Mit der Ankündigung, dass der Salzstock Gorleben verfüllt wird, zogen Vertreter von Bund und Land am Freitag einen endgültigen Schlussstrich unter das Endlagerprojekt. Ein über 40jähriger Großkonflikt findet damit sein Ende.
Unspektakulär schien die Pressekonferenz am Freitag Morgen auf dem Bergwerksgelände in Gorleben zu sein – wenn auch die hochrangige Besetzung schon ahnen ließ, dass Großes verkündet wird. Was die Vertreter von Bundesbehörden und dem Landesumweltministerium zu verkünden hatten, hat denn auch historischen Wert: das Erkundungsbergwerk in Gorleben mit all seinen Schächten wird verfüllt. Somit hat sich jede Option, den Salzstock doch noch zum Endlagerstandort zu machen, erledigt.
Für das Bundesumweltministerium (BMU) verkündete Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth die Entscheidung: „Im Standortauswahlverfahren soll der Endlagerstandort mit der bestmöglichen Sicherheit gefunden werden. Klar ist bereits, dass der Salzstock Gorleben das nicht ist. Er wurde nach politischen Kriterien ausgewählt.vIch hoffe, dass im Wendland nun die Wunden heilen können, die der jahrzehntelange Streit um Gorleben gerissen hat." Gorleben habe über drei Jahrzehnte für einen gesellschaftlichen Großkonflikt in Deutschland gestanden. Nun gehe man den ersten Schritt, um "diese elendige Debatte hier in Gorleben zu beenden.“
Keine Hintertür mehr offen
Flasbarth machte aber auch deutlich, dass es dann, wenn nach dem laufenden Standortsuchverfahren der bestmögliche Standort gefunden sei, ein Endlager für nuklearen Müll eingerichtet werde. Ihm sei aber auch klar, dass der Suchprozess nicht einfach werde. „Die Regionen, die in den Standortsuchprozess einbezogen sind, werden alle nicht begeistert sein,“ so Flasbarth. „Wir werden bei jedem Schritt um Vertrauen werben müssen.“
Aber man habe aus den Fehlern gelernt, die in Gorleben gemacht worden sind. Flasbarth versprach, dass absolut offengelegt werde, welche Gründe zu einer Entscheidung geführt haben.
Der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies zeigte sich ebenfalls erleichtert, dass diese „falsche politische Entscheidung“ nun korrigiert wird. „Ab heute gibt es keine Hintertür mehr. Das ist die Botschaft und das enorm wichtige Zeichen für eine ganze Region, das vom heutigen Tage ausgeht.“ Nun könne Lüchow-Dannenberg endlich in die Zukunft denken.
Zukunft des Wendlands gestalten
Lies wies aber auch darauf hin, dass Niedersachsen nicht raus ist aus der Endlagersuche. Auch für Lüchow-Dannenberg sei das Kapitel Endlagerstandort noch nicht endgültig abgeschlossen. Vier große Tongebiete ragen bis in den Landkreis Lüchow-Dannenberg hinein. Theoretisch könnte es also sein, dass anderer Stelle im Landkreis doch noch ein Endlagerstandort benannt wird.
Der Umweltminister erinnerte daran, dass der lange Widerstand mit größten Belastungen für die Bevölkerung verbunden war. Gleichzeitig dankte er der Widerstandsbewegung für ihre Beharrlichkeit und wachsende Fachkompetenz, damit habe sie einen elementaren Beitrag zu dieser positiven Entwicklung geleistet. Mit wissenschaftlichen Beiträgen habe sie die Diskussion nach vorne gebracht.
„Ab heute geht es darum, diese Zeit endgültig hinter uns zu lassen und die Zukunft des Wendlands gemeinsam zu gestalten. Denn diese Region hat enormes Potential nicht nur durch ihre natürlichen Landschaften und den Tourismus, sondern auch für die Klima- und Energiewende,“ so Lies.
Die Verantwortung bleibt
Der Präsident des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), Wolfram König: „Das Endlager Gorleben ist Geschichte - die Aufgabe der Lösung der Endlagerfrage bleibt. Das letzte Kapitel des Ausstiegs aus der Hochrisikotechnologie muss noch gemeinsam geschrieben werden. Es handelt von guter Wissenschaft, Transparenz, Beteiligung und Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung.“ Denn immer noch warteten 1900 Castorbehälter auf Endlagerung. Für den Atommüll müsse eine klare Perspektive entwickelt werden – auch was den nuklearen Müll in den Zwischenlagern angehe. Dieses Thema wurde bei der Pressekonferenz aber ausdrücklich nicht behandelt. Der Fokus lag auf dem Ende des Erkundungsbergwerks.
10 Jahre wirds wohl dauern
Der gesamte Prozess bis das Bergwerksgelände zur „grünen Wiese“ geworden ist, wird laut Stefan Studt Vorsitzender der Geschäftsführung der Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) rund 10 Jahre dauern. Unter anderem seien mehrere bergrechtliche Genehmigungen einzuholen. Die BGE wird den Rückbauprozess durchführen bzw. beauftragen. Der ca. 328 000 m³ große Hohlraum im Salzstock soll mit dem Material aus der Salzhalde und – falls dies nicht reichen sollte – mit Sorelbeton aufgefüllt werden. Es ist nun an der BGE, die Planung der Schließung fortzusetzen. Finanziert wird der Rückbau aus dem Fonds, in den die Energieversorgungsunternehmen eingezahlt hatten.
Wenn es keine umsetzbaren Nutzungskonzepte für die oberirdischen Gebäude gibt, wird die BGE das Gelände "bis zur grünen Wiese" zurückbauen. Die Akteure in der Region sind nun gefragt, Ideen zu entwickeln. "Allesamt stehen nun in der Verantwortung, die Zukunft zu gestalten," so Lies. Das Land werde bei der Entwicklung unterstützend zur Seite stehen, so Lies. Wie sich das finanziell ausdrücken wird, blieb allerdings vage. "Wir müssen nun mit den regionalen Akteuren zusammenkommen und Ideen - zum Beispiel im wissenschaftlichen Bereich - entwickeln." Erst dann könnten Bund und Land entsprechende Strukturfördermittel zur Verfügung stellen.
Flasbarth wies darauf hin, dass in den nächsten Jahren sowieso riesige Summen in den strukturellen Umbau unter anderem im Klimaschutz, der Energieversorgung aber auch in der Verbesserung von klimafreundlicherer Mobilität gesteckt werden müssten. "Das ist eine Riesenchance für Projekte in diesen Bereichen," so Flasbarth.
REAKTIONEN
Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg: „Damit wird auch eine Hintertür verschlossen, um Gorleben für den Fall, dass die Endlagersuche in schweres Fahrwasser gerät, doch noch nutzen zu können“, zeigt sich Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) erleichtert.
Damit gehe ein über 40 Jahre währender Kampf um den Endlagerstandort
zu Ende. „Olaf Lies, der niedersächsische Umweltminister, ist nun gefordert, auch
die Atomruine nebenan, die Pilot-Konditionierungsanlage, aus dem Atomrecht zu
entlassen und zurückzubauen“, so Ehmke. Offen sei auch noch, wie die Sicherheit in den Zwischenlagern gewährleistet werden soll, da die Lagerungszeiten sich um ein Vielfaches verlängern werden.
Update:
Die Grünen Abgeordneten Miriam Staudte (Landtag) und Julia Verlinden
(Bundestag) begrüßen ebenfalls den Beschluss für die Schließung und Verfüllung des
Bergwerks Gorleben. Miriam Staudte: "Das ist wirklich eine gute Nachricht für die
Region. Es wäre allerdings begrüßenswert, wenn alle Beteiligten aufs
Tempo drücken und das von Herrn Flasbarth und Herrn Lies erwähnte
Hintertürchen nicht erst in 10 Jahren, also im Jahr der
Standortbenennung 2031, ins Schloss fällen würde.
Auch Julia Verlinden begrüßt die klare Entscheidung für den Rückbau des
Erkundungsbergwerkes und die Verfüllung der Anlage. "Für die angekündigte Unterstützung der Regionalentwicklung in Lüchow-Dannenberg sollten Bund und Land allerdings einen konkreten
Finanzierungs- und Zeitrahmen vorlegen, um die Region so bald wie möglich zur ökologischen Modellregion ausbauen zu können.
Neben der Strukturförderung
steht außerdem noch die Frage an, wie es mit den anderen Atomanlagen in
Gorleben weitergeht. Die Zwischenlagerung muss so sicher wie möglich
werden. Auch für die PKA brauchen wir endlich einen Abbau-Start."
Jakob Blankenburg, SPD-Bundestagskandidat: "Gorleben wird endgültig stillgelegt. Das sind großartige Nachrichten. Der Salzstock Gorleben ist kein Standort, der bestmögliche Sicherheit gibt. Seine Erkundung beruhte auf falschen politischen Entscheidungen. Unsere Region ist geprägt vom Widerstand dagegen. Eines ist nun klar: Ein Endlager in Gorleben wird es nicht mehr geben. Das hat die heutige Entscheidung endgültig gezeigt".
Foto | Angelika Blank: Verkündeten am Freitag das endgültige Aus für den Endlagerstandort Gorleben (von links): Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth, Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies, Präsident des BASE Wolfram König sowie Stefan Studt, Chef der BGE.