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Atommüll: Endlagersuche ohne öffentliche Begleitmusik beerdigt?

Aus dem Bundeskanzleramt gibt es offiziell zu dem Thema nur einen einzigen dürren Satz: „Bis jetzt haben die Gespräche zu keinem Ergebnis geführt.“ Das Bundesministerium für Umwelt möchte überhaupt kein Statement abgeben, während für die grüne EU-Parlamentariern und Atomkraftgegnerin der ersten Stunde, Rebecca Harms, die Meldung des Scheiterns keine Neuigkeit ist: „Es ist doch schon lange klar, dass die große Koalition sich nicht einigen kann. Die Fronten sind zu verhärtet.“

Noch im November letzten Jahres hatte Umweltminister Gabriel bei seinem Besuch in Gorleben deutlich gemacht, dass er der Aufhebung des Gorleben-Moratoriums nur zustimmt, wenn gleichzeitig eine alternative Standortsuche beginnt. Doch dagegen sträuben sich die Bundesländer – allen voran Bayern und Baden-Württemberg bis heute mit allen Mitteln. In den beiden Bundesländern wären es nämlich mindestens zwei Gesteinsformationen, die als zu untersuchende mögliche Endlagerstandorte in Frage kommen. Insbesondere der bisherige Ministerpräsident Erwin Huber hatte sich immer vehement geweigert, auch nur den Gedanken zuzulassen, in Bayern könnte womöglich ein Atommüll-Endlager entstehen – zumindest wollte er das Thema vor der bayerischen Landtagswahl Ende September nicht mehr auf der Agenda haben. Das Kapitel hat sich ja nun erledigt und die CSU ist zunächst einmal mit anderen Problemen beschäftigt. Ob sich aber mit der neuen Regierungsmehrheit in Bayern in Sachen Endlager allzu viel ändern wird, glaubt niemand.

Projekt Endlagersuche beerdigt

Nach einem ZEIT-Bericht (38/2008) haben Kanzleramtsminister De Maizière und Umweltminister Gabriel monatelang versucht, einen Ausweg zu finden. Doch der Widerstand der unionsregierten Länder war zu groß. Die Ministerpräsidenten Stoiber und Oettinger sprachen sogar höchstpersönlich im Kanzleramt vor, um in der Endlagerfrage zu intervenieren. Und durch die bayerische Totalverweigerung ist jetzt nicht mehr damit zu rechnen, dass eine Klärung noch vor der Bundestagswahl stattfinden kann. So wurde nach De Maiziére „das Projekt Endlagersuche ohne öffentliche Begleitmusik beerdigt.“

Für die Widerstandsgruppen im Wendland ist die Absage aus dem Bundeskanzleramt besorgniserregend: „Seit 1962 das erste Atomkraftwerk in Deutschland ans Netz ging, fällt täglich hochradioaktiver Müll an. Davon wurde noch kein einziges Gramm entsorgt. Bis heute gibt es kein Konzept, wie der für eine Million Jahre gefährliche Atommüll über solch unvorstellbar lange Zeiträume sicher gelagert werden kann.“, so Jochen Stay, Sprecher der Widerstandsinitiative X-tausendmalquer in einer Presseerklärung. Für Stay ist mit dem Debakel in der Asse auch der Salzstock Gorleben als mögliches Endlager „verbrannt“. Denn die Asse war nicht nur nach seiner Ansicht Vorbild für Gorleben. Genau wie Asse habe der Salzstock Gorleben direkten Kontakt zum Grundwasser. Genau wie in der Asse gebe es in Gorleben Risse im Salz. „Die Wissenschaftler, die uns erklären, Gorleben sei sicher, sind die gleichen, die das auch all die Jahre wider besseres Wissen von der Asse behauptet haben“, so Stay weiter.

Die umweltpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Sylvia Kotting-Uhl, geht davon aus, dass die Bundesregierung ihr Versprechen nicht halten kann, sich dem offenen Problem der Endlagersuche in dieser Wahlperiode zu stellen. „Mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin ist eine verantwortungsvolle Endlagersuche tatsächlich wenig vorstellbar. Erstens gibt sie unumwunden zu, darauf "keine Lust" zu haben. Zweitens scheint sie dem Druck der Landesregierungen aus Bayern und Baden-Württemberg nicht gewachsen. Die rufen ja gerne nach dem Motto "Atomkraft ja bitte, Atommüll nein danke" nach längeren AKW-Laufzeiten. Den hochradioaktiven Müll wollen sie am anderen Ende der Republik in Gorleben verschwinden sehen, in einem Endlager, das den Kriterien einer ernsthaften Endlagersuche nicht standhält“, so Kotting-Uhl.

Vom 30. Oktober bis zum 01. November findet in Berlin das von Umweltminister Gabriel initiierte internationale Endlagersymposium statt. Gabriel verspricht sich von dieser Tagung eine "ergebnisoffene, internationale Diskussion" über Sicherheitskriterien für ein nukleares Endlager. Die Frage Gorleben bleibt dabei erklärtermassen ausgeklammert. Denn: „Wir wollen mit diesem Symposium eine ergebnisoffenes Verfahren einleiten. Da soll nicht am Salzbergwerk Gorleben entlang diskutiert werden", so Gabriel bei seinem Besuch in Gorleben vor einem Jahr.

Bereits Milliarden im Salzstock vergraben

Wie berechtigt die Angst ist, dass letztendlich doch Gorleben zum Endlager werden könnte, zeigen schon die Zahlen: bis jetzt sind 1,5 Mrd. Euro in das „Erkundungsbergwerk“ Salzstock Gorleben geflossen. Die „Erkundung“ ist nach Expertenmeinung soweit abgeschlossen, dass es lediglich der Einrichtung der für die Einlagerung notwendigen Infrastruktur bedarf, um aus dem „Erkundungs“bergwerk ein fertiges Endlager zu machen. Einige gehen sogar noch weiter und unterstellen sowohl den Betreibern als auch den politisch Verantwortlichen in Gorleben nicht nur erkundet, sondern den Ausbau zum Endlager von Anfang an betrieben zu haben.

Die Zeit läuft davon: bis ins Jahr 2030 sind die vorhandenen Zwischenlager genehmigt. Und selbst wenn der Erkundungsstopp für Gorleben sofort aufgehoben würde, könnte ein Endlager Gorleben frühestens 2026 in Betrieb gehen. Man muss nicht sonderlich intelligent sein, um zu ahnen, dass das Bestreben, einen völlig neuen Standort zu suchen, allseits nicht sonderlich groß ist – sieht man einmal von den erklärten Gorleben-Gegnern ab.

Doch diesen unterstellt das Deutsche Atomforum unlautere Motive. Gegenüber der ZEIT äußerte dessen Präsident Walter Hohlefelder: „Die Gorleben-Blockade hat nur ein Ziel, nämlich die Akzeptanz der Kernenergie in der Schwebe zu halten.“ Denn Umfragen haben ergeben, dass ohne eine Lösung der Endlagerfrage lediglich 44 % der Deutschen der Nutzung von Atomenergie zustimmen. Aber rund 20 % mehr, nämlich 60 % würden die Atomenergie für eine gute Energieform halten, wenn die Endlagerfrage gelöst wäre(!).

Es wird also eng für den Endlagerstandort Gorleben. Aus gutem Grund ist deshalb Rebecca Harms der Meinung, dass für diesen Herbst das vordringlichste Ziel aller Atomkraftgegner sein muss, „unbedingt zu verhindern, dass das Moratorium aufgehoben wird.“ Und dann wird es so schnell wie möglich darum gehen, Sicherheitskriterien für die Einlagerung hochradioaktiven Mülls zu entwickeln, um dann nach Jahrzehnten endlich in eine vergleichende Standortsuche einzusteigen.

Ein Prozess, der schon vor dem Bau des ersten Atomkraftwerks hätte durchgeführt werden müssen. Doch man einigte sich damals (1979) vorschnell ohne genaue Prüfung auf den scheinbar so „einfachen“ Standort Gorleben.

Wie sagen die wendländischen Bauern, wenn ihnen etwas schiefgegangen ist? "Nu hebbt wi den Schiet!" Bauern können ihre Alltagsfehler meistens selber lösen - hoch radioaktiver Abfall allerdings wird noch unzähligen Folgegenerationen Probleme bereiten, wenn diese Generation keine Lösung findet. Da sollten Legislaturperioden und dementsprechende wahltaktische Manöver keine Rolle spielen.

 

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Foto: Andreas Conradt/publixviewing
Förderturm des sogenannten "Schachts 1" des geplanten Endlagers in Gorleben.




2008-10-24 ; von Angelika Blank (autor),

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