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"Erhalten durch Aufessen" - sechs neue Archebetriebe ernannt

Die Erhaltung alter Nutztierrassen hat sich die Archeregion Flusslandschaft Elbe auf die Fahne geschrieben. Am Samstag wurden sechs weitere Betriebe ausgezeichnet.

Über 100 alte Nutztierrassen stehen auf der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Nutztierrassen (GEH). Wie zum Beispiel das Bunte Bentheimer Schwein. 2016 gab es in ganz Deutschland nur noch 450 Tiere dieser fleisch- und fettreichen Rasse. Auch das Leineschaf, das Sachsenhuhn oder die Lippegans gelten in Deutschland als extrem gefährdet. Rinderrassen wie das Deutsche Shorthorn oder das Anglerrind sind stark gefährdet.

Längs der Elbe, sowohl in Lüchow-Dannenberg als auch im Amt Neuhaus, wurde vor sechs Jahren die Archeregion Flusslandschaft Elbe anerkannt. Bisher gab es hier 36 Betriebe, die sich der Erhaltung alter Haustierrassen verschrieben haben. Seit Samstag sind es sechs Betriebe mehr.

Vom Aussterben bedroht - weil nicht leistungsfähig genug

Es gibt verschiedene Gründe, warum alte Rassen wie das Bunte Bentheimer Schwein vom Aussterben bedroht sind. Fettreiches Fleisch ist bei Verbrauchern längst nicht mehr beliebt. Milchvieh, das nicht die Milchmengen der Hochleistungskühe in industriellen Agrarbetrieben liefert, wird schlichtweg aussortiert. Und Geflügel, das die Massenhaltung ohne Freilandauslauf nicht aushält, hat ebenfalls keinen Platz in der modernen Landwirtschaft. So bleiben Lippegänse, Anglerrinder oder Leineschafe auf der Strecke.

Was früher in den kleinen Familienbetrieben üblich war, gilt heute nicht mehr. Ein Huhn sollte möglichst Eier legen, aber auch Fleisch für die Suppe liefern. Gleiches galt z.B. für Rinder: wenn die Milchleistung nachließ, wurde das Tier als Fleischlieferant genutzt. Klar, dass diese "Zweinutzungs"-Tiere weder in der einen noch in der anderen "Disziplin" Höchstleistungen brachten. Moderne Züchtungen tragen der einseitigen Nutzung in Massenhaltungen Rechnung. Während eine Kuh früher durchschnittlich 8 Liter Milch am Tag gab, sind es heute bis zu 50 Liter, die eine Kuh "bringen" muss.

Abgesehen von der artgerechten Haltung sind es auch Geschmack und Nährwert, die auf dem Altar der Massenproduktion geopfert werden. Viel und billig ist die Parole der Zeit - woran durchaus die Verbraucher ihren Anteil haben. Für ein Kilo Schnitzelfleisch 2,99 Euro zu zahlen ist vielen Kunden wichtiger als schmackhaftes Fleisch von natürlich gehaltenen Tieren zu erhalten. Dass der Wasserverlust von "Turbo"-gemästeten Schweinen den Billigpreis ad absurdum führt, ist vielen Verbrauchern gar nicht bewusst.

Es ist aber auch der exponentiell gestiegene Fleischverbrauch, der Massenhaltungen notwendig macht. Derzeit liegt der durchschnittliche Fleischverzehr bei rund 60 Kilogramm pro Person und Jahr. Umgerechnet auf 82 Millionen Einwohner in Deutschland bedeutet das: es müssen pro Jahr 4,9 Milliarden Kilo Fleisch auf den Markt geworfen werden. Das geht nur mit Massentierhaltung - im In- und Ausland.

Erhalten durch Aufessen

Auch Landrat Jürgen Schulz betonte in seiner Grußrede zur Neuzertifizierung am Samstag, wie wichtig die Archeregion für die Erhaltung von Nutztierrassen ist. Um die Betriebe langfristig zu erhalten, sei es aber auch notwendig, sie zu verwerten. Sprich: Fleisch, Wurst, Wolle oder Eier der Archebetriebe zu konsumieren.

Hilfreich bei der Vermarktung ist dabei zusätzlich die Anerkennung als Partnerbetrieb der Biosphärenreservatsverwaltung, die durch ihre Öffentlichkeitsarbeit bei der Bekanntmachung der Angebote hilft. Viele der Archebetriebe sind gleichzeitig auch Partnerbetriebe der Biosphärenregion. Auch die Archeregion selbst bemüht sich die Vermarktung der Arche-Produkte zu steigern. Auf dem jährlich veranstalteten Archetag (der Termin für 2018 ist noch nicht veröffentlicht) können die Betriebe kennengelernt und ihre Produkte gekostet - und natürlich auch gekauft - werden. Dazu kommen die "Genusstage" im Archezentrum Neuhaus.

Zertifiziert werden die Archebetriebe von der GEH, die sich seit 1981 um bedrohte Nutztierrassen bemüht, damit diese als wertvoller Genpool und besonders schützenswertes Kulturgut erhalten werden. Heute leben in der Arche-Region von 75 bedrohten Nutztierrassen der Roten Liste (GEH 2016) insgesamt mehr als 2500 Tiere, davon ist die Hälfte im Bestand bedrohtes Geflügel, gehalten und gezüchtet.

42 Archebetriebe und -höfe sind es seit Samstag, die in der Region zwischen Neuhaus und Riskauf gefährdete Nutztierrassen halten - Rinder, Schweine, Schafe, Hühner, Enten, Gänse ... Dazu halten rund 150 weitere interessierte Halterinnen und Halter bedrohte Nutztierrassen. Auch wenn es sich nur um eine Schar Ramelsloher oder Vorwerkhühner für das Frühstücksei handeln sollte, die regionalen alten Nutztierrassen bleiben so der Region erhalten.

Halterinnen und Halter haben große Sorgen

Hartmut Heckenroth, Herz und Motor der Archeregion machte während der Feierstunde am Samstag auf die Probleme der Archebetriebe aufmerksam. "Praxisferne, übertriebene Veterinärverordnungen und die uneffektive, nicht praktizierbare Aufstallpflicht veranlassen immer mehr Halterinnen und Halter zur Aufgabe der Geflügelhaltung," so Heckenroth. Mehr als ein Viertel der Halterinnen und Halter bedrohter Geflügelrassen hat die Haltung nach den Aufstallpflichten der letzten Jahre aufgegeben. Während der Aufstallpflicht kann die Haltung von vielen Halterinnen und Haltern nicht artgerecht durchgeführt werden."

Denn viele der alten Geflügelrassen halten den immer wieder monatelang dauernden Hühner"knast" nicht aus. Und auch immer wieder verschärfte Auflagen, z.B. der Schweinehaltungshygieneverordnung und neuerdings auch Forderungen der Amtstierärzte für Einzäunungen als Schutz vor Wolfsrissen, lassen manche hoffnungsvoll begonnene Erhaltungszucht wieder enden, berichtete Heckenroth weiter. Weswegen auch die GEH immer wieder in den Landwirtschaftsministerien vorstellig wird, um Erleichterungen der Haltungsvorschriften für die Archebetriebe zu erreichen. 

Arche-Betriebe / Arche-Höfe / Arche-Parks

Am Samstag wurden sechs Höfe als Arche-Betriebe neu anerkannt - und weitere In der ARFE kommen in diesem Jahr als Arche-Betriebe hinzu. Weitere wurden vom Archebetrieb zum Archehof oder zum Archepark:

Neue Arche-Betriebe
(Kriterien u.a.: Zucht gefährdeter Nutztierrassen nach ökologischen Kriterien):

  • Hof an den Teichen | Klaus Hoppe (Rettmer bei Lüneburg): Moorschnucken, Bunte Bentheimer Schweine, Lakenfelder Hühner, Pekingenten sowie Gemüsegarten mit Perma- und Mischkultur. Hofladen
  • Schäferei Erb + Dibbern | Sabine Dibbern u. Stefan Erb (Ventschau/Heisterbusch): Fuchsschafe und Leineschafe für die Landschaftspflege
  • Brunhild Küpker,  (Katzien/LK Uelzen): Deutsche Shorthorns
  • Leineschafzucht Weste | Manuel Häusler-Schröder (Weste/ LK Uelzen): Leinschafe. Hofladen
  • Anette Clar (Schafwedel/ LK Uelzen): Kaltblutpferde, ostfriesische Milchschafe
  • Schimmelhof | Gunnar Hansen + Isabell Stich (Dolgow): Warzenenten, Leinegänse, Fuchsschafe, Thüringer Waldziegen. Auch Tiertherapiezentrum.

Zwei Arche-Betriebe werden Arche-Höfe (Kriterien: Haltung von mindestens drei Rassen der Roten Liste der GEH aus mindestens zwei der dort aufgeführten Tierartengruppen):

  • Michaelshof Sammatz  |Claudia Brady u. Malte Behr:  Angler-Rotvieh, Toggenburger Ziegen, Thüringer Waldziegen, Angler-Sattelrinder, Skudden, Emdener Gänse. Hofladen. Café. Weitläufiger Park und Gemüsegarten.
  • Hof Groß Banratz | Ingo u. Ingrid Rosenberg (Groß Banratz / Amt Neuhaus): Englisches Parkrind, Husumer Schweine, Leineschafe, Leinegänse. Onlineshop echt.land

Ein Arche-Betrieb wird zum Arche-Park:

Max Jasker ist mit seiner Kinder-Arche mittlerweile zu einer Berühmtheit geworden. Vergangenes Jahr besuchte sogar Martin Rütter, der Kult-Hundetrainer den Hof. Ein Megaevent. Wegen der zahlreichen Kinder- und Erlebnisangebote auf dem Hof Jasker wurde der Betrieb nun zum Arche-Park ernannt.

Foto | Angelika Blank: Fünfzehn VertreterInnen von insgesamten neun Archehöfen konnten am Samstag aus den Händen von G-E-H-Vertreterin Antje Feldmann (2. von rechts) ihre Zertifizierungsurkunden als Archebetriebe, -höfe und -Park in Empfang nehmen. Grußworte sprachen Landrat Jürgen Schulz (re.hinten), Dr. Franz Höchtl, stv. Leiter der Biosphärenreservatsverwaltung in Hitzacker (3. von rechts) Elbtalaues Samtgemeinde-Bürgermeister Jürgen Meyer(4. von links, vorne hockend). Auch Hartmut Heckenroth (4. von links, hinten) freute sich über den Zuwachs in der von ihm maßgeblich mit-initiierten Archeregion.




2017-10-02 ; von Angelika Blank (text),

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