Gekommen um zu bleiben: die Beluga I ist an ihrem Ruhehafen gelandet

Montag früh war das ehemalige Greenpeace-Aktionsschiff in sechs Teile zerschnitten in Gorleben angekommen. Seitdem werkelten rund 100 fleißige Helfer Tag und Nacht, um die "Beluga I" wieder zusammenzusetzen und ihr neuen Glanz zu verleihen. Am Freitag Mittag konnte die feierliche "Schiffstaufe" vor dem Erkundungsbergwerk begangen werden.

Die erste Flasche Champagner wurde zwar vor der Zeit von einem Kameramann versehentlich zerschlagen, doch von diesem in Seemannskreis als extrem schlechtes Omen geltenden Fauxpas ließ sich niemand die Laune verderben. Flugs war eine neue Flasche aufgehängt, die später von Grundstückseigentümer Andreas Graf von Bernstorff und Greenpeace-Geschäftsführer Roland Hipp professionell an der Schiffswand zerschlagen wurde - dies jedoch erst, nachdem der blumengeschmückte Topmast aufgezogen war.

Musikalisch umrahmten die Feier der Cellicst Julian Arp aus Berlin sowie der Saxofonist Eric Lamb aus New York, die von Bernstorff von seinen gerade stattfindenden Gartower Schloßkonzerten loseisen konnte.

In seiner Einweihungsrede erinnerte Greenpeace-Atomexperte Mathias Edler noch einmal an die bewegte Geschichte der "Beluga I", die immer wieder auch gegen die radioaktive Verseuchung der Meere im Einsatz war. "Nachdem wir uns entschieden hatten, dass die Beluga I nicht verschrottet werden soll,  sondern an einem Ort ihren Ruhehafen finden soll, der zu ihrer Geschichte engen Bezug hat, brauchte es nicht lange, um den richtigen Ort zu finden," so Edler. "Und dieser Ort konnte nur Gorleben sein."

Das Schiff, dass durch Meßergebnisse und Aktionen letztendlich mit dafür sorgte, dass die Wiederaufbereitung in Deutschland schon vor Jahren eingestellt wurde, sollte an dem Symbol für eine verfehlte Atompolitik, dem Erkundungsbergwerk in Gorleben, als dauerhaftes Mahnmal wirken.

"Wir gehen hier nur weg, wenn Gorleben kein Endlager wird," kündigte Greenpeace-Geschäftsführer Roland Hipp vor den rund 300 Teilnehmern der Zeremonie denn auch an. Hipp hatte die Aktionen und Untersuchungs- und Meßarbeiten auf der "Beluga I" jahrelang geleitet.

Das Schiff soll über dem Salzstock daran erinnern, dass Gorleben kein sicheres Endlager für hochradioaktiven Atommüll sein kann.

Die Einweihungszeremonie fand gemeinsam mit den Eigentümern des Grundstücks, der Familie von Bernstorff und Anti-Atom-Initiativen aus dem Wendland statt. Der Zeitpunkt für die "Schiffstaufe" konnte nicht besser gewählt werden: am Morgan hatte im Bundestag die erste Lesung des geplanten Endlagersuchgesetzes statt gefunden - trotz aller Kritik aus dem wendländischen Widerstand, vielen Umweltverbänden und selbst Teilen der Grünen.

"Das Endlagersuchgesetz weist schwerwiegende Mängel auf, die einen echten und ehrlichen Neuanfang blockieren", so Mathias Edler. So sei die Politik im November 2011 angetreten mit dem Ziel, die Behördenstruktur zu entflechten. Der aktuelle Gesetzentwurf schaffe jedoch mit dem geplanten Bundesamt für kerntechnische Entsorgung eine neue Superbehörde mit bisher nie da gewesenen Kompetenzen.   "Wir fordern die Mitglieder des Bundestages auf, dem Gesetz nicht zuzustimmen, da es wieder einmal nur auf den untauglichen Salzstock Gorleben hinausläuft", sagt Edler weiter.

Keine Bürgerbeteiligung vorgesehen

Greenpeace fordert, dass sich die Parteien im Bundestag in einem ersten Rahmengesetz ausschließlich zu dem gemeinsamen Ziel der Suche nach dem bestmöglichen Endlagerstandort in der Bundesrepublik verpflichten. Darüberhinaus müssten lediglich die faire Besetzung und die Aufgaben für eine vorgeschaltete Enquete-Kommission festgelegt werden. Die Kommission müsse im ersten Schritt ausschließlich ein faires Suchverfahren entwickeln. Der Kommissionsvorschlag solle danach mit den Bürgern in den potentiellen Standortregionen und an allen Zwischenlagerstandorten, an denen aktuell Atommüll lagert, diskutiert werden, bevor er in Gesetzesform gegossen wird.

"Nur mit Beteiligung der Bürger stellen wir die Endlagersuche auf ein starkes gesellschaftliches Fundament, das den Verfahrenszeitraum von mindestens sechs Legislaturperioden auch überlebt", sagt Greenpeace-Atomexperte Mathias Edler. Greenpeace fordert den Bundesumweltminister auf, mit der 35-Jährigen Geschichte von Lug und Trug bei der Endlagersuche endlich zu brechen und einen ehrlichen Neustart ohne Zeitdruck zu beginnen.

Die Beluga vor den Toren des geplanten Endlagers ist einer von mehreren Infopunkten, die über das ganze Wendland verteilt sind. Eine Karte der Infopunkte finden Sie unter: gpurl.de/Infopunkte-Gorleben. Einen Blog zur letzten Reise der Beluga: gpurl.de/Beluga. Infos zur Endlagerung und zur Beluga: gpurl.de/zwischen_endlager.

Von Bernstorff: mit äußerster Wachsamkeit weiter aufpassen

Grundstückseigentümer Andreas Graf von Bernstorff konnte seine Begeisterung nicht verhehlen. Vehement dankte er den Greenpeace-Aktivisten für "diese großartige Unterstützung" und erinnerte ebenfalls an die Geschichte der Beluga, die an all den neuralgischen Punkten der Atomenergie-Wirtschaft wie Sellafield oder La Hague unterwegs war. "Nun steht das Schiff hier als Mahnmal gegen eine verfehlte Atompolitik und fordert uns auf, mit äußerster Wachsamkeit im Auge zu behalten, dass trotz des Endlagersuchgesetzes auch die neuen Wege alle nach Gorleben führen, wenn wir nicht weiter aufpassen," so von Bernstorff . 

"So hoffe ich an diesem Tag, an dem das Endlagersuchgesetz in der ersten Lesung im Bundestag debattiert wird, dass diese große Greenpeace-Aktion der Öffentlichkeit vor Augen führt, dass das Endlagersuchgesetz noch viele Fallstricke enthält und übers Knie gebrochen ist," so von Bernstorff weiter. "Unsere Befürchtung ist weiterhin, dass der Atommüll af jeden Fall im Gorlebener Salzstock landen soll." 

Samtgemeinde Gartow: "Dies ist ein Schwarzbau"

Beim Betriebsrat der BLG im Salzstock sowie bei der Verwaltungsleitung der Samtgemeinde Gartow mochte keine Begeisterung aufkommen. Betriebsvorsitzender Peter Ward hatte bereits am Montag vor laufenden Kameras erklärt, dass er das Aufstellen der Beluga vor den Toren des Erkundungsbergwerks für eine Beleidung und einen Affront gegen die Bergleute halte. "Auch unsere Argumente müssen gehört werden," beklagte sich Ward bei Greenpeace-Vertretern über vorgebliche Ignoranz seitens der Gorleben-Gegner.

Friedrich-Wilhelm Schröder, Samtgemeindebürgermeister von Gartow, fordert eine intensive baurechtliche Überprüfung. "Für mich ist das ein Schwarzbau - genauso wie die Gegner behaupten, dass das Erkundungsbergwerk ein Schwarzbau sei," erklärte Schröder auf einer Parallelveranstaltung zur "Schiffstaufe". Der Verwaltungschef fordert eine intensive baurechtliche Prüfung und bemängelt ein "fehlendes Planfeststellungsverfahren".

Für die baurechtliche Prüfung des auf einem gemeindefreien Grundstücks stehenden Schiffs ist der Landkreis Lüchow-Dannenberg als Ordnungsbehörde zuständig. Landrat Jürgen Schulz erwartet nun ein "genehmigungsfähiges Betriebskonzept" von Greenpeace, bevor er die entsprechenden baurechtlichen Genehmigungen erteilen kann.

Von diesen formalen Überlegungen ließen sich die Beluga-Fans in Gorleben allerdings nicht vom Feiern abhalten. Bei strahlender Sonne und Temperaturen nahe 30 Grad begeisterten sie sich an "ihrem Schiff im Wald", dass ihnen vermutlich noch lange Zeit erhalten bleiben wird.

Foto/s Angelika Blank (Titel) / Karin Behr und Andreas Conradt (beide publixviewing.de) ... Andreas Graf von Bernstorff (links) und Greenpeace-Geschäftsführer Roland Hipp ließen mit Begeisterung die Flasche krachen.





Fotos

2013-05-17 ; von Angelika Blank (autor),
in Gedelitzer Straße, 29475 Gorleben, Deutschland

endlager_gorleben   greenpeace  

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