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Dorfladen 3.0 - der "Tante Enso" Laden ist eröffnet

Zurück in die Zukunft: Der "Tante Enso Laden" in Schnega verbindet modernen Online-Handel mit dem alten Tante-Emma-Ladenmodell. Möglich wurde dies durch einen Online-Supermarkt, der den Laden nun betreibt. Am Freitag war Eröffnung.

Am Freitag war es endlich soweit: der heiß erwartete "Tante Enso Laden" wurde in der ehemaligen Volksbank in Schnega eröffnet. Beinahe 100 Gäste waren zu diesem Ereignis gekommen - ein deutliches Zeichen dafür, wie sehr eine Einkaufsmöglichkeit in der Nähe der Wohnung ersehnt wurde.

Mit seinen rund 1000 Einwohnern ist Schnega eine Gemeinde wie viele: die Infrastruktur geht immer mehr verloren, die Möglichkeiten, sich in der Nähe des Wohnorts mit Dingen des alltäglichen Lebens zu versorgen, schrumpfen. Zuletzt war es der örtliche Einkaufsmarkt, der schloss.

Eine Initiative aus sechs Frauen und zwei Männern wollte das nicht hinnehmen. „Das darf so nicht bleiben,“ so Edna Heller, eine der Initiatorinnen. Doch wie einen Dorfladen mit all seinen Notwendigkeiten realisieren? Wareneinkauf, Logistik, Buchhaltung, Wartung und Pflege von Geräten und Räumen sowie nicht zuletzt die Aufrechterhaltung von regelmäßigen Verkaufszeiten. Für wenige Ehrenamtliche eine zu große Aufgabe.

Doch dann hörten die Initiatorinnen vom Online-Supermarkt „myenso ", der bereits einen digital verknüpften Dorfladen bei Bremen betreibt.

Rund um die Uhr einkaufen

Das Prinzip: Interessierte Einwohner werden Mitglied der „my enso“-Genossenschaft. Pro Mitglied ist ein Anteil in Höhe von 100 Euro fällig. Dafür haben die Genossen die Möglichkeit, die Ausrichtung mitzubestimmen. Das Risiko ist gering: es beschränkt sich für den Einzelnen auf einen Genossenschaftsanteil von 100 Euro. 

Den Laden betreibt dann Myenso. Das Onlineshopping-Unternehmen zahlt die Miete, übernimmt den Wareneinkauf, die Ladenausstattung und bezahlt zwei Angestellte. Zur Eröffnung wurde der Laden mit rund 3000 Produkten bestückt. Die Kunden, die sich bei der Eröffnung den Laden anschauten, waren mit dem Sortiment zufrieden. Auch die Kundin, die glutenfreie Produkte suchte, wurde fündig.

Und: wenn das gewünschte Produkt im Laden nicht erhältlich ist, kann es "hereingewünscht" oder aus dem Online-Sortiment bestellt werden. 

Foodpioniere und Regionale Helden

Es hatte sich schon herumgesprochen, dass der TanteEnso-Laden mehr zu bieten hat als Grundnahrungsmittel. Umso größer war die Neugier, was es denn nun tatsächlich zu kaufen gibt. Doch durch die Corona-Beschränkungen galt es zunächst, sich in die Schlange einzureihen und auf die Eintrittserlaubnis zu warten.

Das Sortiment im Laden löste dann bei nicht Wenigen Staunen aus. Neben einer breiten Palette von Grundnahrungsmitteln - inklusive Bier und Wein - gab es viel Neues zu entdecken. "Hier gibt es ja vie zu entdecken," war ein Ausruf, der alle paar Minuten zu hören war.

Vor allem die Waren der "Foodpioniere" waren für Viele völlig unbekannt. "Foodpioniere" - das sind Anbieter, die es sich auf die Fahne geschrieben haben, "andere" Produkte herzustellen - ökologisch, gesundund/oder einfach nur schöner verpackt. Hanftee und -samen, Lupinen-"Lughurt", Protein Toastbrot mit Süßlupinenmehl oder Linsenflips, aber auch Bambus-Toilettenpapier und Küchenfolien aus gewachsten Textilien - vieles auch in Bioqualität sind in dieser Sparte zu finden.

Anspruch von Myenso ist es auch, möglichst viele Produkte aus der Region zu verkaufen. So finden sich an zahlreichen Regalen Hinweisschildchen auf die Produkte der "Regionalen Helden". Viele von ihnen sind auch in der Markthalle Dannenberg präsent.

Zuerst große Zweifel

Thorsten Bausch, Marketingchef von Myenso, erzählte, dass es in seiner Firma zunächst große Skepsis auslöste, ob es sinnvoll sei, in so einer abgelegenen Gegend einen Laden zu eröffnen. "Aber die Begeisterung der Begeisterung der Initiativgruppe und das außerordentlich starke Engagement der Einwohner hat uns überzeugt," so Bausch. "Wir entscheiden sehr genau, wo wir einen Supermarkt aufbauen. Entscheidend ist dabei, ob der Ort das will."

Und in Schnega wollten die Menschen einen neuen Dorfladen. Bereits zum ersten Treffen, auf dem die Idee vorgestellt wurde, kamen rund 350 Interessierte. Sehr schnell entschieden sich auch genügend Schnegaer, einen Genossenschaftsanteil zu zeichnen, so dass die von myenso geforderte Mindesteinlage von 30 000 Euro flott erreicht war. Und da die kürzlich ausgezogene Volksbank ihre Räume zur Verfügung stellte, war auch ein ausreichend großer Ladenraum gefunden.  

"Unsere größte Sorge war, wie die alten Menschen im Schnegaer Raum versorgt werden können," so Bürgermeisterin Annegret Gerstenkorn. "Doch dank der aktiven Dorfinitiative, die diese ganze Arbeit auf sich genommen hat, gibt es jetzt diesen neuen Mittelpunkt. Dabei ist er nicht nur eine Einkaufsmöglichkeit, sondern auch eine Möglichkeit, sich zu treffen."

Bei der Eröffnung war überall Freude und Erleichterung zu spüren, dass der Verlust des Lebensmittelladens auf so befriedigende Weise ausgeglichen wird. Auch Michael Röhl, der im Schnegaer Raum insgesamt 34 Jahre einen Lebensmittelladen betrieb, freute sich, dass es weitergeht - zumal seine Tochter Janina im "TanteEnso-Laden" eine Anstellung fand.

Demnächst soll es noch ein Dorfcafé geben, um den Laden noch mehr als Treffpunkt zu etablieren. Aber das müssen die Aktiven aus der Gemeinde selbst organisieren.

Mit der Mischung aus "ganz normalem" Dorfladen mit Angestellten, Post und Bestellmöglichkeit und Digitallösungen für den Rund-um-Uhr-Einkauf sowie die Verknüpfung mit dem Onlineshop haben die Schnegaer einen Dorfladen erhalten, der (zusammen mit dem TanteEnso-Laden in Blender) vermutlich der Modernste in Deutschland ist.

ÖFFNUNGSZEITEN

Mo 8 – 12 Uhr
Di 8 – 12 und 15 – 18 Uhr
Mi geschlossen
Do 8 – 12 und 15 – 18 Uhr
Fr 8 – 12 und 15 – 18 Uhr
Sa 8 – 12 Uhr  

Zu diesen Zeiten ist der Tante Enso-Laden mit Personal besetzt. Ansonsten kann der Laden mit der eigenen Chipkarte betreten werden, diese dient dann auch zur Bezahlung der Einkäufe. Die Sicherheit wird durch mehrere Überwachungskameras gewährleistet

Fotos | Angelika Blank: Die Eröffnung des Tante Enso-Ladens in Schnega wurde am Freitag zu einem bunten Ereignis.






Fotos

2020-10-23 ; von Angelika Blank (text),
in Lange Str. 8, 29465 Schnega, Deutschland

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