Acht Mal trafen sich bisher die Mitglieder der Endlagerkommission in Berlin. Am Samstag traf sich eine Arbeitsgruppe in Dannenberg, um sich über die Arbeit der Kommission informieren zu lassen und zu überlegen, wie die Sitzungen weiter kritisch begleitet werden können.
Für Miriam Staudte, Landtagsabgeordnete der Grünen, war es ein Satz von RWE-Vertreter Prof. Dr. Gerd Jäger, der sie ahnen lässt, welcher Geist die Kommissionsarbeit prägt: "In anderen Ländern wird nicht soviel Wert auf die untertägige Erkundung gelegt wie in Deutschland," hatte Jäger in der letzten Kommissionssitzung gesagt.
"Das war zwar nur ein kleiner Satz," so Miriam Staudte. "Aber mein Eindruck ist, dass viele Mitglieder letztendlich nur eines im Sinn haben: so schnell wie möglich fertig zu werden." Ein Beleg dafür sei, wie auch Julia Verlinden, Bundestagsabgeordnete und stellvertretendes Mitglied der Kommission, bestätigte, dass immer wieder Hinweise auf den straffen Zeitplan gegeben werden. "Schon allein Ausschussvorsitzender Michael Sailer drängt immer wieder darauf, das Problem 'noch in dieser Generation' lösen zu müssen," so Staudte.
Nicht nur Miriam Staudte und Julia Verlinden sehen Grund zur Sorge, dass die Endlagerkommission ihrem Auftrag, dauerhaft gültige Kriterien für ein Standortsuchverfahren zu entwickeln, nicht gerecht werden wird. Denn es gibt in der Kommission nur wenige starke Kräfte, die immer wieder eine gründliche Analyse der anfallenden Abfälle aber auch genügend Zeit für die komplexe Suche nach dem "bestmöglichen" Standort für ein nukleares Endlager einfordern.
Am Beispiel Abfallbilanz zeigt sich nach Miriam Staudte, dass es nur noch der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel ist, der immer wieder beharrlich einfordert, dass die nuklearen Abfälle in Deutschland nach verschiedenen Kategorien erfasst und für eine spätere Endlagerung klassifiziert werden. "Doch die meisten Kommissionsmitglieder wollen nicht verstehen, dass die Eigenschaften des Atommülls Konsequenzen auf die spätere Einlagerungsform haben," so Miriam Staudte.
Gorlebengegner einsam auf weiter Flur
Verschärfend käme hinzu, so Staudte, dass viele der - gorlebenfreundlichen - VertreterInnen aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft untereinander gut vernetzt sind und sich in den Kommissions-Sitzungen gegenseitig stützen - was auf der "gorlebenfeindlichen" Seite eben nicht der Fall sei.
Deswegen sieht Miriam Staudte vor allem schwarz, was die Zukunft des Endlagerstandorts Gorleben angeht. "Allein bei der Diskussion um den Begriff 'bestmöglich' zeigt sich, dass in der Kommission kaum Interesse an einer echten Lösung des Problems herrscht," so Staudte.
Wie im Wortprotokoll der Sitzung vom 3. November 2014 nachzulesen ist, vertrat zum Beispiel der Rechtswissenschaftler mit Schwerpunkt Steuerrecht Prof. Dr. Hans-Wolfgang Arndt ausführlich die Ansicht, dass es ihm außerordentlich problematisch erscheine, "den Begriff 'bestmöglich' vergleichend zu benutzen, weil die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit 40 Jahren in der atomrechtlichen Dogmatik immer den Begriff 'bestmöglich' verwendet, aber nie in einem komparativen Sinne." Für den Juristen ist "bestmöglich" schlicht der Standort, der den Anforderungen des § 7 Absatz 2 Satz 3 Atomgesetz ("... Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn die
nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge
gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen
ist") entspricht.
Oder Dr. Bruno Thomauske: Der Physiker, u.a. Präsidiumsmitglied des Deutschen Atomforums, wies darauf hin, dass es nicht um die bestmögliche Eignung des Standortes geh, sondern um die "bestmögliche Sicherheit". Wörtlich sagte Thomauske: "Im Hinblick auf die Frage der Geeignetheit spielt der Standort nur eine gewisse Rolle. Ein Standort kann gut sein, aber durch ein falsches Endlagerkonzept, Behälterkonzept, Einlagerungskonzept und Verschlusskonzept - kann der beste Standort sich am Ende als ungeeignet herausstellen. " Heißt das im Umkehrschluss: auch ein nicht so gut geeigneter Standort kann durch technische Maßnahmen zu einem "bestmöglich" sicheren Endlager umgebaut werden?
Diese Frage wurde in der Sitzung am 3. November weder gestellt, geschweige denn diskutiert. Stattdessen verlief sich die Diskussion in juristischen Begriffsdefinitionen und ging letztendlich ergebnislos zu Ende.
Es sind solche Diskussionsverläufe, die nicht nur bei Miriam Staudte und Julia Verlinden das dumpfe Gefühl aufkommen lassen, dass die Endlagerkommission ihrem Auftrag nicht gerecht werden wird, langfristig wirkende Kriterien für die Suche nach einem Endlager-standort zu entwickeln. Auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Europaparlament, Rebecca Harms, hatte kürzlich gegenüber einem dpa-Journalisten geäußert, dass sie ein neues "Atom-Schlamassel" befürchtet.
Und schon im Dezember hatte sie in der taz vor zuviel Zeitdruck in der Endlagerdebatte gewarnt: Selbstverständlich dürfe man nichts verschleppen. „Aber man muss sich in der Endlagerfrage die Zeit nehmen, die man braucht,“ so Harms damals. Bei der Endlagersuche aufs Tempo zu drücken, sei "gefährlich", wenn es darum gehe, den Standort Gorleben zu verhindern.
Wer hilft bei der kritischen Begleitung der Endlagerkommission?
Schon allein die Tatsache, dass auf den Internetseiten der Endlagerkommission lediglich die Wortprotokolle der ersten fünf Sitzungen (inklusive der Sitzung vom 3. November) veröffentlicht sind, zeigt, wie schwierig es ist, die Sitzungen der Kommission inhaltlich kompetent zu begleiten.
Wer schafft es, sich durch die jeweils über 100 Seiten Wortprotokolle der Kommissionssitzungen zu wühlen? Wer kann sich an den Sitzungstagen 8 - 12 Stunden vor den Computer setzen und den Live-Mitschnitten folgen - und daraus auch noch kompetente Zusammenfassungen erstellen? Diese Fragen stellte sich auch die Arbeitsgruppe, die sich am Samstag in Dannenberg traf. Zwar verfolgen VertreterInnen verschiedener Gruppen und Institutionen die Sitzungen - sie sind aber untereinander nicht oder kaum vernetzt.
"Es wäre aber notwendig, dass wir einen guten Überblick behalten, um uns gegebenenfalls mit eigenen Forderungen und Ergänzungen zu Wort melden zu können," so Dieter Schaarschmidt, der die Kommissionsarbeit in seiner Funktion als Mitarbeiter der Abgeordneten Julia Verlinden begleitet.
Wer also Interesse hat, sich intensiv mit der Arbeit der Endlagerkommission zu beschäftigen, kann sich im Grünen-Büro in Dannenberg melden: Tel.-Nr. 05861-989 02 12, email: julia.verlinden.ma12(at)bundestag.de.
Foto / Deutscher Bundestag: Auf der Internetseite bundestag.de/endlagerkommission sind Videos der vergangenen Sitzungen, Protokolle sowie weitere Informationen zur Arbeit der Endlagerkommission veröffentlicht.