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Fehlende Verkehrsregeln auf der Elbe: Freie Fahrt für Radauboote

Verkehrsregeln gibt es auch für Sportboote auf der Elbe. Aber Geschwindigkeit und Lautstärke sind nicht geregelt - Freizeitkapitäne können also soviel Krach machen wie sie wollen. Wie schwierig es ist, Radauboote aus dem Verkehr zu ziehen, zeigt ein Beispiel aus Vietze.

Allsonntäglich kracht ein Motorboot auf der Elbe in die Nachmittagsruhe im Schifferdorf Vietze. Der Lärm rollt heran wie ein altertümliches Kampfflugzeug und steigert sich beim Heranfahren auf 95 dB. Gemessen in 150 m Entfernung von der Flussmitte.

Die Elbe wird jedes Jahr beliebter für Sportbootfahrer - mancher von ihnen nutzt den Fluss aber zum Rasen und Austesten hochgetunter Motoren. Seit Wochen ist zum Beispiel ein "Krawall"-Boot zwischen Vietze und Lenzen unterwegs und nervt die Anwohner - nicht nur direkt am Ufer. Bis in rund 500 Meter Entfernung ist das Dröhnen zu hören. Die Wasserschutzpolizei in Scharnebeck ist informiert, ebenso die Samtgemeinde als zuständige Gefahrenabwehrbehörde. Und auch beim Wasserschiffsamt in Wittenberge hat man von den Problemen schon gehört. 

Doch niemand weiß, wie der Krach abgestellt werden könnte. Von allen BehördenvertreterInnen - Ordnungsamt des Kreises, Gefahrenabwehrabteilung bei der Samtgemeinde, Wasserschifffahrsamt und Wasserschutzpolizei - ist unisono eines zu hören: wir kennen keine Regel, die schnelles Fahren oder überlaute Motoren auf der Bundeswasserstraße verbietet. Lediglich Jetskis, die ohne Wasserskifahrer unterwegs sind, dürfen nur "Wanderfahrten" unternehmen, die von einem Punkt zum anderen führen. Cruiserei um eine Stelle herum ist für sie untersagt.

Die Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung regelt zwar übliche Verkehrsregeln wie zum Beispiel Beschilderung, Vorfahrts- und Überholregeln oder Signale zur Kommunikation unter den Schiffen. Über Grenzgeschwindigkeiten oder maximale Motorlautstärken steht dort nichts. Es gibt nicht einmal eine regelmäßige technische Überprüfungspflicht. Es kann getunt werden, bis die Motoren platzen.

Eine EU-Vorschrift regelt zwar, dass nur Sportboot-Motoren ausgeliefert werden dürfen, die nicht mehr als 72 dB Geräusch verursachen. Doch es ist unklar, ob diese EU-Verordnung jemals in Deutschland umgesetzt wurde. Wenn der Motor im Boot eingebaut ist, kontrolliert niemand mehr, ob diese Schallgrenze eingehalten wird.

Durch diese Regelungslücken hat die Wasserschutzpolizei keine Handhabe gegen einen "Krawall"-Schiffsführer. Und es gibt noch andere Probleme:

  • Im Bereich Lüchow-Dannenberg gibt es keine Station der Wasserschutzpolizei (WSP). Die nächste ist in Scharnebeck. Von dort aus bräuchte ein Polizeiboot rund drei Stunden, bis es bei Gorleben angekommen ist. Auf der Brandenburger Seite ist die Station in Wittenberge zuständig - aber auch diese Beamten bräuchten rund 2 Stunden bis sie am Höhbeck angekommen sind.
  • Die WSP-Station Scharnebeck ist zuständig für einen Elbbereich von Geesthacht bis Schnackenburg, für den gesamten Elbe-Seitenkanal bis zum Mittellandkanal sowie weitere, kleinere Flussgebiete Richtung Schleswig-Holstein. Insgesamt sind dort 16 Polizeibeamte beschäftigt - lediglich zwei bis drei von ihnen sind am Wochenende parallel im Dienst. Außerdem sind die Motorstärken der Polizeiboote einem Hochleistungs-Rennboot nicht gewachsen.
  • Die südlichen Ufer der Elbe gehören zu Niedersachsen, die nördlich/östlichen zu Mecklenburg und Brandenburg. Die Grenze der Zuständigkeit verläuft mitten im Fluss. Die Abstimmung, wer zuständig ist, kostet noch einmal Zeit.

Für einen Sportbootfahrer, der die Möglichkeiten seines Bootes gerne einmal austesten möchte, ist die Elbe also ein ideales Revier. Genervten Anwohner bleibt nur die Möglichkeit, Anzeige wegen Ruhestörung zu erstatten. Erfolg hat das aber nur, wenn es gelingt, die Daten des Bootsführers zu ermitteln.

Immerhin: bei der Wasserschutzpolizei Scharnebeck ist das Thema angekommen. Dort überlegt man im Team, welche Möglichkeiten es gibt, das Problem zu lösen. Auch die Biosphärenreservatsverwaltung wird sich um die Situation kümmern. Bei Bleckede fand bereits eine Großkontrolle mit Polizei und Biosphärenreservatsverwaltung statt. Ähnliches ist für andere Bereiche der Elbe geplant.

Absurd: die Ufer der gesamten Flussstrecke in diesem Bereich sind als Biosphärenreservat ausgewiesen. An Land ist - vor allem in den C-Gebieten - ruhestörender Lärm (und andere unnötige Störungen) untersagt. Auf dem Fluss darf aber gedröhnt werden, was die Motoren hergeben.


(Symbol)Foto | emkanicepic .




2023-06-19 ; von Angelika Blank (autor),
in Vietze, 29478 Höhbeck, Deutschland

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