"Ehrenhain" heißt jetzt "Kriegsgräber- und Gedenkstätte Alter Friedhof"

Eine feierliche Gedenkstunde an der Kriegsgräber- und Gedenkstätte Alter Friedhof in Gartow setzte am Volkstrauertag einen Schlusspunkt unter eine langwierige Auseinandersetzung über Formen des Gedenkens an die Opfer des zweiten Weltkrieges.

Über ein Jahr nach der Umbettung von 13 Kriegstoten im Jahr 2012 auf dem damals noch genannten Ehrenhain regte sich in Gartow einerseits massive Kritik an der Integration der Überreste von polnischen und russischen Kriegsgefangenen in die Kriegsgräberstätte für Wehrmachtssoldaten. Andererseits erregte der Spruch auf der Rückseite des Jahrzehntelang dort stehenden Kreuzes für Ärger. " Euer Opfergang heißt Ehr und Ruhm. Unser Opferdank ein Heiligtum " wurde zunächst Nazi-Propagandaminister Heinrich Goebbels zugeschrieben, was aber im Verlaufe der Diskussion revidiert werden musste.

Eine Arbeitsgruppe beschäftigte sich über ein Jahr damit, wie eine Würdigung der Kriegstoten ohne Würdigung von nationalsozialistischer Ethik aussehen könnte. Die Zerstörung des Holzkreuzes durch Unbekannt im April vergangenen Jahres sorgte dann erneut für Wirbel. Die Arbeitsgruppe sah ihre Arbeit entwürdigt und in Frage gestellt. Doch letztendlich einigte man sich auf die Neuaufstellung des Kreuzes ohne die fragwürdige Inschrift und die Umbenennung des "Ehrenhains" in "Kriegsgräber- und Gedenkstätte / Alter Friedhof". 

Bei der Andacht zur Aufstellung des Kreuzes   am Freitag vor dem Volkstrauertag gestand der R egionalbischof Dieter Rathing ein, zu der Geschichte gehöre „die beschämende Erinnerung, dass dieses Zeichen in seiner christlichen Geschichte immer wieder auch missbraucht worden ist.“ Dennoch bleibe es das gute Zeichen des Christentums, gerade weil es auch Gedanken von Scham und Trauer, von Demut und Selbstkritik herausfordere. So möge auch das neue Kreuz an der Gedenkstätte „Gedächtnis an Leidende, Solidarität mit menschlicher Not, Trost für Opfer und Mahnung gegen Gewalt“ sein.

In diesem Sinne wies Pastor Eckhard Kruse darauf hin, der Alte Friedhof solle als Lernort dazu beitragen, dass auch Einzelschicksale sichtbar werden. Konfirmanden hätten ihn auf dem Alten Friedhof gefragt: „Warum steht auf dem Stein am Eingang eine Tabelle?“ Pastor Kruse gab ein Beispiel dafür, wie die im Ersten Weltkrieg allgemein verordnete „Kriegsbegeisterung“ von einzelnen in Frage gestellt wurde. „Vielleicht werden wir in unserem Urteilen über frühere Generationen ein wenig demütiger, wenn wir uns einzelner Menschen aus den Weltkriegen erinnern.“

Als Vertreter der Gemeinde Gartow führte Hans-Udo Maury unter dem Thema „Unter jedem Grabstein liegt eine Weltgeschichte“, einem Satz von Heinrich Heine, aus, dass dieses für Menschen gilt, die das Glück hatten, n ach einem satten Leben, alt, quasi vom Leben müde hier auf dem „Alten Friedhof“ begraben zu sein. Das Gedenken soll auch all denen gelten, die nicht alt starben, die ihr Leben noch nicht gelebt hatten. Menschen, die im Krieg starben, die Opfer des Krieges wurden. Unter jedem Grabstein – wenn Sie denn einen Grabstein haben – eine ganze Welt? – Nein, wohl eher Träume, Wünsche, Ziele. Unter jedem Grabstein ein nicht fertig gelebtes Leben. Ein vermeidbarer Tod!

"Auf der Kriegsgräber- und Gedenkstätte / Alter Friedhof ruhen unter anderem der 17-jährige deutsche Soldat, der russische Kriegsgefangene und die nach Deutschland verschleppte Fremdarbeiterin nebeneinander," so Samtgemeindebürgermeister Christian Järnecke in einer Mitteilung. "Sie alle eint, in den Strudel eines sinnlosen Krieges hinein gerissen und darin umgekommen zu sein." Man spreche von „Stolpersteinen“, die auch auf dieser Gedenkstätte zu finden seien, so Järnecke weiter. "Aber jeder dieser Steine hat eine Geschichte und ein Gesicht."

Gedenktage wie Denkmale bringen zum Ausdruck, welche Ereignisse und Erfahrungen unserer Geschichte wir im Bewusstsein auch künftiger Generationen bewahren und als Lernort lebendig halten wollen. Im kommenden Jahr sollen eine Übersichtstafel sowie voraussichtlich zwei Informationstafeln erstellt werden, welche exemplarisch Biografien von zwei Kriegstoten darstellen.

Letztlich wird eine Dokumentation ausgearbeitet werden, welche sich mit allen geschichtlichen Hintergründen der Entstehung und Weiterentwicklung dieses Lernortes auseinandersetzt. Eine Fertigstellung wird allerdings mehrere Jahre in Anspruch nehmen, so Järnecke. Eine Zusammenfassung soll nach Möglichkeit in der Gartower Chronik dargestellt werden.

 


2014-11-21 ; von asb (autor), pm (autor),
in Buchhorst, 29471 Gartow, Deutschland

 

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