxin also bei ihnen gar nicht anfallen dürfte... (es sei denn, da wäre irgendwie, sagen wir mal Altöl untergemischt worden...?)

Also sperrt das Landwirtschaftsministerium „vorsorglich, zum Schutz der Verbraucher“ allein in Niedersachsen 1000 Fleisch und Eier produzierende Betriebe und verkündet gleichzeitig: „Keine akute Gefahr!“

Das ist vermutlich richtig, denn Dioxin wirkt, zumindest in geringen Dosierungen, nicht sofort. Aber es verschwindet auch nicht mehr, sondern reichert sich im Fettgewebe von Tier und Mensch an. Da trifft es dann, ganbz unakut, auf alte Bekannte und Verwandte aus früheren „Skandalen“ wie den dioxinverseuchten Weiden im Elbetal und natürlich auf die Überbleibsel aller früheren Fälle, die, weil von den wenigen Kontrolleuren nicht entdeckt, nie das Licht der Öffentlichkeit erblickt haben.

Der Bauernverband fürchtet derweil „Schaden für die betroffenen Landwirte.“ Der wird wohl kaum zu vermeiden sein und so manchen Landwirt, der sich für die Industriemast entschieden hat, in ernste Schwierigkeiten bringen. Und dann fordert der Verband noch, daß „die Verursacher ohne Wenn und Aber für die entstandenen Schäden aufkommen müssen!“ Gut gebrüllt, Herr Sonnleitner, dann legen sie am besten schon mal ein Sonderkonto an.

„Verursacher“ dieses jüngsten Skandals ist nämlich keineswegs nur die Firma, die da, wie sie inzwischen zugibt, fahrlässig, irgendwas zusammengepanscht hat. Verursacher sind ebenso die Lobbyisten, allen voran der Bauernverband selbst, die den Bauern seit Jahrzehnten einreden, wie moderne Landwirtschaft auszusehen hat: Möglichst viele Tiere in einem Stall, Futter aus irgendwelchen Resten gemischt, die über diverse Ländergrenzen zusammengekratzt wurden. Weil es nämlich nicht nur unmodern, sondern vor allem unrentabel ist, das Futter für die eigenen Tiere auch noch selbst zu produzieren. Oder weil der Landwirt, falls er, sagen wir, Hähnchen mästet, vertraglich verpflichtet ist, sein Futter von einem Großhändler zu beziehen, der wiederum an einen Konzern gebunden ist, der wiederum mit Zulieferern arbeitet, die ihrerseits... Und am Ende ist, wie im aktuellen Fall, wieder mal keiner schuld.

Natürlich gibt es Grenzwerte für allerlei Stoffe, nur haben diese rein gar nichts mit tatsächlichen Gesundheitsgefahren zu tun, sondern entstehen, wie ja auch bei Strahlenbelastungen, aus einem Kuhhandel zwischen Industrie und Behörden. Die einen wollen möglichst schnell viel und billig produzieren, die anderen sparen Stellen für Kontrolleure und bei aktuellen Analysegeräten.

Und dann wäre da noch die EU, die mit ihren vollkommen irrsinnigen Subventionen dafür sorgt, daß es sich mehr lohnt, landwirtschaftliche Produkte ständig von hier nach dort und wieder zurück zu karren, statt selbst und kontrolliert zu produzieren. Daß dadurch jede Menge Spielraum für jede Menge Manipulationen entsteht, ist einleuchtend.

Verursacher sind aber auch die Landwirte, die sich das alles haben einreden lassen und die es inzwischen für „gute fachliche Praxis“ halten, Pflanzenfresser mit Tier- und Fischmehl zu füttern, wobei vorsorglich noch ein paar Medikamente und Wachstumsbeschleuniger untergemischt werden. Die daraus entstehenden Gefahren wie etwa BSE sorgen immer mal wieder kurzzeitig für Aufregung, aber inzwischen darf Tiermehl schon wieder verfüttert werden. Und auch der angeblich so hilflose Endverbraucher ist Verursacher dieses und aller früheren und kommenden Skandale, denn er/sie kauft schließlich den ganzen Müll, der heutzutage als Nahrungsmittel in den Supermarktregalen gestapelt wird. Das liegt an „Geiz ist geil“ genauso wie an den sozialen Verhältnissen, siehe die aktuellen Armutsberichte.

Und wie geht es weiter? Genau wie immer. Ein paar Höfe werden pleite gehen, die Anlagen und Flächen werden von irgendeinem noch Größeren übernommen, und die Produktion geht weiter – nach Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie lieber nicht, sonst wird Ihnen, geschätzter Leser, noch schlecht. Ein Hersteller von Futtermitteln wird gewiß bestraft – die Konkurrenz, die genauso wirtschaftet, teilt seine ehemaligen Kunden unter sich auf.

Und nicht nur Kreislandwirt Tebel wird auch in Zukunft beklagen, daß die Akzeptanz für das, was auch er „moderne Landwirtschaft“ nennt, in der Bevölkerung abnimmt. Immerhin plädiert er bei seinen Kollegen, wie in der EJZ zu lesen war, „für die Einhaltung von Fruchtfolgen“ – das ist ehrenwert, zeigt aber, daß nicht einmal mehr dieses elementare Wissen um natürliche Zusammenhänge bei „modernen“ Landwirten vorausgesetzt werden kann.

Und wie könnte es weitergehen? Wie wäre es, wenn sich im überschaubaren Lüchow-Dannenberg die Landwirte, die nicht eh schon „Bio“ wirtschaften, wenigstens auf eines einigen könnten: Futtermittel werden für diesen Landkreis ausschließlich hier produziert, Groß- und Zwischenhändler bleiben außen vor.

Dazu müßte, zum Beispiel, vom Bauernverband, der Anbau koordiniert werden, was wiederum die Fruchtfolge garantieren könnte. Und zumindest die, die nicht vertraglich an irgendwelche Konzerne gebunden sind, könnten sich freiwillig verpflichten, auf chemische Zusätze zu verzichten. Natürlich wächst ein Schwein dann langsamer, aber schmecken tut’s besser, und der Betrieb wird beim nächsten Skandal nicht geschlossen. Und das viele Geld, das jetzt an irgendwelche Konzerne fließt, bliebe im Landkreis. Es könnte sich also, trotz längerer Produktionszyklen, durchaus lohnen. Na, Herr Tebel, liebe Landwirte, wäre das nicht ein guter Vorsatz fürs neue Jahrzehnt?

Foto: Federvieh aus der Region




2011-01-26 ; von Stefan Buchenau (autor),

dioxin   landwirtschaft  

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