Mehr als 100 Arbeitsplätze sind in der Region durch Betrieb und Weiterentwicklung von Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energien bereits entstanden – mehr als 1000 könnten es mittelfristig werden. Diese und andere interessante Erkenntnisse brachte die Auftaktveranstaltung zum Klimaschutzkonzept und Bioenergieregion am Dienstag in Dannenberg.
Michael Wedler kennt sich im Landkreis aus. Jahrelang betreute er als Regionalmanager den Entwicklungsprozess von Regionen Aktiv. Heute ist er Berater bei der Münchner Firma B.A.U.M Consult, die unter anderem für Kommunen und Regionen Konzepte für den Klimaschutz und den Aufbau regionaler Märkte entwickelt und begleitet. Wedler ist davon überzeugt, dass der Unternehmensbereich „Erneuerbare Energien“ sich längst zu einem profitablen Wirtschaftsbereich entwickelt hat. Dabei setzt er vor allem auf die Dezentralisierung der Energieflüsse. „Die Regionalisierung der Energie ist gerade für ländliche Kommunen ein echtes Wirschaftsförderprogramm. Wenn Energieeffizienz-Maßnahmen ernsthaft umgesetzt werden und die Entwicklung dezentraler Energieversorgungs-Systeme weiter so voran schreitet wie bisher, können wir bis 2050 mehr als die Hälfte des gesamten Energiebedars durch erneuerbare Energien decken“, so Wedlers Überzeugung nach Auswertung bundesweiter Daten.
Zu ähnlichen Erkenntnissen kam auf der Auftaktveranstaltung zum Klimaschutzkonzept in Lüchow-Dannenberg auch Kathrin Müller von deENet, die in einem Forschungsprojekt Kommunen unterstützen und untersuchen, die sich für den Umbau ihrer Region zur 100%-Erneuerbare-Energien-Region entschieden haben. „In Deutschland gibt es derzeit bereits rund einhundert Regionen und Kommunen, die eine Vollversorgung aus Erneuerbaren Energien (EE) anstreben“, so Müller in ihrem Referat. Relativ gleichmäßig über Deutschland verteilt, sind es rund 10 % des Bundesgebietes, die mittelfristig vollständig durch regional erzeugte EE versorgt werden sollen. 5,7 Mio. Menschen wohnen in diesen Regionen.
Vor allem für das Handwerk bieten die EE lukrative Möglichkeiten. Michael Wedler hat errechnet, dass in der Region Lüchow-Dannenberg auf 30 Jahre gerechnet ein Auftragsvolumen rund 322 Mio. Euro für energieeffizienten Umbau bzw. Sanierung schlummert. Diese Summe entspricht einer Einzelinvestitionssumme von ca. 14 000 Euro/Haushalt, um das eigene Haus energieeffizient zu machen und auf erneuerbare Energie umzustellen, rechnete Wedler vor. Und dabei haben alle einen Profit: der Eigentümer, der umgehend deutliche Energieeinsparungen hat; die Region durch wirtschaftlichen Aufschwung ihrer Unternehmer und die Umwelt durch eine wirksame Verringerung des CO2-Ausstoßes.
Für die Energieversorgung der Zukunft setzten beide Referenten auf intelligente Mischkonzepte. Neben dem Einsatz von Kombikraftwerken und dem Aufbau intelligenter, steuerbarer Stromnetze sowie der Einbeziehung von Verbrauchern sollen zeitvariable Tarife und intelligente Stromzähler bei der Kostenersparnis helfen. „Es ist vorstellbar, dass in Zukunft die Waschmaschine sich automatisch dann einschaltet, wenn der Strompreis am günstigsten ist“, so Müller.
Doch damit die Zukunftsplanungen Wirklichkeit werden, sind nach Ansicht der Wissenschaftlerin mehrere Erfolgsfaktoren zu berücksichtigten: nicht die Verwaltungen, sondern kompetente Akteure, die in ihrer Region gut verankert sind, müssen Verantwortung übernehmen und den Prozess voran treiben. Die Wirtschaft muss als Prozessmotor „Energie“ einbringen. Genossenschaften, Regionalwerke und Energieagenturen helfen dabei, sich mittel- bis langfristig von Fördertöpfen unabhängig zu machen.
Auch in einem anderen Punkt waren sich beide Referenten einig: das Ziel, sich zu 100% aus EE zu versorgen, wird nur klappen, wenn gleichzeitig eine Energieersparnis von 30 – 50 % erreicht werden kann. Ein wichtiger Motor bei der Erreichung dieses Ziels sind dabei die in öffentlicher Hand befindlichen Liegenschaften. Energieeffizientes Gebäudemanagement ist hier das Zauberwort.
Dass Agenda-21-Prozesse auch ökonomisch gut genutzt werden können, bewies Ulrich Ahlke, der aus seiner Region, dem "Zukunftskreis" Steinfurt berichtete. Hier haben sich die "Energie-Aktivisten" pfiffige Lösungen einfallen lassen, um Umweltschutz und Ökonomie unter einen Hut zu bekommen. Beispiel Heckenschutz: die landschaftstypischen Hecken in der Region verfielen immer mehr, wurden abgeholzt oder nicht mehr gepflegt. Das Holz blieb ungenutzt. Heute sorgt ein komplexes Heckenpflegemanagement für Pflege und Erhalt der Hecken und gleichzeitig für die wirtschaftliche Nutzung des bei der Pflege anfallenden Holzes. Über eine internetbasierte Datenbank geben Heckenbesitzer Art und Umfang ihrer Hecken ein. Das Heckenpflege-Management stellt dann pflegegleiche Heckengruppen zusammen und bietet sie im Losverfahren an Interessierte an. Bei Zuschlag pflegen diese die Hecke und können im Gegenzug das Holz nutzen. Jährlich wurden so ca. 35 000 m³ Heckenholz in die wirtschaftliche Nutzung zurückgeholt. Die energetische Ausbeute aus dieser Menge entspricht rund 80 Mio kWh, was für die jährliche Versorgung von über 3500 Einfamilienhäusern reicht. "Ganz abgesehen vom touristischen Nutzen, denn die Wallhecken sind ein zentrales Merkmal unserer Landschaft", so Ahlke.
Ebenso clever das Konzept der Steinfurter zur Steigerung der energetischen Gebäudemodernisierung bzw. der Energieeffizienz im Neubau. Im Verein "Haus im Glück" haben sich die Kreishandwerkerschaft, Innungen des Baugewerbes, Städte und Gemeinden sowie Banken zusammengeschlossen, um Aufträge für das heimische Handwerk zu mobilisieren. Jährlich stecken die Mitglieder Geld in Beratungs- und Aufklärungskampagnen, denn sie haben erkannt, welches Wertschöpfungs-Potenzial in der energetischen Gebäudemodernisierung liegt. "Bei uns sind es allein 117000 zu sanierende Wohneinheiten, die vor 1979 erbaut worden sind", so Ulrich Ahlke. "Das entspricht einem Sanierungspotenzial von 1400 Mio. Euro. Die Handwerker und auch die Banken haben glasklar erkannt, welches Auftragspotenzial hier zu holen ist."
Wo steht Lüchow-Dannenberg?
Bereits 1998 beschloss der Kreistag, die Region zu 100 % aus EE zu versorgen. Heute kann die Region stolz verkünden, dass dieses Ziel in der Stromversorgung von Privathaushalten schon länger erreicht ist. Firmen wie Dreyer und Bosse expandieren und exportieren ihre Biogas-Technologie inzwischen sogar ins Ausland.
Demnächst entsteht in Lüchow eine zweite Biogas-Tankstelle und an der Einrichtung eines Biogas-Busses wird gearbeitet. Selbst Eon-Avacon hat die Zeichen der Zeit erkannt und denkt über die Umstellung ihres Erdgas-Netzes in Lüchow-Dannenberg auf Biogas nach.
Damit die Region ihre erworbene Kompetenz und das technologische Know How möglichst effizient verwerten kann, will die Wirtschaftsförderung Lüchow-Dannenberg mit Geldern des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Ernährung den weiteren Umbau zur „Bioenergieregion“ noch intensiver koordinieren. Patente sollen im Bereich der Biogas-Aufbereitung angemeldet werden, Technologien weiter erforscht (z.B. scheitert das Projekt Biogas-Bus im Moment an nicht vorhandenen passenden Einfüllstutzen an der Tankstation) und der „Bioenergie“-Standort Lüchow-Dannenberg intensiv bewerben werden. Insgesamt 502 000 Euro stehen hier zur Verfügung, wie Wirtschaftsförderin Martina Grud berichtete. Ärgerlich nur, dass diese Mittel nur zu einem geringen Teil als Aufträge in die Region fließen können – den Großteil des Budgets arbeitet die in Hamburg ansässige GLC Glücksburg Consulting mit eigenem Personal ab.
Für das Klimaschutzkonzept stehen dem Landkreis Lüchow-Dannenberg rund 80 000 Euro aus Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt zur Verfügung, mit denen zunächst eine präzise CO2-Bilanz aufgestellt werden soll. In der Folge sollen regionale Akteure in Arbeitsgruppen zunächst ein Maßnahmen-“Ranking“ zur Erreichung der Klimaschutz-Zieler erstellen und dann einen verbindlichen Handlungsrahmen für den gezielten Klimaschutz in der Region schaffen.
Für den Erfolg dieses Unternehmens sind die lokalen Verwaltungen von zentraler Bedeutung, sind sie doch Inhaber von vielen Grundstücken, Gebäuden und Betrieben – nicht zu vergessen das öffentliche Bau- und Abfallwesen, welches ja in nicht unerheblichen Umfang an Verkehr und Energieverbrauch beteiligt ist. Auch die Bauleitplanung von Landkreis und Kommunen kann verbindlich nach Klimaschutz-Richtlinien ausgerichtet werden. Darüber hinaus werden sich private Akteure wohl nur über freiwillige Selbstverpflichtungen in den Prozess einbinden lassen. Die geringe Anwesenheit von Vertretern aus Politik und Verwaltung bei der Auftaktveranstaltung ließ ahnen, wie hart es werden wird, im Rahmen der 12-monatigen Laufzeit der Klimaschutz-Initiative zu verbindlichen Beschlüssen zu kommen. Da wird wohl vieles an der neu einzurichtenden „Klima-Leitstelle“ hängen bleiben.
Verantwortlich für die Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes wird vermutlich die target GmbH aus Hannover, die mit jetzt zwei Mitarbeiterinnen in Dannenberg schon länger Bildungsangebote und Beratung im EE-Sektor anbietet.
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