„Mit Gottes Hilfe“ hat der Lüchower Hotelier und Investor Volker
Langbehn es geschafft, aus dem völlig maroden Lüchower E-Werk in der
Seerauer Straße ein echtes Kleinod
zu formen. Jetzt können Kulturinteressierte, Freischaffende und Klettwerwütige das 95 Jahre alte Gebäude nutzen.
Es ist die erfolgreiche Umsetzung einer visionären Idee, die
zahlreiche Ehrengäste kürzlich in Augenschein nehmen
durften. Aus dem abrisswürdigen, beinahe 100 Jahre alten Industriebau mit
faszinierend schönen Sprossenfenstern wurde ein ebenso charmantes wie
modernes, multifunktionales Kultur-Kraftwerk - das seine
Herkunft nicht verleugnet, sondern behutsam, aber höchst
aufwendig wachgeküsst wurde.
„Wir haben das Kraftwerk nicht pompös,
sondern schlicht ausgerichtet - allerdings handwerklich hervorragend.
Experten hatten uns vorher bescheinigt, dass ein Wiederaufbau nicht
möglich sei“, erläutert Langbehn. Das Gebäude stand
neun Jahre lang leer, wies zahlreiche Frostschäden auf, das Dach war
kaputt. Und dann seien da ja noch die bekannten schlechten Vorbilder -
Großprojekte, die deutschlandweit für Negativ-Schlagzeilen sorgten: Die
Elb-Philharmonie, Stuttgart 21, der Berliner
Flughafen.
In Lüchow allerdings haben die beteiligten Firmen wahrlich ganze Arbeit geleistet. „Die vergangenen 22 Monate waren schwierig“, bekennt Volker Langbehn während der Begrüßung: „Aber wir haben es mit Gottes Hilfe geschafft“, freut sich der bekennende Baptist. „Wir haben nichts unreguliert gelassen an dem Objekt. Der gesamte Außenbereich wurde aufwendig erneuert, der gesamte Fußboden wurde erneuert, das Dach sowieso“. Fotos aus der Bauphase belegen eindrucksvoll: Zwischenzeitlich sah es im Inneren aus wie in einer Wüste. Und der Denkmalschutz hatte immer ein gewichtiges Wörtchen mitzureden.
22 Monate harte Arbeit
Viel musste komplett von Hand erledigt werden: Decken abschleifen, Putz abschlagen, Schächte vorsichtig ausheben. Mit 1,60 Metern
großen Sägeblättern wurden Türen in die dicken Wände geschnitten. Das
Dach musste vorher eine Deckenlast von 35 kg
pro Quadratmeter aushalten, jetzt sind es nur noch 13.
Das Mauerwerk wurde mit Glasperlen sandgestrahlt. Sand wäre zu aggressiv
gewesen. „Und das Aufarbeiten der alten Glasfenster war teurer, als
neue Fenster nachbauen zu lassen“, merkt Langbehn an. Ein Indiz für
handwerklich herausragende Arbeit ist der jetzige
sensationell niedrige Energieverbrauch. Isoliert werden konnte das alte
Mauerwerk nicht, aus denkmalpflegerischen Gründen. Also galt es, alle
Windlöcher zu stopfen und die alten gegossenen Fenster behutsam zu
modernisieren. Selbst das alte Glas musste aufwendig
grundgereinigt werden.
Aber es hat sich gelohnt. „Man darf den alten
Charme ja nicht ganz wegrationalisieren“, meint Langbehn. Der Vorteil der Komplettsanierung des Fußbodens: „Alles wird inzwischen
fußbodenbeheizt. 10.000 Kubikmeter Raumvolumen müssen im Kraftwerk
beheizt werden. Zum Vergleich: Eine normale Drei-Zimmer-Wohnung von 100
Quadratmetern weist bereits 250 Kubikmeter Raumvolumen
auf.
Das „Kraftwerk“ entspricht also 40 Drei-Zimmer-Wohnungen. „Und wir benötigen lediglich 40 Kubikmeter Gas pro Tag - das ist sensationell wenig“, freut sich Langbehn im wirklich angenehm temperierten Kraftwerk. „Das Gebäude gehört für mich zur Lüchower Stadtkultur einfach dazu, ich wollte es gerne erhalten wissen“, bekennt Langbehn zu seinen Motiven, das 95 Jahre alte Gebäude zu erhalten. Langbehns haben die gesamte Investitionssumme von rund einer Million Euro ohne einen Cent an Zuschüssen selbst gestemmt.
Ein freier Raum für Kultur, Arbeit und Sport
Bürgermeister Manfred Liebhaber lobte: „Was Sie geleistet haben, ist gar
nicht in Worte zu fassen. Solche Unternehmer wie Sie braucht das Land.
Alles, was Sie angefangen haben, ist etwas geworden!“
„Kultur hat auch etwas mit Wirtschaftskraft zu tun“, so Langbehn. „Man
muss ja seine Freizeit auch positiv gestalten können. Dies ist für
Menschen, die in den Landkreis ziehen wollen, ein wichtiges Argument“.
Hier können nun Theaterstücke aufgeführt werden oder Lesungen,
Chorproben und Konzerte, und und und... „So ein Objekt lebt von vielen,
die hier ihre Ideen einbringen“, so Langbehn. „Aber kein Heavy Metal“,
schränkt der Unternehmer lächelnd ein.
Und sportlich können sich alle Interessierten an der Kletterwand versuchen. Dazu am Ende mehr.
Immerhin hat Langbehn nun auch rund 400 Quadratmeter an sanierter
Bürofläche zu vergeben, fünf Seminarräume und drei Büros, etwa für junge
Start-up-Unternehmen.
Im Inneren herrscht ein angenehmes Raumklima - auch ohne künstliche Belüftung. „Altbauten atmen ganz anders als Neubauten“, lobt etwa Torsten Petersen. Gekalkte Wände sorgen für kühles Ambiente im Sommer, im Winter ist es kuschelig warm.
Schwierigkeitsgrad 8 an der Kletterwand
Das nun so umfassend sanierte Gebäude ist exakt 95 Jahre alt. Herzstück
ist eine hochmoderne 12,50 Meter hohe Kletterwand mit 27 Routen in
unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Volker Langbehn ist selber
aktiver Kletterer. Lüchow bietet als höchsten den Schwierigkeitsgrad
8 (auf einer internationalen Skala bis 12), eine schwierige Route mit
Überhang von 2,20 Metern.
Zum erlernen von Techniken gibt es zusätzlich eine sogenannte Boulderwand.
Bereits ab Mitte Mai können Interessierte die Kletterwand nutzen - von
montags bis freitags von 16 bis 20 Uhr, samstags von 13 bis 17 Uhr. Der
erste Kletterkurs wird nun ebenfalls angeboten. Er findet statt am
Dienstag, 19. und am Donnerstag, 21. Mai, jeweils
um 15 Uhr. Der Kurs umfasst zweimal drei Stunden. Im Preis von 75 Euro
inbegriffen ist der Eintritt, das Leihen der Kletterausrüstung, der
Trainer sowie die Prüfung und ein Zertifikat. Die Kurse werden ab dann
14-tägig stattfinden, später auch wöchentlich.
„Und ab Mitte Juni können wir auch Klettern für Kindergeburtstage
anbieten“, freut sich Langbehn. Infos: www.kraftwerk-luechow.de
Foto / Björn Vogt: Eine 12,50 m hohe Kletterwand mit 27 Routen ist das Herzstück der neuen Kulturhalle in Lüchow.