Nachdem die N-Bank bereits ausgezahlte Fördergelder in Höhe von 1 Mio. Euro zurückgefordert und die Restzahlung von 500 000 Euro zurückgestellt hat, musste die Samtgemeinde Gartow in ihren Haushalt erstmalig Schulden einplanen.
Die Zeiten, in denen die Samtgemeinde Gartow mit einem rund 2 Millionen schweren Rücklagenpolster einen ausgeglichenen Haushalt aufstellen konnte, sind vorerst vorbei. Gartows Kämmerer Hans-Heinrich Drimalski musste dem Samtgemeinderat am Dienstag für das Jahr 2016 einen Haushaltsplan vorlegen, der nicht nur ein Jahresdefizit im Finanzhaushalt von 160 700 Euro aufweist, sondern auch die Zahlungsfähigkeit nur mit Kassenkrediten in erheblicher Höhe gewährleisten kann.
Die Ursache für diese Finanzmisere - ein "Desaster" wie es die Grüne Asta von Oppen nannte - ist die Tatsache, dass die N-Bank bereits ausgezahlte Fördergelder für die Erweiterung der Wendlandtherme in Höhe von 1 Million Euro kürzlich zurückforderte. Die eigentlich noch ausstehende Abschlusszahlung von 500 000 Euro steht damit auch in Frage.
Wie Gartows Bürgermeister Christian Järnecke berichtete, hat die Samtgemeinde nach Ansicht der N-Bank einen Vertrag mit dem Architekten vor der Förderbewilligung abgeschlossen - und dies ist nach den Förderrichtlinien des Landes nicht zulässig. Die Samtgemeinde sieht das anders und hat einen Rechtsanwalt eingeschaltet, der sie durch das Widerspruchsverfahren begleiten soll.
Die eine Million Euro wurden kurzfristig nach Mitteilung der Rückforderung überwiesen, so dass schon im Januar in der Kasse rund 250 000 Euro fehlten. Da für den Umbau der Wendlandtherme sämtliche Reserven aufgelöst wurden, muss die Samtgemeinde dieses Jahr einen kurzfristigen Kassenkredit in Anspruch nehmen, um die Zahlungsfähigkeit im Jahre 2016 sicherzustellen.
Falls die Verwaltung mit ihrem Einspruch gegen die Rückforderung Erfolg hat, so werden im Spätsommer wohl die Gelder von der N-Bank fließen. "Falls sich das Verfahren aber hinzieht bzw. wir das Verfahren verlieren, so müssen wir einen längerfristigen Kredit aufnehmen," so Kämmerer Hans-Heinrich Drimalski. Für Gartow eine Erfahrung, die sie in diesem Ausmaß seit Jahrzehnten nicht machen brauchten.
Hauptdefizitquelle: die Wendlandtherme
Am meisten Ärger löste in der Ratssitzung am Dienstag aus, dass das Minus der Wendlandtherme im Jahre 2016 auf 551 500 Euro klettern wird. "Wir waren davon ausgegangen, dass der Umbau das Defizit verringert und es nicht noch erhöht," beschwerte sich Bernd Kreutzkamp (UWG). Sowohl SG-Bürgermeister Christian Järnecke als auch Hans-Heinrich Drimalski verwiesen - wie schon in früheren Sitzungen - darauf, dass die Therme erst mit Verspätung eröffnet werden konnte und plädierten dafür, einen vollständigen Saisondurchlauf abzuwarten, bevor eine aussagekräftige Bewertung von Einnahmen und Ausgaben erstellt wird.
Die grünen Abgeordneten (Asta von Oppen und Matthias Gallei) monierten erneut, dass schon die Zahlen des Planungsgutachtens nicht der Realität entsprochen hätten. "Nun stehen wir vor diesem desaströsen Haushalt," so Asta von Oppen.
Doch auch eine längere Diskussion über das warum, wer, wann, welche - womöglich - falschen Entscheidungen getroffen hatte, erbrachte keinen Vorschlag zur Lösung des Problems. Die Verwaltung setzt immer noch sehr darauf, dass die Werbemaßnahmen (pro Jahr sind dafür 18 000 Euro eingestellt) irgendwann einschlagen und die Sollziele für die Saunanutzung erreicht werden. Im Badbereich konnte die Verwaltung bereits auf deutlich gestiegene Besucherzahlen verweisen.
Ein weiteres stark angestiegenes Defizit wurde dagegen gar nicht diskutiert: statt mit 75 000 Euro muss die Samtgemeinde Gartow den Verlust der Kur- und See GmbH dieses Jahr mit 156 000 Euro ausgleichen. Nach einem älteren Vertrag übernimmt die Samtgemeinde 75 % der aufgelaufenen jährlichen Defizite. Eine Diskussion über die Erfüllung der Aufgaben, die der Kur- und See GmbH übertragen worden waren (u. a. Stärkung des Bekanntheitsgrades, Stärkung der Finanz- und Kaufkraft) blieb vollständig aus.
Trotzdem: in Feuerwehrtechnik und Therme investieren
Verschärfend kommt dazu, dass in diesem Jahr die Feuerwehrtechnik im Samtgemeinde-Bereich teilweise erneuert werden muss/soll. Dafür sind trotz der knappen Mittel über 270 000 Euro eingeplant. Auch in der Wendlandtherme soll eine weitere Investition erfolgen: für rund 150 000 Euro soll dort ein Fitnessbereich eingerichtet werden - allerdings nur dann, wenn sich ein Pächter dafür findet. Unumgänglich ist allerdings die Investition in die Erneuerung der Lüftungstechnik im Bad für rund 160 000 Euro. "Das ist alternativlos," so Drimalski. "Wenn wir diese Investition nicht machen, müssen wir das Bad demnächst wegen hygienischer Mängel schließen."
Angesichts der knappen Finanzlage beantragte Kreutzkamp eine Investitionssperre in den Bereichen Brandschutz und Wendlandtherme. Einige CDU-Abgeordnete wiesen darauf hin, dass die Einzelinvestitionen ja vor Beauftragung in den jeweiligen Ausschüssen noch einmal besprochen werden. Eine Ausgabesperre im Bereich Brandschutz lehnte SG-Bürgermeister Christian Järnecke kategorisch ab. "Das ist eine Pflichtaufgabe und wir haben die Verbesserung der Ausstattung schon länger vor uns hergeschoben," so Järnecke. Nach längerer Diskussion fand die Ausgabensperre keine Mehrheit.
Und wer muss nun leiden?
Auf Projekte wie den Breitausbandausbau hat die "Gartower Finanzkrise" keinen Einfluss wie Bürgermeister Järnecke betonte. Auch Zuschüsse für verschiedene Gartower Kultur- und Sozialinitiativen sind in unveränderter Höhe vorgesehen. Auch freiwillige Aufgaben wie die Förderung des Sports oder die Unterstützung von Tageseinrichtungen für Kinder sollen in unveränderter Höhe finanziert werden.
Da es "keinen Sinne mache, anzufangen, bei den kleinen Positionen einzusparen" (Zitat Kämmerer Drimalski) plant die Verwaltung, den Finanzausgleich innerhalb der Samtgemeinde zu kürzen. Bedeutet im Klartext: Die Gliedgemeinden (Schnackenburg, Gemeinde Gartow, Höhbeck, Gorleben und Prezelle) erhalten dieses Jahr nur noch die Hälfte der in den vergangenen Jahren gezahlten Zuweisungen. Für Schnackenburg bedeutet das einen Verlust von 20 000 Euro, für die Gemeinde Höhbeck (die eine bessere Haushaltslage hat) lediglich einen Verlust von rund 5000 Euro.
Schnackenburgs Bürgermeisterin Irene Brade trug es mit Fassung. Sie hatte im Stadthaushalt bereits Einsparungen eingeplant, um diesen im Gleichgewicht zu halten. Höhbecks Bürgermeister Hans-Joachim Schenk sah es angesichts seines schuldenfreien Haushalts und einer siebenstelligen Rücklage ebenfalls entspannt.
Ob die aktuellen Finanzprobleme nur der Vorbote einer länger anhaltenden Finanzkrise sind oder ob es bei einer kurzfristig schwierigen Situation bleibt, wird sich frühestens im Spätsommer entscheiden, wenn eine Entscheidung der N-Bank über den Widerspruch vorliegt. Für den Fall, dass die N-Bank bei ihrer Entscheidung bleibt, kündigten Järnecke und Drimalski bereits an, dass sie - falls notwendig - bereit sind, die Angelegenheit bis zum Bundesverwaltungsgericht durchzuklagen.
In letzterem Fall allerdings muss die Samtgemeinde die fehlenden 1,5 Millionen und die Jahresdefizite ausgleichen. "Das wird wohl nur über einen längerfristigen Kredit funktionieren," so Drimalski.
Asta von Oppen wies in der Sitzung außerdem darauf hin, dass der Vertrag mit der Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) über die Zahlung von zur Zeit 838 500 Euro jährlich als Ausgleich für den Betrieb des Zwischenlagers in Gorleben womöglich demnächst aufgehoben werden könnte. "Es ist fraglich, ob die GNS den Vertrag aufrecht erhält, wenn sie die Zwischenlagerung in Gorleben gar nicht mehr durchführt," so von Oppen. Denn in Berlin werde derzeit diskutiert, die Zwischenlagerung in Gorleben dem Staat zu übergeben.
Spätestens dann wäre das von Asta von Oppen bereits jetzt verkündete "Desaster" endgültig da.
Haushaltspläne werden jedes Mal ausgiebig diskutiert. Dieses Mal brauchte der Samtgemeinderat noch etwas länger, bevor er sich mit knapper Mehrheit für Haushaltsplan und -satzung entscheiden konnte.
Foto / Angelika Blank: Zur Zeit haben die Finanzverantwortlichen in der Samtgemeinde Gartow keinen Spaß an ihrer Wendlandtherme. Sie beschert im Haushalt dieses Jahr einen Verlust von über 500 000 Euro.