Endlager für Atommüll - ist ein Neuanfang in Sicht?

Still ruht der See in Sachen Endlager für nuklearen Abfall. Seit Wochen ist nichts zu hören von weiteren Gesprächen über ein geplantes Endlagersuchgesetz.

Für Gorleben-Gegner ist dieses "unheimliche Schweigen" (BI) ein mögliches Indiz dafür, dass der Verzicht auf ein atomares Endlager in Gorleben auf dem Altar parteistrategischer Interessen geopfert werden könnte. Oder gibt es tatsächlich einen Neuanfang? Wohin geht die Reise bei der Suche nach einem neuen Atommüllendlager? Die Bürgerinitiative Umweltschutz fordert eine genaue Fehleranalyse und Bürgerbeteiligung vor einem neuem Endlager-Suchverfahren.

Während sich der Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestages mit der geplanten Vernehmung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag, 27. September um 10 Uhr dem Ende zuneigt, „basteln Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) und seine Amtsvorgänger Sigmar Gabriel (SPD) und Jürgen Trittin (Grüne) an einem neuen Endlagersuchgesetz", wie die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) befürchtet.

Am Donnerstag, wenn die frühere Umweltministerin Angela Merkel vor dem Gorleben Untersuchungsausschuss vernommen wird, geht es vor allem um ihre Zeit als Umweltministerin in Niedersachsen. Hat Angela Merkel die Öffentlichkeit vorsätzlich getäuscht, wie dies die Linke im Untersuchungsausschuss behauptet hat, als Merkel am 28.08.1995 die Studie zu Ersatzstandorten für nukleare Endlager vorgestellt hat?

"Gorleben bleibt erste Wahl" ...

so die Überschrift ihrer damaligen Pressemitteilung, obwohl in der Salz-Studie, die Merkel selbst der Öffentlichkeit vorgestellt hat, Gorleben mit keinem Wort erwähnt worden war. Den Autoren der Studie war eindringlich mit auf den Weg gegeben worden, Gorleben nicht mit zu untersuchen und auch keinerlei Vergleiche mit dem Gorlebener Salzstock anzustellen, da dieser ja bereits viel intensiver untersucht sei und sich ein Vergleich von daher verböte.

Auf die Frage, warum denn diese Überschrift gewählt wurde, konnte der Untersuchungsausschuss bisher nur unzureichende Antworten finden. Der unter Merkel damals im Umweltministerium zuständige Referatsleiter Dr. Manfred Bloser betonte bei seiner Vernehmung am 9. Februar 2012, dass er zwar für die Inhalte der Pressemitteilung zuständig gewesen sei, die Überschrift „Gorleben bleibt erste Wahl", käme aber nicht von ihm, die wäre ja auch sachlich nicht zutreffend. Die müsse irgendwie auf dem Weg nach oben dort hinein gekommen sein.

Auch Gerald Hennenhöfer, Merkels damaliger wie heutiger Abteilungsleiter in Sachen Atom, bestritt bei seiner Vernehmung am 13. September diesen Jahres, an der Überschrift beteiligt gewesen zu sein: „Diese Formulierung kommt nicht aus unserer Fachabteilung."

Deutlicher wird der Hintergrund für die gewählte Überschrift durch einen handschriftlichen Vermerk von Merkels damaligem Staatssekretär Jauck. Dieser hatte erhebliche Bedenken mit der Veröffentlichung der Studie und vermerkte mit roter Schrift auf einem Brief von Dr. Bloser an die Ministerin:

1)„Auf Anfrage teilt mir AL RS (Abteilungsleiter Reaktorsicherheit Hennenhöfer) mit, daß die Entwürfe des Berichts zugeleitet wurden an BMWi und BMWF. AL RS hofft, daß die Sache den Kreis der Gesprächsteilnehmer nicht verlässt."

2)„Da es aber in Bonn nicht auszuschließen ist, habe ich Frau Sahler (Pressesprecherin von Merkel) wegen einer Offensivpressestrategie gesprochen. Frau Sahler steht auch in Kontakt mit AL RS."

Mit der Offensiv-Pressestrategie sollte offenbar dem bereits im Vorfeld entstandenen Druck entgegengewirkt werden, ist sich Wolfgang Ehmke sicher. Bürgermeister, Abgeordnete und Ministerpräsidenten waren Sturm gelaufen gegen die Nennung von neuen Atommüllstandorten in ihren Regionen. „Um also den zu erwartenden unangenehmen Fragen der Journalisten zu den in der Studie genannten untersuchungswürdigen Standorten den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat die damalige Umweltministerin Merkel einfach gesagt: „Gorleben bleibt erste Wahl", um damit zu signalisieren: „Ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen, bei Euch wird schon keine Atommülllagersuche stattfinden, denn wir werden weiterhin nur in Gorleben buddeln, die Standortstudie wurde nur vorsorglich gemacht", folgert die Bürgerinitiative Umweltschutz.

Im Untersuchungsausschuss wurde festgestellt, dass der Gorlebener Salzstock, wenn er mit den anderen Salzstöcken verglichen worden wäre, niemals in die engere Wahl der untersuchungswürdigen Standorte gekommen wäre.

Und dieses ungewollte Ergebnis der Salzstudie durfte damals nicht an die Öffentlichkeit kommen, weil dann die ganze Mühe und das Geld in Gorleben vergeblich gewesen wären, vermutet Wolfgang Ehmke, Sprecher der BI

Dies bestätigte auch der Geologe Dr. Detlef Appel im Gorleben Untersuchungsausschuss am 10. November 2011, er sagte: „Bei dem Kriterienansatz, der eingeflossen ist in dieser Studie von 1995, würde Gorleben nicht zu den Untersuchungswürdigen Standorten gehören."

Und selbst einer der Autoren der BGR-Salzstudie, Dr. Paul Krull, hat im Untersuchungsausschuss am 26. April 2012 über seine Salzstudie gesagt: „Und wenn Sie mich heute so fragen, und ich würde die Daumenschrauben angesetzt kriegen und sollte diesen Vergleich machen, dann würde ich sagen: Sicher würde Gorleben nicht die Farbe Grün bekommen, aber die Farbe Gelb."

"...sonst zünden wir die Region an..."

„Keine Diskussion über alternative Standorte, sonst zünden wir die Republik an": So hatte es CSU-Politiker Max Straubinger 2010 zur geplanten Suche alternativer Standorte zu Gorleben verkündet. So oder so ähnlich wurde das Thema in den vergangenen 30 Jahren überall in der Republik gesehen. Und Gerald Hennenhöfer, Abteilungsleiter im Umweltminsterium damals unter Umweltministerin Merkel und auch heute wieder, berichtet als Zeuge am 13. September 2012, über die Pressekonferenz 1995 zu den Ersatzstandortstudien, im Untersuchungsausschuss: „Der Sturm der Entrüstung, der wurde doch erwartet von allen Regionen, die benannt worden sind (...) und später hat die Bundespost viel Geld verdient, weil wir Wäschekörbe voll Post bekamen."

Auf die Standorte aus den insgesamt drei BGR-Studien wird Umweltminister Altmaier nun wohl doch zurück kommen, mit all der Unruhe, die Merkel 1995 noch vermeiden wollte. Neben der Salzstudie hatte die BGR bereits 1994 eine Kristallin-Studie veröffentlicht, in der mögliche Atommüllendlagerstandorte im Gneis und Granit identifiziert wurden. Erst im Jahr 2007 wurden dann auch noch einmal die Daten zu geeigneten Tonformationen von der BGR veröffentlicht. Dadurch entstand eine Liste von 18 zum Teil großräumigen Standortregionen, die als untersuchungswürdig eingestuft werden.

Dieter Schaarschmidt, der als Fachreferent im Gorleben Untersuchungsausschuss mitarbeitet, betont: „Und die Bürgerinitiative in Lüchow-Dannenberg hat sich vorgenommen, diesen Standorten jetzt schon einmal Nachhilfe zu geben, was auf diese Orte zukommen kann." Denn mit dem neuen Endlagersuchverfahren, wie es derzeit von der Bundesregierung verfolgt wird, ist von den Bürgerinitiativen niemand einverstanden.

"Dieses tiefe Misstrauen kann nicht mit einer PR-Kampagne oder einem Online-Bürgerdialog weggewischt werden," so Dieter Schaarschmidt. "Zu einem Neuanfang gehört erst einmal das Eingeständnis der Fehler in der Vergangenheit und die Bereitschaft, aus diesen Fehlern zu lernen. Wenn dies im Rahmen eines gesamtgesellschaftlichen Beteiligungsprozesses geschehen ist und man sich mit Experten, Kritikern, Verbänden und interessierten Bevölkerungsgruppen aus ganz Deutschland auf ein bestmögliches Verwahrungskonzept geeinigt hat, dann können geologische Standort- und Sicherheitskriterien unabhängig von irgendeinem Einzelstandort festgelegt werden. Und erst dann könnte mit einer vergleichenden Standortauswahl begonnen werden. Für so ein Verfahren ist Gorleben so überflüssig wie ein Kropf."

Gorleben ist geologisch nicht geeignet, jede weitere Geldverschwendung ist zu vermeiden und der entstandene Schaden den Verursachern anzulasten, zu denen nicht unmaßgeblich die Bundeskanzlerin mit ihrem Festhalten an Gorleben „Wider besseren Wissens" beigetragen hat" konstatiert Schaarschmidt.

Hintergrund Info: Weitere mögliche Endlagerstandorte für hochradioaktiven Atommüll:

  • Salzstandorte: Wahn und Zwischenahn (Nds.), Waddekath (Sachs. Anh.) und Gülze-Sumte (Meck.-Pom.)
  • Kristallinregionen: Saldenburg (Bayr.Wald), Nordöstl. Oberpfälzer Wald (By), Fichtelgebirge (Tirschenreuth,By), Graugneis (Osterzgebirge, Sachsen), Granulitgebirge (Chemnitz,SN), Pretsch/Elbe (Naumburg, Sachsen Anh.), Prettin/ Elbe (Torgau, Sachs.Anh.), Pulsnitz und Radeberg-Löbau (bei Dresden, SN), Zawidow (Polen,bei Zittau)
  • Tonformationen: Tuttlingen-Singen und Region Ulm (Heidenheim-Riedlingen) in Baden-Würtemberg, Schwerin (Meck.-Pom.) und ein breiter Tongürtel, der vom Ruhrgebiet über Hannover bis Braunschweig reicht.

Foto / Björn Vogt / : Geologe und DBE-Pressebeauftragter Christian Islinger (re.) erläuterte einer Besuchergruppe am Montag dieser Woche eine Meßstelle an einem Anhydritvorkommen im Erkundungsbergwerk im Salzstock von Gorleben.




Fotos

2012-09-26 ; von Björn Vogt / Angelika Blank / pm (autor),
in Gorleben, Deutschland

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