Gänsegipfel: Kampf dem Gänsefraß auf den Feldern

Wenn es im Frühjahr auf den Feldern knallt, so sind es vermutlich Schreckschussanlagen von Landwirten, die ihre Äcker gegen Wildgänse schützen wollen - illegal, doch die Landwirte sind mit den existierenden Entschädigungsregelungen für Gänsefraß unzufrieden und fürchten um ihre Ernten.

Für Naturschützer sind die ziehenden Wildvögel gerade im Winter und Frühjahr ein ständiger Quell der Freude. Für Landwirte bedeuten die "Nordischen Gastvögel" oft massive Ernteeinbußen - vor allem auf den früh eingesäten Getreidefeldern. Selten zwar, doch immer wieder zu beobachten bzw. zu hören, greifen Landwirte zur Selbsthilfe, setzen zum Beispiel Schreckschussanlagen ein, um die ungebetenen Gäste zu vertreiben.

Dabei haben die Landwirte keine Wahl: die Wildvögel suchen sich die Äcker selber aus, auf denen sie ihr Futter suchen, dem Landwirt bleiben dann nur zwei Möglichkeiten: entweder weiter anbauen, was er will - dann erhält er keinerlei "Gänsefraß"-Geld aus den Unterstützungsprogrammen oder sich an eng gefasste Vorgaben halten, um wenigstens rund 300 Euro/ha jährlich für von Gänsen besuchte Flächen zu erhalten.

Enge Vorschriften für die Einsaat

Im Januar beschäftigte sich gar ein "Gänsegipfel", einberufen vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter, mit der Problematik. Am Dienstag nun musste sich Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer in Ostfriesland die Kritik der Landwirte anhören. 

Denn die noch bis Ende des Jahres aus dem "Kooperationsprogramm Nordische Gastvögel" zu erhaltenden Fördergelder, 235 bis 290 Euro pro Hektaer Ackerfläche, reichen den Landwirten nicht aus, um den Fraßschaden durch Wildvögel auszugleichen. Außerdem haben die Landwirte, die an dem Vertragsprogramm teilnehmen, starke Einschränkungen in der Anbaufolge zu akzeptieren.

Den höchsten Fördersatz von 320 Euro/ha jährlich erhielten nach der derzeitigen Regelung diejenigen Landwirte, die sich vertraglich verpflichteten, auf ihren Flächen Wintergetreide sowie zwei Mal Grassorten auszusäen, 315 Euro erhielten diejenigen, die sich für Wintergetreide mit einer einmaligen Zwischeneinsatz von Raps entschieden.

Ab 2015 - mehr Freiheit in der Fruchtfolge

Für allem für die Landwirte, die auf ihren Äckern auch eigene Futtermittel anbauen, war die bisherige Regelung zu eng gefasst. Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft kritisierte deshalb nach dem Besuch des Ministers, dass die bisherigen Regelungen nicht ausreichen.

"Die bisherigen Zahlungen im Rahmen des Vertragsnaturschutzes gleichen die Schäden, die bis zum Totalausfall sowohl von Getreide als auch Grünland gehen, auch nicht annähernd aus", so AbL-Landesvorsitzender Ottmar Ilchmann „Gänsegipfel“ von Agrar- und Naturschutz-Verbänden im Januar.

Ab 2015 sollen neue Regelungen gelten. Dann steigt mit dem neuen Programm "Agrarumweltmaßnahmen" die jährlich gezahlte Prämie auf maximal 330 Euro und die Landwirte erhalten mehr Möglichkeiten, ihre Flächen zu belegen. Doch Milchbauer Ilchmann wies darauf hin, dass die Situation zusätzlich durch die in den Agrarumweltprogrammen vorgesehene „Kombination“ von Gänseschutz und Wiesenbrüterschutz verschärft würde – dadurch verlängere sich die Zeit der landwirtschaftlichen Nichtnutzung dieser Flächen und damit des Nutzungsausfalls noch einmal ganz erheblich. „Wenn das wirklich gesellschaftlich gewollt sein sollte“, so Ilchmann, „dann müsste es auch einen wirklichen Ausgleich der Nachteile geben!“

Wintereinsaat weiterhin nicht möglich

Rechnen werden sich auch die neuen Sätze nur für diejenigen Landwirte, die größere Flächen haben. Denn meistens wird nur ein Teil von Gänsen beflogen und abgefressen. "Angeschissen" im wahrsten Sinne des Wortes sind diejenigen, die nur kleine Ackerflächen bewirtschaften und das Pech haben, das ihnen die Gänse die gesamte Einsaat auffressen. Da reicht dann auch der höchste Fördersatz zum Ausgleich nicht aus.

Das Landvolk allerdings ist mit den neuen Regelungen einigermaßen zufrieden. "Mit der 2015 geplanten Erleichterung im Kooperationsprogramm können wir Landwirte ganz gut leben," so Henning Harms, aus dem Vorstand des Landvolks Lüchow-Dannenberg. "Das erweitert für die Landwirte die Nutzungsmöglichkeiten." Aber auch Harms hätte sich gewünscht, dass der Anbeu winterharter Zwischenfrüchte erlaubt wäre, das würde die Nutzungszeit für die Landwirte erhöhen. Auch nach den neuen Regelungen müssen viele Äcker zwischen September und März leer bleiben. Gerade für Futtermittel anbauende Betriebe ist das ein Problem. Doch die Region Elbtaue, zu der auch Lüchow-Dannenberg gehört, sollte nach dem Willen der Biosphärenreservatsverwaltung keine "Zone 1" werden, in der auch Wintereinsaaten erlaubt werden. "Die Winternutzung war hier nicht gewünscht," hieß es dazu aus der Landwirtschaftskammer.

AbL: Regelungen sind ungenügend

Für die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft reichen die geltenden Richtlinien - und auch das 2015 in Kraft tretende Agrarumweltprogramm, nicht aus. Sie fordern von Landwirtschaftsminister Christian Meyer weitergehende Regelungen. In der Auseinandersetzung mit den Naturschutzverbänden sieht die AbL eine Einigkeit in zwei wesentlichen Punkten: Ein wirklicher Ausgleich der durch Gänse entstandenen Schäden müsse an die Stelle pauschaler und zudem unzureichender Flächenzahlungen treten.

Stattdessen sei ein ergebnisorientierter Naturschutz angesagt – mit einer Kontrolle darüber, ob die ergriffenen Maßnahmen wirklich den erwünschten Erfolg brächten. So würden etwa ungenutzte und in der Folge verbuschte Naturschutzflächen keinen Wert mehr für Gänse und auch Wiesenbrüter darstellen. Eine stärkere, ggf. auch mosaikartige Nutzung z.B. durch Beweidung würde stattdessen bessere Futterflächen für Gänse und auch kombinierte Brut- und Futterangebote für Wiesenvögel schaffen.






2014-04-17 ; von Angelika Blank (autor), pm (autor),
in Niedersachsen, Deutschland

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