Landplage: Landkreis versucht eigene Wege

Die vielen roten Flecken auf der Lüchow-Dannenberg-Karte belegen eines eindeutig: der Eichenprozessionsspinner ist längst kein "lokal begrenztes" Problem mehr, wie es Bund und Land den betroffenen Gemeinden gerne weismachen möchten. Der Landkreis Lüchow-Dannenberg will nicht länger warten und hat begonnen, eigene Schutzmaßnahmen einzuleiten.

Selbst Verwaltungsfachleute verirren sich bei den Versuchen, eine effektive Bekämpfungsmöglichkeit gegen den Eichenprozessionsspinner genehmigen zu lassen, im Dickicht der Zuständigkeiten. Neben der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt sind in Sachen EPS auch noch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, das Pflanzenschutzamt der Landwirtschaftskammer, obere und untere Naturschutzbehörden bei Land und Landkreis, die untere Waldbehörde, die Ordnungsämter in Landkreis und Samtgemeinde, Gesundheitsämter und und und ... beteiligt. (siehe auch wnet-Artikel "Giftraupe auf Siegeszug - Bürokratie duckt sich weg" ).

Auch der Kreisverwaltung in Lüchow ist das Bürokratie-Dickicht zu dicht und unüberschaubar. "Wir gehen jetzt eigene Wege, auch wenn wir uns womöglich stellenweise in einer rechtlichen Grauzone bewegen," so Baudirektor Jürgen Weinhold am Donnerstag in einem Pressegespräch. Denn die Genehmigung eines Bekämpfungsmittels für den Gesundheitsschutz könnte sich noch bis 2014 hinziehen, wie Weinhold am Donnerstag mitteilte.

2012 - die kleinen Biester breiten sich weiter aus

Im vergangenen Frühjahr waren nicht nur große Bereiche im Gartower Raum betroffen - Gemeinden im gesamten Landkreis mussten sich kurzfristig mit "verseuchten" Schul- und Kindergarten-Plätzen, Sportstätten oder Radwegen beschäftigen (siehe Karte). "Überregionale Karten zeigen, dass sich der EPS im gesamten Bundesgebiet weiter ausbreitet," so Weinhold am Donnerstag bei einem Pressetermin.

Angesichts der unklaren Genehmigungslage für den Einsatz von Bekämpfungsmitteln zum Gesundheitsschutz, griffen Gemeinden zur Selbsthilfe und sorgten wenigstens an den gefährlichsten Stellen für eine Minimierung des Problems.

Eine Befragung bei elf Arztpraxen ergab, dass sich letztes Jahr 225 Patienten wegen gesundheitlicher Probleme durch den Eichenprozessionsspinner behandeln lassen mussten, 34 von ihnen wurden arbeitsunfähig geschrieben, drei Patienten mussten gar einige Tage im Krankenhaus verbringen. Darüber hinaus mussten (geschätzt) tausende Einwohner und Touristen juckende Pusteln oder Rötungen aushalten

Doch sowohl das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als auch die Landesregierung sahen keinen Handlungsbedarf, da es sich nach ihrer Ansicht "nur um ein regional begrenztes Problem" handle. Dabei erfuhr nicht nur Baudirektor Weinhold auf einer Fachtagung des Niedersächsischen Landkreistages (NLT) im November 2011, dass es massive Probleme mit dem Eichenprozessionsspinner in mehreren Bundesländern gibt. Die Untätigkeit der Landesregierung veranlasste den Landkreistag zu der Forderung, dass das Land endlich ein koordiniertes Vorgehen gegen die Raupe organisieren müsse. "Die Länder müssen dafür sorgen, dass ein verlässliches Mittel zum Gesundheitsschutz zugelassen wird," erklärte damals Prof. Dr. Hubert Meyer, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des NLT.

2013 - der Landkreis will nicht länger warten


Nun ist es Januar - und die nächste "EPS-Saison" droht im April das Land erneut in Bedrängnis zu bringen. "Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Population zusammenbricht," dämpfte Weinhold die Hoffnung von Forstleuten, dass die Giftraupen nach einigen Jahren "Überbevölkerung" wieder verschwinden würden.

Da weder Bund noch Land bisher signalisiert haben, die Probleme der EPS-betroffenen Regionen ernst nehmen zu wollen, hat der Landkreis nun beschlossen, eigene Wege zu gehen. "Die Koordination von der Bundes- bis zur Gemeindeebene ist weiterhin außerordentlich unbefriedigend," so Weinhold. "Wir fühlen uns von Bund und Land bei der Planung von Bekämpfungsmaßnahmen im Stich gelassen."

Verschärfend kommt hinzu, dass der Hersteller des einzigen für die Befliegung geeigneten Bekämpfungsmittels (DIPEL ES) bisher keinen Antrag auf Zulassung im Bereich Gesundheitsschutz gestellt hat. Deshalb stehen bis auf weiteres nur Mittel zur Verfügung, die lediglich vom Boden aus aufgebracht werden dürfen. "Wir können nicht länger warten und uns im Zuständigkeitswirrwarr verlieren," so Weinhold. "Wir müssen jetzt Entscheidungen treffen."

Ab April soll bekämpft werden - Ausschreibung wird vorbereitet

Durch eine Befragung aller Bürger im vergangenen Jahr hat der Landkreis bereits eine weitgehende Übersicht über den Umfang des EPS-Befalls. Auf dieser Grundlage wird derzeit gemeinsam mit der Landesstraßenehörde für Verkehr (Lüneburg) eine Ausschreibung vorbereitet, die geeignete Firmen aufrufen soll, Angebote für eine flächendeckende, schnelle Bekämpfung vom Boden aus abzugeben. "So können wir im Frühjahr schnell reagieren, wenn die Raupen wieder aktiv werden," kündigte Weinhold an.

Zunächst sollen die betroffenen - öffentlichen - Flächen an Schulen, Kindergärten, Buswartehäuschen und viel befahrenen Wegen von den Raupen befreit werden. Aber auch Privateigentümer, die bereits im letzten Jahr unter dem Eichenschädling gelitten haben, können sich bereits jetzt an die Ordnungsämter bei den Samtgemeinden wenden und dort einen eventuellen Bekämpfungsbedarf auf ihren Flächen anmelden. "Diese Voranmeldung dient nur dazu, möglichst frühzeitig der beauftragten Firma präzisere Angaben über den tatsächlichen Umfang der Arbeiten machen zu können. Dadurch entsteht keine Verbindlichkeit." ergänzte der Fachdienstleiter des Ordnungsamtes Christian Schlenker, neben Ernst-August Schulz (FDL Wasserwirtschaft) und Franz-Josef Guckeisen (FDL Naturschutz) Mitglied einer beim Landkreis eingerichteten Arbeitsgruppe "EPS-Bekämpfung".

Durch die gemeinsame Beauftragung eines Unternehmens kann der Landkreis den Privateigentümern anbieten, dass sie für einen Preis von "deutlich unter 20 Euro" pro Baum an der Bekämpfungsmaßnahme teilnehmen können. Nicht nur deswegen ruft Christian Schlenker betroffene Grundstückseigentümer auf, sich zu beteiligen: "Jeder Baum, der befallen ist und an dem die Raupe nicht bekämpft wird, ist eine Keimzelle für neuen Befall bei den Nachbarn." Es sei ein "Akt der Solidarität", die Raupen an den eigenen Bäumen bekämpfen zu lassen.

Sobald die kleinen Lästlinge sich bemerkbar machen - voraussichtlich im April - soll mit der Bekämpfungsmaßnahme begonnen werden. Dann sollen möglichst viele Raupen "erwischt" werden, bevor sie sich verpuppen und dann mit erheblich höherem Aufwand und weitaus höheren Kosten von den Bäumen abgesaugt werden müssen.

Über ein Bürgertelefon sollen dann in der "heißen Phase" die Betroffenen, ob Bürger, Eigentümer oder Tourist beraten und informiert werden.

Parallel zu der konkreten Bekämpfung arbeitet die Kreishaus-interne Arbeitsgruppe "EPS-Bekämpfung" weiter daran, bei Bund, Land und den einschlägigen Behörden eine Klärung der Genehmigungslage einzufordern.

Grafik:
Landkreis Lüchow-Dannenberg / Jürgen Weinhold ... Die roten Flecken und Linien zeigen die Verteilung der im Jahre 2012 vom Eichenprozessionsspinner befallenen Flächen im Landkreis Lüchow-Dannenberg auf .







 




2013-01-10 ; von Angelika Blank (autor),
in Lüchow-Dannenberg, Deutschland

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