Jochen Stay, Sprecher der Widerstandsgruppe X-tausendmal-quer, zieht ein eher zwiespältiges Resümee: „Viele Atomkraftgegner haben sich aktiv und konstruktiv an den Erörterungen des Symposiums beteiligt. Uns ist das Gespräch mit allen Seiten wichtig und wir scheuen die Debatte über die Kriterien für eine sichere Endlagerung nicht. Doch ernüchtert müssen wir nach den drei Tagen in Berlin feststellen: Die Atomkraftwerke laufen ohne gesicherte Entsorgung. Ein halbes Jahrhundert nach dem Bau der ersten Reaktoren gibt es weltweit noch immer kein sicheres Endlager für den hochradioaktiven Müll. Das Endlager-Symposium hat gezeigt, dass es nicht einmal Klarheit darüber gibt, nach welchem Verfahren ein solcher Platz überhaupt gefunden werden kann.“
Nach Aussagen von Stay haben die Vertreter der Atomwirtschaft auf dem Symposium erklärt, sie sähen sich nicht in der Verantwortung für den von ihnen produzierten Atommüll. Das sei Sache der Gesellschaft. Das bestätigt auch Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, der ebenfalls an der dreitägigen Konferenz teilnahm. "Damit meinen sie zwar, dass der Bund für die Entsorgung zuständig ist. Aber wir haben noch einmal nachgehakt. Zum Beispiel sind kurz vor der Schließung der Asse noch einmal 1200 Fässer mittelradioaktiver Müll eingelagert worden, obwohl schon Probleme bekannt waren. Und in Morsleben sind noch in den 90er Jahren 22000 m³ Müll nach Morsleben verbracht worden. Da stellen sich die Betreiber aber auch auf den Standpunkt, dass die Sanierung nun vom Steuerzahler gezahlt werden müsse. Nicht einmal für die Sanierung fühlen sie sich zuständig. Das ist nicht nachvollziehbar. Für uns gilt ganz klar das Verursacherprinzip. "
Wenig Erwartungen - keine Enttäuschung
Kerstin Rudek, Vorsitzende der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg hatte von vornherein wenig Erwartungen, und nun "kann ich mich glücklich schätzen, dass die Erwartungen nicht zu groß waren, denn nun muss ich nicht sonderlich enttäuscht sein“, so Rudek. Froh ist die Vorsitzende, dass Vertreter der Umweltgruppen mit in der Tagung saßen und viel Öffentlichkeit für das Thema machen konnten.
Zu Minister Gabriels Erklärung, dass Deutschland sich dem Standard der Nachbarländer anpassen und endlich mit einer vergleichenden Standortsuche beginnen müsse, hat sie eine klare Haltung: „Na ja, wenn bei dem Symposium herausgekommen ist, dass Deutschland noch nicht einmal einem internationalen Vergleich standhalten kann, dann kann man sich fragen, was 'die' seit 30 Jahren gemacht haben. Atommüll produzieren, aber sich um den Müll nicht kümmern.“
Auch die vom BMU angekündigte zukünftige Planung nach Atomrecht, was eine Öffentlichkeitsbeteiligung einschließen würde, wird eher skeptisch bewertet: „Den möglichen Endlagerstandort Gorleben nun endlich, nach über 30 Jahren, öffentlich diskutieren zu lassen, ist zunächst einmal nur zu begrüßen. Bisher hatten wir keinerlei offizielle Möglichkeit, unsere Einwände geltend zu machen“, so die BI-Vorsitzende. „Ob es allerdings Sinn macht, einen Standort, der schon fast fertig gebaut ist, nach so langer Zeit noch mit Öffentlichkeitsbeteiligung weiter zu planen, wage ich zu bezweifeln. Spätestens nach den Vorkommnissen in der Asse ist Gorleben als Endlagerstandort gesellschaftlich verbrannt.“
Dass das Endlagersymposium, an dem auch Vertreter der Atomindustrie beteiligt waren, unter der Leitung von Minister Gabriel nun mehr Transparenz und Öffentlichkeit schaffen will, wird von den Umweltgruppen einheitlich begrüsst, doch: „Wir nehmen gerne am Dialog teil, aber wir dürfen uns nicht vereinnahmen lassen. Auf der Konferenz sind viele Lippenbekenntnisse gemacht worden, jetzt wollen wir Taten sehen. Mit jedem Castortransport in die 'Kartoffelscheune' namens Zwischenlager wird ein Endlagerstandort Gorleben weiter zementiert“, so Kerstin Rudek.
CDU/CSU blockiert weiter
Für CDU/CSU-Vertreter hat sich mit der Endlagerkonferenz nichts verändert. Sie bleiben bei ihrer Blockadehaltung. Allen voran Bayerns neuer Umweltminister Markus Söder, der in den Medien die Endlagersuche Gabriels als „Steuerverschwendung und Zeitverzögerung“ diskreditierte. Auch die CDU will nach wie vor, dass der Erkundungsstopp für Gorleben umgehend aufgehoben und der Standort „Gorleben“ schnellstmöglich benannt wird.
Nach Medienberichten ist der AKW-Wirtschaft Gabriels Entwurf neuer „Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung" zu wenig aussagekräftig. Bruno Thomauske, Vattenfall-Manager und ehemaliger Endlager-Experte im Bundesamt für Strahlenschutz wunderte sich gegenüber der „Welt“, dass Gabriels Entwurf „Im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrad der Anforderungen weit hinter denen der Sicherheitskriterien von 1983 zurück bleibt." Ihm fehlen konkrete Festlegungen von Risiko-Indikatoren und radiologische Schutzziele, noch würden Indikatoren vorgestellt.
Dazu Wolfgang Ehmke: "Die Sicherheitskriterien wurden kritisch kommentiert seitens der Entsorgungskommission, aber insgesamt trotzdem positiv bewertet. Aber es ist schon so, Mitglieder des damaligen Arbeitskreises Endlager, die nicht unbedingt zu den Atomkraftgegnern gehören, wunderten sich auf dem Podium, was aus ihren bereits 1992 entwickelten Kriterien all die Jahre geworden ist. Da sind auch so Sätze gefallen wie 'Da waren wir doch schon einmal weiter.'“
Ehmkes Resümee der Veranstaltung: "Es gibt sehr wohl Instrumentarien, mit denen die Politik agieren könnte. Niemand hat bisher den schon im Atomkonsens genannten Rücklagenfonds ins Spiel gebracht, aus dem zum Beispiel eine Endlagersuche finanziert werden könnte. Wir müssen immer wieder sagen, dass wir eine derartige Diskussion unterstützen, wenn es ernsthafte Vorschläge gibt, wie eine vergleichende Endlagersuche auch finanziell und administrativ abgesichert wird. Das war auf der Konferenz überhaupt kein Thema, es muss aber Thema werden. Wir wundern uns nicht so sehr über die Veranstaltung, aber über die Bundesregierung, die die Initiative ihres eigenen Umweltministers blockiert. Aus dem Wirtschaftsministerium war niemand anwesend, ebenso wenig Vertreter(Innen) der CDU aus unserer Region. Das kommt einem CDU-Boykott der Veranstaltung gleich."
Und solange die Regierung alles auf die lange Bank schiebt, "gehen wir auf die Strasse", so Ehmke weiter. Denn: "Unser Widerstand ist ein ganz wichtiges Argument in der Endlagerdebatte."
Foto: Timo Vogt/randbild
Widerstands-X am Stacheldrahtzaun, der rings um das geplante Endlager-Gelände gezogen ist.
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