Müssen Beutegreifer wie Fuchs, Marderhund oder Waschbär zugunsten schwächerer Tierarten stärker bejagt werden? Mit dieser Frage beschäftigte sich am Montag Abend eine Veranstaltung des Vereins für Naturkunde in Lüchow.
Viele der rund 100 Interessierten waren
etwas enttäuscht, als Dr. Günther Nemetschek, selbst Jäger und
Naturschützer, ihnen erklärte, dass in seinem Vortrag nicht um den
womöglichen Abschuss von Wölfen gehe, wie es in einer fehlerhaften
Presse-Ankündigung
„Der Wolf ist kein Hauptthema, wenn
es um den Naturschutz geht,“ so Nemetschek. „Derzeit ist er
lediglich eine Randerscheinung, mit der wir sehr gut leben können.“
In fünf Jahren könne sich das allerdings geändert haben, wenn die
Populationen weiter so zunehmen wie bisher.
Die Sorge der Naturschützer gilt derzeit vor allem bedrohten Tieren wie dem Kiebitz, dem Feldhasen oder anderen Grasfressern, die auf dem Speiseplan vieler Beutegreifer wie Fuchs, Marderhund oder Waschbär ganz oben stehen.
Mit einem kleinen Ausflug in die Geschichte erläuterte Nemetschek, dass die intensive Ausrottung der Beutegreifer dazu geführt hatte, dass sich große Hufarten immer mehr ausbreiten konnten. Gras- und Weideflächen wurden auf diese Weise stark abgefressen und konnten sich kaum erholen. „Das führte letztendlich zu einer Verarmung der Landschaft,“ ist die Schlußfolgerung des Naturschützers.
Inzwischen haben sich aber der
Waschbär, Füchse und auch Marderhunde derartig ausgebreitet, dass
sie zu einer echten Bedrohung für Bodenbrüter und andere
Grasfresser geworden sind. Feldhasen sind extrem selten geworden, der
Kiebitz ist rasant zurückgegangen.
„Dem Kiebitz zum Beispiel fehlen die
Nasswiesen, weswegen er sich auf Äcker zurückgezogen hat, die spät
bearbeitet werden,“ erläuterte Nemetschek. Abgesehen davon, dass
immer weniger Äcker erst spät bearbeitet werden, droht den kleinen
Singvögeln auf den offenen Flächen aber starker Druck durch
Beutegreifer wie den Fuchs. Großtrappen werden inzwischen mit Zäunen
gegen den Fuchs geschützt, damit die wenigen verbliebenen Paare eine
Chance haben, zu überleben und ihre Jungtiere großzuziehen.
Lebensraumverbesserungen und Bejagung
Die veränderten Bewirtschaftungsformen in der Landwirtschaft sieht Nemetschek nicht als Hauptgrund für die Probleme der Kleintiere. Nach seiner Ansicht ist vor allem der Jagdruck durch die Beutegreifer ein Grund für den Rückgang von Kiebitz und Co.
„Verschiedene Studien haben ergeben, dass eine Lebensraumverbesserung zwar durchaus Vorteile für die Verlierer bringt, die rasante Zunahme von Beutegreifern aber trotzdem für massive Verluste bzw. ausbleibenden Nachwuchs sorgt,“ so Nemetschek.
Seine Konsequenz aus der Situation ist also, Beutegreifer wie Fuchs und Marderhunde stärker zu bejagen und gleichzeitig die Lebensräume zu verbessern. Vor allem die Rückdrängung der Waschbären ist für Nemetschek ein wichtiges Ziel zugunsten des Naturschutzes. „Wenn wir nicht systematische Maßnahmen gegen die Waschbären einleiten, dann werden sich die Menschen demnächst selbst behelfen, um der Plage Herr zu werden – und das nicht unbedingt mit den feinsten Methoden,“ befürchtet Nemetschek.
Eine Langzeituntersuchung zeigt, dass die Waschbären in den vergangenen Jahren massiv zugenommen haben. Von ehemals nahezu Null Tieren im Jahre 2002 ist die Population bis zum Jahre 2013 auf rund 1300 Tiere angestiegen – und die Anstiegskurve wird immer steiler. Nemetschek rechnet damit, dass die 1500er-Marke noch dieses Jahr überschritten wird.
Zum Ende des Vortrags kam dann doch noch der Wolf ins Spiel, der nach Ansicht des Biologen „dabei helfen könnte, diese Probleme zu lösen“. Doch da der Wolf, wie viele andere Beutegreifer auch, nach dem Prinzip „ich hole mir das, was ich am häufigsten antreffe und was am einfachsten zu erlegen ist“ lebt, werden es eher Wildschweine, Rehe und Damwild sein, auf die der Wolf aus ist. Kompliziert zu jagende Klettertiere wie Waschbären gehören nicht unbedingt zum Speiseplan des Wolfs. Auch Baummarder, die zu den erfolgreichsten Eiersammlern gehören, die es hierzulande gibt, gehören nicht dazu.
So wird es letztendlich vermutlich
wieder der Mensch sein, der für ein ausgewogenes Verhältnis von
Opfern und Raubtieren in der Natur ringsum sorgen muss. Die Thesen von Dr. Günther Nemetschek stießen nicht bei allen Naturfreunden im Saal auf Gegenliebe - so wurde noch eine Weile über die Bejagung weiter diskutiert, wobei auch der Wolf nicht ausgespart wurde.
Foto / wikimedia.commons / Oliver Abel : Fuchs im Tier- und Pflanzenpark Wiesbaden