Thema: migration

Rückführung von Flüchtlingen droht

Kürzlich trafen die ersten ablehnenden Bescheide bei denjenigen Flüchtlingen ein, die über ein sogenanntes "sicheres" europäisches Drittland nach Deutschland eingereist waren. Ihnen droht nun die Rückführung nach Spanien, Italien oder Frankreich. 

Muhammed A. (Name geändert) ist mit dem Boot aus Syrien geflüchtet. Dass er und seine rund 200 Mitreisenden das europäische Ufer lebend erreichten, hat er dem Internationalen Roten Kreuz zu verdanken, die ihn kurz vor der italienischen Küste von dem kleinen Fischkutter holten - und in ein italienisches Auffanglager brachten. Nach einigen Tagen, die er auf der Straße verbrachte, fand er dann jemanden, der ihn mit dem Auto nach Deutschland brachte. An die Tage in Italien möchte er lieber nicht mehr denken - Bedrohungen, genervte Behandlung durch die Polizei und die Unterbringung in Massenunterkünften machten den Italien-Aufenthalt für ihn nach der lebensgefährlichen Flucht erneut zu einem traumatischen Erlebnis.

So wie Muhammed A. geht es täglich tausenden Flüchtlingen, die aus dem Nahen Osten oder Afrika die lebensgefährliche Reise per Boot antreten. Sie landen in Spanien, Italien oder Griechenland. Wegen der teils unzumutbaren Zustände in den Flüchtlingslagern versuchen sie sich oft weiter nach Nordeuropa durchzuschlagen.

Doch bereits 2003 wurde in dem sogenannten Dublin-III-Abkommen festgelegt, dass Flüchtlinge ihr Asylverfahren in demjenigen "sicheren" Europäischen Land führen müssen, in dass sie zuerst eingereist sind. Zu den Ländern, die das Abkommen damals unterzeichnet haben, gehören eben u.a. auch Italien, Spanien, Frankreich und Griechenland.

Erste Rückführungen drohen auch Lüchow-Dannenberger Flüchtlingen

Nun trafen auch bei einigen Flüchtlingen, die in Lüchow-Dannenberg untergebracht sind, die ersten Bescheide ein, in denen ihnen mitgeteilt wurde, dass sie in ihr Erst-Einreiseland zurückkehren müssen. In einem Fall führte dies dazu, dass der (aus dem Iran stammende) Flüchtling wegen akuter Selbstmordgefahr in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht werden musste.

Grundsätzlich können die Flüchtlinge gegen die Rückführungsbescheide Klage einreichen oder um Aussetzung der Rückführung bitten. Doch die Rechtslage sieht nicht gut aus: Zwar haben inzwischen zwei Oberverwaltungsgerichte in sogenannten "Dublin-Verfahren" entschieden - aber bedauerlicherweise kamen die jeweiligen Richter zu gegenteiligen Einschätzungen. Während das OVG Münster im März 2012 noch Rechtsschutz für Rückführungen nach Italien gewährte, entschied das OVG Lüneburg im Januar 2014, dass dieser Rechtsschutz eben nicht bestehe.

Verschärfend kommt hinzu, dass die Bescheide meist mit einer sogenannten "sofortigen Vollstreckbarkeit" ausgestattet sind, so dass die Klage zwar eingereicht werden kann, aber nicht verhindert, dass abgeschoben wird. 

Flüchtlingsinitiativen und Grüne schlagen Alarm

Es liegt nun an der Bundesregierung, Klarheit zu schaffen. Doch tut sich dort nach ersten Anfragen bei Bundestagsabgeordneten bisher nichts. Auch das Land Niedersachsen sieht offenbar keinen Bedarf, sich für Veränderungen im Umgang mit Dublin-III-Rückführungen einzusetzen. Im Gegenteil: erst vergangene Woche wurde ein palästinensischer Flüchtling, Mosatem N., aus der Psychiatrie abgeholt und nach Polen gebracht. Auch er war wegen akuter Selbstmordgefahr in die Klinik eingewiesen worden.

Erst kürzlich hatten Vertreter des Niedersächsischen Innenministeriums der taz gegenüber geäußert, dass man "keinerlei Handlungsbedarf, sich auf Bundesebene für Korrekturen der EU-Dublin-Verordnungen einzusetzen" sehe. Für die Dublin-III-Verfahren sei außerdem ausschließlich das Bundesamt zuständig, das Land könne in die Verfahren nicht eingreifen.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen und auch die Grünen im Landtag verurteilen dieses Vorgehen.

„Das Hin- und Herschieben von jährlich Zehntausenden von Flüchtlingen zwischen den EU-Staaten ist menschenunwürdig und widerspricht dem Gedanken eines gemeinsamen europäischen Schutzraums für Asylsuchende," so die migrationspolitische Sprecherin der Grünen, Filiz Polat. "Die Dublin-Verordnung gehört auf EU-Ebene abgeschafft. Bis dahin unterstützen wir die Forderung nach Aussetzung der Dublin-Überstellungen und einer diesbezüglichen Gesetzesinitiative auf Bundesebene.“

Gleichzeitig wollen die Grünen auf Landesebene alle rechtlichen und politischen Wege prüfen, um Dublin-Flüchtlingen, die sich bereits in Niedersachsen aufhalten, eine Abschiebung in einen anderen EU-Staat zu ersparen.

Im Fall von Mosatem N. hat dies allerdings nichts genützt, er wurde nach Polen geschickt. Seine ebenfalls selbstmordgefährdete Frau blieb in Deutschland zurück. Es bleibt abzuwarten, ob den in Lüchow-Dannenberg untergebrachten Flüchtlingen und dem in der Uelzener Psychiatrie sitzenden Iraner ein ähnliches Schicksal erspart bleibt.

 




2014-03-25 ; von Angelika Blank (autor),
in Lüchow-Dannenberg, Deutschland

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