Das Gorleben Archiv plant in Zusammenarbeit mit dem Institut für Didaktik der Demokratie (IDD) an der Leibniz Universität Hannover sowie dem Historischen Museum Hannover ein Ausstellungsprojekt mit begleitendem Veranstaltungsprogramm.
Thema sind die Geschichte und gesellschaftliche Bedeutung des „Gorleben-Trecks“, der sich im Frühjahr 2019 zum 40. Mal jähren wird. Der inzwischen legendäre Protestzug der wendländischen Bauern nach Hannover war ein wichtiger Impulsgeber und Motor des Gorleben-Widerstands. Er steht für den Beginn einer der bedeutendsten Protestbewegungen der deutschen Nachkriegsgeschichte, die bei vielen Menschen zu Veränderungen im Demokratieverständnis geführt und sich auch überregional in der Atompolitik und Rechtsprechung niedergeschlagen hat. Das reicht vom Atomausstieg und der gesetzlichen Neuregelung der Endlagersuche bis hin zur Etablierung von Formen des zivilen Protests.
Zur Erinnerung: Aus Protest gegen das in Gorleben geplante Nukleare Entsorgungszentrum (NEZ), das u.a. eine Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) und ein Atommülllager vorsah, startete am 25. März 1979 in Lüchow-Dannenberg ein Konvoi mit etwa 350 Traktoren in Richtung Hannover. Am 28. März kam es zur teilweisen Kernschmelze im Atomkraftwerk Three Mile Island bei Harrisburg. Diese Nachricht mobilisierte zahlreiche Menschen, sich dem Treck anzuschließen. Am 31. März 1979 erreichte der auf über 500 Traktoren angewachsene Protestzug Hannover, wo er von etwa 100.000 Menschen empfangen wurde. Es war die bis dahin größte Anti-Atom-Demonstration in Deutschland. Auf ihrer Kundgebung forderten die Lüchow-Dannenberger Landwirte den damaligen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht direkt auf, die Pläne für das NEZ in Gorleben aufzugeben. Eine Woche später erklärte Albrecht die WAA im Wendland für politisch nicht durchsetzbar.
Zwei Ausstellungen – ein Thema
Zum 40-jährigen Jubiläum soll dieses markante Ereignis der niedersächsischen Zeitgeschichte in zwei Ausstellungen – auf sehr unterschiedliche Weise – beleuchtet werden. Geplant ist im Historischen Museum Hannover eine Sonderausstellung mit dem Titel „Trecker in Hannover – Gorleben und die Bewegung zum Atomausstieg“, für deren Realisierung das Gorleben Archiv umfangreiches Material und viele Exponate zur Verfügung stellt. Etwa zeitgleich findet unter dem Titel „Der Gorleben-Treck – 40 Jahre danach“ auch im Wendland eine Ausstellung statt.
Sie ist so konzipiert, dass sie im Anschluss an ihre Präsentation im Lüchower Kreishaus als Wanderausstellung durch die Republik reisen kann.
In dieser vom Gorleben Archiv gestalteten Wanderausstellung stehen die sehr persönlichen Erinnerungen, Erfahrungen und Sichtweisen der Menschen aus dem Wendland im Mittelpunkt – basierend auf einer großen Zahl von Zeitzeugen-Interviews und ergänzt durch historische Fotos, Filme und Dokumente. Dabei geht der Blick zurück, aber auch in die Gegenwart und nach vorne.
Teil der Ausstellung wird auch (in Ausschnitten) der Film "Das machen die Herren selber, dass ihnen der arme Mann feindt wird" der Wendländischen Filmkooperative sein. In Interviews mit Protagonisten von damals erfährt man, was aus ihnen geworden ist und wie der Treck nach Hannover sich auf ihr späteres Leben ausgewirkt hat.
Welche Bedeutung hatte der Treck für die wendländische Protestbewegung? Wie hat sich durch den Gorleben-Widerstand die Region verändert – politisch, ökologisch, sozial, kulturell? Was war ausschlaggeben dafür, dass sich dieser abgelegene, strukturschwache und früher erzkonservative Landkreis quasi zu einer Modellregion gesellschaftlichen Engagements gewandelt hat? Stimmt das überhaupt? Und wie wird es mit dem Atommüll weitergehen?
Gorleben-Widerstand und Demokratiegeschichte
Anlass für unser Vorhaben war nicht nur das bevorstehende Jubiläum. Tatsächlich geht die Idee für das Projekt auf einen Vorschlag von Wissenschaftlern der Uni Hannover zurück. So wie sie befassen sich immer mehr Historiker und Politikforscher mit der Bedeutung sozialer Bewegungen für die Entwicklung des demokratischen Systems. Die Anti-Atom-Bewegung, speziell der Gorleben-Konflikt, spielen dabei eine wichtige Rolle. Und so geht es in den beiden Ausstellungen neben einer historischen Betrachtung des Gorleben-Trecks und seinen Folgen auch um den Zusammenhang von Protestbewegung, Demokratieentwicklung und politischer Teilhabe. Gleichzeitig soll das Projekt das Bewusstsein schärfen für eine der großen Herausforderungen zukünftiger Generationen – den verantwortlichen Umgang mit dem Atommüll.
Beide Ausstellungen – in Lüchow und in Hannover – werden ab Ende März 2019 zu sehen sein.
Fotos: Roswitha Ziegler