Thema: heimatkunde

Diskussion: "Heimat zu verkaufen - von sterbenden Dörfern"

Für Stadtmüde aus den Ballungsräumen ist das Leben auf dem Lande oft pure Idylle. Die Realität sieht aber oft anders aus: Überalterung, mangelhafte Infrastruktur und fehlende Arbeitsmöglichkeiten lassen die Provinz immer mehr ausbluten. Mit möglichen Perspektiven für eine lebenswerte Zukunft in der Provinz beschäftigt sich eine Diskussionsveranstaltung in Kussebode.


Bayern gilt als Boomregion. Doch auch dort gibt es Landstriche, die mit Bevölkerungsrückgang, Überalterung, fehlender Infrastruktur und wirtschaftlichem Niedergang zu kämpfen haben - z.B. die Region Oberfranken. Da gibt es zahlreiche Ähnlichkeiten mit den Problemen der hiesigen Region.

In der Dokumentation "HEIMAT ZU VERKAUFEN - VON STERBENDEN DÖRFERN" des Bayerischen Rundfunks (2016) fand der Bürgermeister von Nordhalben (Oberfranken), Michael Pöhnlein, deutliche Worte für eine verfehlte Regionalentwicklungspolitik des Landes.

Einen Blick über den eigenen Tellerrand hinaus will eine Diskussionsveranstaltung am Donnerstag Abend in Kussebode werfen. In beiden (ehemaligen) Grenzregionen gibt es Probleme aber auch Chancen, z.B. als neuem Wohnort für stadtmüde Bürger aus den Ballungsräumen.

Seitdem der oberfränkische Bürgermeister Michael Pöhnlein in der Dokumentation des Bayrischen Rundfunks "Heimat zu verkaufen" seinem Ministerpräsidenten Markus Söder in der fernen Metropole München sympathisch aber bestimmt die Leviten gelesen hat, gilt der Forstwirt als Politstar aus der Provinz. Auf Druck der ausgebluteten Kommunen an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze investiert Söders Landesregierung mit der "Nordbayern-Initiative" nun Millionen in die Region. Trotzdem: Die Jungen ziehen weg, die Alten sterben weg.

Pöhnleins Gemeinde wehrt sich mit Eigeninitiative gegen das Dörfersterben an der ehemaligen Grenze: Als 2010 der EDEKA-Markt dichtmacht, zeichnen 468 Nordhalbener Haushalte Anteilsscheine eines neu zu gründenden Marktes, kaufen das Gebäude und machen ihren eigenen Supermarkt auf. Sieben Jahre später ist daraus der größte Dorfladen in ganz Bayern geworden, 13 Angestellte und 3 Auszubildende arbeiten heute dort - fast alle aus der Gemeinde.

Der nächste Coup ist ein eigenes Nahwärmenetz mit Heizkraftwerk für 48 Gebäude mitten im Ort. Ein Künstlerhaus im leerstehenden Krämerladen nimmt sich dagegen schon fast unscheinbar aus: Kunstschaffende aus den Metropolen arbeiten hier weit ab vom Schuss - die Kulturelle Landpartie Wendland war mit Ideengeber für das Projekt.

Pöhnlein und seine Mitstreiter wollen, dass etwas passiert auf dem Land - aber zielgerichtet und nicht um jeden Preis. Sie kritisieren das kurzfristige Verbrennen von Fördergeldern in angeblich "innovativen Projekten": Seit Jahrzehnten schreiben die immer gleichen Agenturen aus der Stadt für viel Steuergeld Gutachten und Konzepte für den ländlichen Raum, die - an der Realität vorbeigeplant - nicht selten wirkungslos verpuffen.

All das - und mehr? - soll am Donnerstag, dem 6. Juni, um 19.00 Uhr bei Wendlandbräu in Kussebode nach der Vorführung der 45-minütigen Dokumentation diskutiert werden.

Foto | Angelika Blank: Zahlreich sind die Orte, an denen es genauso trübe zugeht wie hier am Meetschower Deich. Sie stehen in krassem Gegensatz zur immer wiederkehrenden Beschwörung der "Modellregion" Lüchow-Dannenberg, in der es vor Kreativität nur so sprüht.




2019-06-03 ; von asb/pm (text),
in Kussebode, 29459 Clenze, Deutschland

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