Nach über einjähriger Vorarbeit wurde am Dienstag ein "klimaangepasstes Leitbild", entwickelt von der HafenCity Universität Hamburg, dem Gartower Samtgemeinderat vorgestellt. Einstimmig nahm der Rat das "mittelfristig umzusetzende" Konzept an und will es in Zukunft als Orientierungsgrundlage für kommunale Entscheidungen nutzen.
Innerhalb des Forschungsprojektes „KLIMZUG-Nord“ erarbeitet die HafenCity Universität (HCU) für verschiedene Kommunen der Metropolregion Hamburg ähnliche Konzepte. Gartow hatte sich nach dem Start des EU-geförderten Projektes um Teilnahme beworben und auch den Zuschlag erhalten. Ohne einen Euro zuzahlen zu müssen, konnte die Samtgemeinde zwischen Elbe und Gartower Forsten deshalb der HCU den Auftrag erteilen, ein Konzept zu entwickeln, wie innerhalb der Kommune den Folgen des Klimawandels zu begegnen und womöglich sogar Nutzen zu ziehen sei.
Nach einem einjährigen Prozess mit mehreren Arbeitsgruppentreffen, an denen sich neben Vertretern aus Politik und Verwaltung auch Bewohner der Region beteiligten, liegt nun das fertiggestellte Konzept vor. Danach will die Samtgemeinde in insgesamt fünf Bereichen aktiv werden. Zunächst gilt es, Siedlungen vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. So sollen zum Beispiel Ortschaften durch Abstandsflächen vor Waldbränden geschützt werden oder der Bodenerosion durch sogenannte Freiraumbeschattungen entgegen gewirkt werden.
Auswirkungen des Klimawandels auf den Gebirgsbereich Gorleben prüfen
Bekannterweise gehört auch das Erkundungsbergwerk Gorleben zur Samtgemeinde Gartow. Hier regt die HCU an, dass die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels auf den Erkundungsraum zu prüfen seien. Auch der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, Wolfram König, hatte beim Besuch des Bundesumweltministers im Salzstock diesen bereits darauf hingewiesen, dass im Falle einer womöglich kommenden Eiszeit mit erheblichen Bewegungen im Gebirgsbereich zu rechnen sei. Wann die nächste Eiszeit tatsächlich kommt, das konnte auch der BfS-Präsident nicht beantworten. Unter Wissenschaftlern gilt es allerdings als ausgemacht, dass im Verlauf von rund 20 000 Jahren mit Eiszeiten zu rechnen sei. (PS: die letzte Eiszeit endete vor 10 000 Jahren).
Ein großes Thema im Konzept der HCU ist der Schutz der Siedlungen vor Hochwasser. Hier sollen unter anderem mögliche Deichrückverlegungen und Schutzeinrichtungen geprüft und gegebenenfalls angepasst werden.
Wassermanagement für die Landwirtschaft und neue touristische Angebote
Heiße Sommer mit extrem langen Trockenphasen machen vor allem der Landwirtschaft zu schaffen. Speicherung von Regenwasser könnte da Abhilfe schaffen. Daneben sollen Landwirte beraten werden, wie sie Ertragssteigerungen im Ackerbau durch trockenstressresistente Arten erreichen können.
Unter den Stichworten „Gesundheit, Erholung und Natur“ soll der Klimawandel im touristischen Bereich sogar zur Steigerung der Besucherzahlen genutzt werden, so die Vorstellungen der HCU. Wetterunabhängige Angebote sollen ausgebaut und klimaangepasste Unterkünfte entwickelt werden. Demnächst könnten in den Häfen zum Beispiel schwimmende Häuser auf der Elbe zur Übernachtung genutzt werden.
Mittelfristige Umsetzung der Maßnahmen
Auch wenn der einstimmige Beschluss des "klimaangepassten Leitbildes" nicht verbindlich für die angeschlossenen Gemeinden ist, so ist Ratsvorsitzender Ulrich Flöter doch überzeugt, dass sich viele Vorschläge demnächst in Flächennutzungsplänen und Ratsbeschlüssen wiederfinden werden. „Wenn wir keine Überschwemmungsflächen schaffen, so werden unsere Nachfahren sich mit noch höheren und weiter ausufernden Überschwemmungen auseinander setzen müssen“, ist Flöter überzeugt. Doch aus seiner Tätigkeit als Deichverbandsvorsteher weiß er, dass die Bundesländer längs der Elbe eine gemeinsame Strategie verfolgen müssen, damit der Hochwasserschutz wirklich greift. Im Moment steht es mit den Absprachen anscheinend nicht so gut. Nach Flöters Kenntnis klagt das Land Mecklenburg-Vorpommern gerade gegen Sachsen-Anhalt, weil dieses ohne Absprache seine Deichhöhen anders festgelegt hat als die anderen Länder.
Trotz der einstimmigen Annahme des klimaangepassten Leitbildes wird es also noch einige Punkte geben, die nur langfristig zu klären sind. Die HCU sieht es selbst so, dass ihr Konzept erst mittelfristig – bis zum Jahre 2050 – in vollem Umfang umgesetzt werden kann.
Foto: Angelika Blank / Dipl.-Ing Thomas Zimmermann von der HCU stellte in Gartow das klimaangepasste Leitbild vor.